"Missverständnis": Keine Weisungsrat-Billigung für Waldhäusl-Anklage
Das geht aus dem neuen Weisungsbericht 2023 des Justizministeriums hervor. Waldhäusl war wegen der Verlegung von minderjährigen Flüchtlingen in eine angeblich ungeeignete Asylunterkunft angeklagt und letztlich freigesprochen worden.
Der Weisungsrat ist ein Beratungsgremium des jeweiligen Justizministers bzw. der jeweiligen Justizministerin in sogenannten "clamorosen" (mit öffentlichem Interesse verbundenen) Fällen. Im Weisungsbericht muss Justizministerin Alma Zadić (Grüne) über die von ihr erteilten Weisungen sowie über jene Fälle berichten, in denen der Äußerung des Weisungsrats nicht entsprochen wurde.
Amtsmissbrauch vorgeworfen
Bei der Anklage gegen Waldhäusl ging es darum, dass dem Freiheitlichen und einer ehemaligen Landesbediensteten Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren in die mit Stacheldraht begrenzte Asylunterkunft Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) gebracht worden - laut Anklagebehörde war diese aber ungeeignet.
Im Weisungsbericht wurde das Verfahren noch einmal analysiert: Demnach wollte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dieses gegen Waldhäusl zunächst eigentlich einstellen, musste aber nach Befassung der Oberstaatsanwaltschaft Wien weiter ermitteln. Anschließend habe sich der Tatverdacht intensiviert, und es sollte eine Anklageschrift eingebracht werden.
Diese gelangte dann zum Weisungsrat, der zum Schluss kam, dass die Anklage in dieser Form nicht zur Kenntnis genommen werden sollte - und zwar wegen "unrichtiger Anwendung eines Gesetzes". Im Detail ging es dabei um eine juristische Einschätzung: Die Grundversorgung von Flüchtlingen in Niederösterreich werde prinzipiell im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung abgewickelt.
Daher könne in diesem Rahmen grundsätzlich auch keine Amtsgewalt missbraucht werden. Eine Hintertür ließ man aber offen: Ein Tatverdacht des Amtsmissbrauchs könne sich aber im Zusammenhang mit der Entlassung aus der Grundversorgung und der Verweigerung von Versorgungsleistungen bzw. des Vorliegens einer menschenunwürdigen Unterkunft ergeben. Diese Äußerung teilte das Justizministerium dann per Weisung der Oberstaatsanwaltschaft mit.
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Waldhäusl freigesprochen
WKStA und Oberstaatsanwaltschaft schätzten dies aber als im Widerspruch zu einem früheren Erlass des Ministeriums sowie einem Beschluss des Wiener Straflandesgerichts stehend ein und hielten am Anklagevorhaben fest. Die Oberstaatsanwaltschaft schlug vor, die Anklage in der Form zu genehmigen, dass die vom Weisungsrat als Verfolgungsvoraussetzung bezeichnete Menschenunwürdigkeit der Unterkunft tatsächlich gegeben gewesen sei.
Noch einmal vorgelegt wurde dem Weisungsrat die Anklage aber vom Justizministerium nicht - mit der Begründung, dass sich diese im Rahmen der rechtlichen Erwägungen des Weisungsrats bewege.
Schließlich wurde Waldhäusl freigesprochen: Nachdem die WKStA auf eine Berufung verzichtet hatte, gelangte der Fall nachträglich noch einmal zum Weisungsrat. Und dieser fühlte sich offenbar auf den Schlips getreten: Er hob hervor, dass es von seiner Seite keine Zustimmung zur Anklage gegeben habe.
"Zusammenfassend meinte der Weisungsrat, dass die fallaktuell zu beurteilende Quartierzuweisung an minderjährige Fremde nur dann den strafrechtlichen Vorwurf begründen könnte, wenn die Unterbringung die Deckung des elementaren Wohnbedürfnisses bloß in menschenunwürdiger Weise ermöglicht hätte. Weder direkt, noch indirekt wurde damit zum Ausdruck gebracht, dass dies auf die aktuell von der WKStA angenommene Fallgestaltung zutraf. Vielmehr ging der Weisungsrat von - nicht dem Amtsmissbrauch unterfallender - privatwirtschaftlicher Tätigkeit aus."
Das Justizministerium habe zwar tatsächlich die neue Anklage nicht dem Weisungsrat vorlegen müssen. Es treffe "aber nicht zu, dass rechtliche Erwägungen des Weisungsrats als Billigung der konkret beabsichtigten Anklage verstanden werden konnten".
Im Weisungsbericht des Ministeriums geht man von einem "Missverständnis" aus: In der zuständigen Fachabteilung habe man die erste Äußerung des Weisungsrats "offenkundig anders verstanden bzw. ausgelegt, als es der Intention des Weisungsrates entsprochen hatte".
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Zusammenfassung
- Die Anklage im Prozess gegen den ehemaligen niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl wegen Amtsmissbrauchs ist wegen eines "Missverständnisses" ohne Billigung des Weisungsrats im Justizministerium zustandegekommen.
- Das geht aus dem neuen Weisungsbericht 2023 des Justizministeriums hervor.
- Waldhäusl war wegen der Verlegung von minderjährigen Flüchtlingen in eine angeblich ungeeignete Asylunterkunft angeklagt und letztlich freigesprochen worden.