Wirecard-Skandal - Deutsche Justiz prüft Connection zum BVT

Der Ex-Vorstand des mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard, Jan Marsalek, könnte für den österreichischen Verfassungsschutz (BVT) tätig gewesen sein. Er soll von einem BVT-Mitarbeiter als "Vertrauensperson" geführt worden sein und Zugang zu streng geheimen Dokumenten gehabt haben, berichtet das Nachrichtenmagazin "profil" Donnerstagabend online.

Neben der Frage, wo Milliardenbeträge aus der Bilanz des in Deutschland bis vor kurzem börsennotierten Fintech-Unternehmens verblieben sind, gebe es eine Komponente der Affäre, die mitten in die klandestine Welt der Nachrichtendienste führt, so das Magazin. Schlüsselperson dabei sei der auf der Flucht befindliche ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek - ein Österreicher wie auch der in deutscher U-Haft sitzende ehemalige Wirecard-Vorstandschef Markus Braun.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, geht der Generalbundesanwalt in Karlsruhe - Deutschlands oberste Strafverfolgungsbehörde - der Frage nach, inwieweit Marsalek neben seiner Tätigkeit als Vorstand eines DAX-Konzerns für das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) aktiv gewesen sei. Dies ergibt sich aus einer Antwort des deutschen Justizministeriums auf eine schriftliche Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi.

"profil" liegt das Schreiben den Angaben zufolge ebenfalls vor. Darin heiße es, der Generalbundesanwalt habe Anhaltspunkte dafür, dass Marsalek von einem Mitarbeiter des BVT als "Vertrauensperson" geführt worden sei. Weiters schreibe das deutsche Justizministerium: "Es besteht der Verdacht, dass dieser Mitarbeiter des BVT vier streng geheime Berichte der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) an Jan Marsalek überlassen hat."

Unter einer "Vertrauensperson" versteht man in Dienstekreisen jemand, mit dem laufend zusammengearbeitet wird - zum Beispiel als Quelle für Informationen. Die deutsche Justiz prüft nun, ob möglicherweise eine Straftat vorliegt. Bisher hätten sich keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die im Raum stehenden Kontakte Jan Marsaleks zum BVT den Tatbestand einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit" erfüllen könnten, heißt es in der Anfragebeantwortung.

Eine allfällige Spionagetätigkeit müsste sich gegen Deutschland gerichtet haben, damit das dortige Strafrecht greift. Sollte sich herausstellen, dass Marsalek Wirecard-Interna an das BVT weitergegeben oder dem BVT über Gespräche mit deutschen Politikern berichtet hat, könnte es heikel werden.

Was die erwähnten OPCW-Dokumente betrifft, laufen in Österreich bereits Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Wien führt ein Verfahren gegen "unbekannte Täter", wie eine Sprecherin auf "profil"-Anfrage mitteilt. Es geht dabei um Geheimpapiere über das Nervengift Nowitschok, die aufgrund eines darauf angebrachten Zahlencodes einem österreichischen Ministerium zuordenbar sein sollen.

Doch nicht nur mögliche BVT-Verbindungen Marsaleks stehen dem Bericht zufolge im Raum: In Zusammenhang mit einem geplanten, aber nicht realisierten Wiederaufbauprojekt in Libyen, in das auch das Verteidigungsministerium involviert war, ergab sich zudem eine mögliche Russland-Connection. Der damalige Wirecard-Vorstand soll bekanntlich über den Einsatz von Söldnern in dem geostrategisch wichtigen Bürgerkriegsland nachgedacht haben. Der Grüne Nationalratsabgeordnete David Stögmüller erstattete in der Zwischenzeit Anzeige gegen einen hochrangigen Beamten und einen Unternehmensberater. Diesbezüglich prüft die Staatsanwaltschaft Wien derzeit, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, reisten österreichische Ermittler vor wenigen Wochen nach München. In den vergangenen Tagen soll bei den dortigen Behörden dann ein Rechtshilfeersuchen eingegangen sein. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe.

Wie "profil" bereits Mitte Juli berichtete, unterhielt Marsalek Kontakte zu einem leitenden BVT-Beamten, der mittlerweile nicht mehr für den Verfassungsschutz tätig ist. Bei Ermittlungen in Österreich tauchten darüber hinaus WhatsApp-Nachrichten mit Informationen auf, die angeblich von "Jan aus dem BVT" stammten. Einem Bericht der "Presse" zufolge soll es sich bei diesem "Jan" um Marsalek gehandelt haben. Bestätigt wurde das bisher nicht. Als internationaler Zahlungsabwickler könnte Wirecard ein begehrtes Ziel für Nachrichtendienste gewesen sein.

Der frühere Wirecard-Manager Marsalek ist seit Juni untergetaucht. Die Ermittler werfen ihm sowie dem früheren Vorstandschef Markus Braun und anderen Verdächtigen organisierten Bandenbetrug vor. Sie sollen mit gefälschten Bilanzzahlen über 3 Mrd. Euro von Banken und Investoren erschwindelt haben.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Ex-Vorstand des mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard, Jan Marsalek, könnte für den österreichischen Verfassungsschutz (BVT) tätig gewesen sein.
  • Er soll von einem BVT-Mitarbeiter als "Vertrauensperson" geführt worden sein und Zugang zu streng geheimen Dokumenten gehabt haben, berichtet das Nachrichtenmagazin "profil" Donnerstagabend online.
  • "profil" liegt das Schreiben den Angaben zufolge ebenfalls vor.