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Vor möglichem Angriff Irans: Biden rügt Netanyahu

Die Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff des Irans und seiner verbündeten Terrormilizen auf Israel verdichten sich. US-Präsident Joe Biden rügte Regierungschef Benjamin Netanyahu scharf, dieser spricht schon von einem "Vielfrontenkrieg". Wer jetzt noch versucht, zu verhandeln.

Der Iran, die Hisbollah aus dem Libanon, die Hamas aus dem Gazastreifen und die Huthi aus dem Jemen könnten einen großen Angriff auf Israel starten. So zumindest die Befürchtung von Diplomaten und Experten. 

Mehrere Hinweise auf Angriff

In den letzten Stunden verdichteten sich die Hinweise: Entsprechende Drohungen des Irans und seiner Verbündeten verschärfen sich seit Tagen. Mehrere Fluglinien strichen ihre Flüge nach Tel Aviv. In Israel wurde die GPS-Nutzung in größeren Teilen eingeschränkt - diese wird auch von Drohnen verwendet. Die USA verlegten weiteres militärisches Material in den Nahen und Mittleren Osten, der Oberbefehlshabers des US-Regionalkommandos Centcom, General Michael Erik Kurilla, ist in Israel eingetroffen.

Er flog auch schon ein, als am 13. April über 300 Raketen und Drohnen aus dem Iran Richtung Israel flogen. Auch damals wurden das GPS-Signal gedrosselt. 

Damals folgte der iranische Angriff, der von Israel und seinen Verbündeten fast vollständig abgefangen werden konnte, auf einen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus, Syrien. Nun wurde der Verhandlungsführer der Hamas, Ismail Haniyeh, in Teheran getötet. Offiziell bekannte sich Israel nur zur Tötung des Hisbollah-Kommandanten Fuad Shukr. 

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, sein Land sei nun auf jedes Szenario "auf höchstem Niveau" vorbereitet - "sowohl defensiv als auch offensiv". Er sprach von einem "Vielfrontenkrieg gegen Irans Achse des Bösen" und warnte den Iran von "jeder Art von Aggression" gegen sein Land. 

"Hör auf, mir Mist zu erzählen"

Joe Biden bekräftigte davor in einem Telefonat mit Netanyahu, dass die USA weiter hinter Israel stehen würden - so die offizielle Mitteilung aus dem Weißen Haus. Biden hob in dem Gespräch, an dem auch Vizepräsidentin Kamala Harris teilnahm, aber demnach zugleich "die Bedeutung der anhaltenden Deeskalationsbemühungen" hervor.

Mehrere Medien, darunter die "Times of Israel", berichteten aber über noch weitere Details aus dem Telefongespräch. Demnach sei Biden durchaus wütend geworden und habe zu Netanyahu gesagt: "Nehmen Sie die Unterstützung des US-Präsidenten nicht für selbstverständlich, und unterzeichnen Sie endlich einen Waffenstillstand"

Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf einen US-Beamten, Biden habe gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu beklagt, dass die Tötung Haniyehs zu einem ungünstigen Zeitpunkt erfolgt sei - und zwar in einem Moment, in dem die USA gehofft hätten, Gespräche über eine Waffenruhe abschließen zu können. "Hör auf, mir Mist zu erzählen", soll Biden dabei gar gesagt haben. 

Geisel-Verhandlungen liegen auf Eis

Auch Katar kritisierte, dass Verhandlungen unmöglich seien, "wenn eine Seite den Repräsentanten der anderen umbringt". In Israel sind am vergangenen Abend wieder Tausende auf die Straßen gegangen, die kritisierten, dass sich Netanyahu nicht für die Geiseln interessieren würde. 

Laut Netanyahu würde aber die Terrororganisation Hamas "nicht einmal den grundlegendsten Bedingungen des Entwurfs" zustimmen. "Ich bin bereit, sehr weit zu gehen, um alle unsere Geiseln freizubekommen und gleichzeitig die Sicherheit Israels zu wahren", so der Regierungschef. Eine hochrangige israelische Delegation war am Samstag zu neuen Verhandlungen in Kairo eingetroffen, jedoch bereits wenig später wieder zurückgekehrt. 

Seltener Besuch aus Jordanien

Während diese Verhandlungen weiter ins Stocken geraten sind, laufen vor einem möglich Angriff des Irans und seiner Verbündeten aber noch weitere Gespräche: Der Iran hat seit der Tötung Haniyehs mit mehreren arabischen Ländern beraten, darunter Jordanien, Ägypten, Oman und Katar. Teheran bekräftigte dabei allerdings wiederholt sein "angestammtes Recht", Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen.

Am Sonntag ist der jordanische Außenminister Ayman Safadi zu einem seltenen Besuch in Teheran eingetroffen. Dort sprach er mit seinem Amtskollegen Ali Bagheri. Der jordanische König  Abdullah II. hatte zuvor nach Angaben des Palastes in einem Telefongespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dazu aufgerufen, "noch mehr Chaos" im Nahen Osten zu vermeiden.

Die G7-Außenminister hielten unterdessen eine Videokonferenz ab, die vom italienischen Außenminister Antonio Tajani geleitet wurde. Sie äußerten "große Besorgnis über die jüngsten Ereignisse, die zu einer weiteren regionalen Ausbreitung der Krise führen könnten" und forderten alle im Nahost-Konflikt beteiligten Parteien auf, Handlungen zu vermeiden, die zu einer Eskalation führen könnten. Der Weg des Dialogs und der Mäßigung solle in der aktuellen Situation eingeschlagen werden, sagte Tajani.

Angst vor unkontrollierbarer Eskalation

Nahostexpertin und "Standard"-Journalistin Gudrun Harrer im Interview.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Hinweise auf einen bevorstehenden Angriff des Irans und seiner verbündeten Terrormilizen auf Israel verdichten sich.
  • US-Präsident Joe Biden rügte Regierungschef Benjamin Netanyahu scharf, dieser spricht schon von einem "Vielfrontenkrieg".
  • Am Sonntag ist unterdessen der jordanische Außenminister Ayman Safadi zu einem seltenen Besuch in Teheran eingetroffen.