Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA)APA/HERBERT NEUBAUER

Cybercrime und Whistleblower: Die unbekannten Seiten der WKStA

Die Zeiten des nigerianischen Prinzen seien vorbei, so die WKStA bei ihrem Jahresrückblick. Die Ermittler warnen eindringlich vor Cybercrime und warben für ihre Anlaufstelle für Whistleblower. Die Verfahren werden immer komplexer - und stellen die Behörde vor Herausforderungen.

Sebastian Kurz, Sophie Karmasin, Beinschab-Tool, CASAG und BUWOG, vielleicht noch die Causa Commerzialbank Mattersburg. Mit diesen Verfahren und Ermittlungen verbindet die breite Öffentlichkeit die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Klar, dabei geht es schließlich um Verfahren, die aktuelle und ehemalige hohe Entscheidungsträger:innen der Republik betreffen. 

Am Mittwoch zog die WKStA bei einem Pressegespräch in Wien Bilanz über ihre bisherige Arbeit. Eines wurde dabei klar: Die WKStA prüft, ermittelt und klagt nicht nur in den großen Polit-Krimis an. Rund ein Drittel der Verfahren betreffen mittlerweile Cybercrime, recht erfolgreich läuft auch eine Anlaufstelle für Whistleblower. Dabei stößt die Anklagebehörde auf Herausforderungen und immer komplexere Verfahren. 

WKStA unter Druck

Auf aktuelle Verfahren - und die Kritik von Sebastian Kurz an der WKStA, wonach sie politisch agiere - wollte sich Behörden-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda am Mittwoch nicht äußern. "Ich trete nicht in eine politische Arena - und schon gar nicht mit einem Beschuldigten." Nur so viel: Man sei es gewohnt, unter hohem Druck zu arbeiten und habe auch gezeigt, das zu können. 
Viel mehr wollte man eben den Blick auf die Gefahr Cybercrime lenken. 

Matthias Purkart, Leiter der Cybercrime-Kompetenzstelle, tat dies mit eindrücklichen Worten: Die Zeiten vom nigerianischen Prinz, der per Mail Erbe verspricht, seien vorbei. 

Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStAHKT

Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA

Nicht nur "Leichtgläubige" werden Opfer, immer noch gebe es "viel zu wenig Skepsis" in der Bevölkerung. Purkart appellierte: "Es ist keine Schande, zur Polizei zu gehen. Das kann der Unterschied sein, ob Sie Ihre Lebensersparnisse noch haben oder nicht."

Die WKStA ist bei Cybercrime dann zuständig, wenn eine bestimmte Schadenshöhe erreicht wird oder kriminelle Organisationen dahinter stehen. Gemein ist den Fällen, dass die Herausforderungen komplexer sind als bei "normalen" Verfahren und die Täter auf immer ausgefeiltere Tricks zurückgreifen. "Das Entwicklungstempo ist enorm". Viele Delikte könnten gar nicht aufgeklärt werden. 

"Juicy Fields": Betrug um Cannabis

Doch Purkart nannte auch Erfolge: Anlässlich der Cannabis-Tellegalisierung in Deutschland warben ein angebliche Unternehmen namens "Juicy Fields" und "My First Plant" mit professionell hergestellten Werbevideos um Anleger.

Oberstaatsanwalt (WKStA) Matthias PurkartAPA/HELMUT FOHRINGER

Oberstaatsanwalt Matthias Purkart 

Im Internet wurden gewinnbringende Invenstments und mit hohen Renditen versprochen, doch die gab es nicht Insgesamt gab es rund 22.000 Opfer mit einer Schadenssumme von rund über 416 Millionen Euro. Es folgten Hausdurchsuchungen und Festnahmen.

"Wolf of Sofia"

Federführend war die WKStA auch bei internationalen Ermittlungen, die zum bislang größten Prozess im Cybercrime-Bereich am Landesgericht Salzburg führten.

Mit dem angeblich schnellen Reichtum Prominenter warben Kriminelle um Investments in Finanzprodukte oder Kryptowährungen - Anfangs machten die Opfer in diesem Fall tatsächlich Gewinne, Broker aus Call Centern in Bulgarien motivierten zu noch mehr Investments.

Am Ende betrug der Schaden in Österreich rund 10 Millionen Euro, weltweit rund 200 Millionen Euro. In Österreich und Deutschland gab es 10 Verurteilungen.

"EXW-Wallet"

In diesem Fall wurden wieder Gewinne durch Investments in Immobilie, Handel und Kryptowährungen versprochen - dafür wurde extra eine Kryptowährung namens "EXW-Wallet" erschaffen. Statt in die versprochenen Objekte zu investieren, wurden die Opfer um Millionen gebracht. Die Angeklagten, die durch vielfache Transaktionen ihren Verbleib verschleiern wollten, investierten lieber in ihren eigenen extravaganten Lebensstil. Der Schaden soll 17 Millionen Euro betragen, es gibt 40.000 Opfer in ganz Europa. Angeklagt wurde am Landesgericht Klagenfurt. 

Rechtliche Herausforderungen

Gemein ist den Fällen, dass die Herausforderungen komplexer sind als bei "normalen" Verfahren, so Purkart. Technisch laufe alles digital, Zahlungsströme über Kryptowährungen, Daten würden oft nicht in Österreich liegen, so Purkart. Die Täter werben mit KI-generierten Videos von vermeintlichen Prominenten.

Praktisch stehe man also hochprofessionellen Strukturen gegenüber, die unternehmensähnlich aufgebaut sind und vom kleinen Mitarbeiter im Callcenter, der vielleicht nur ahne, dass etwas illegal sein könnte, über ein mittleres Management bis zum Mastermind dahinter reiche.

Rechtlich stoße man oft auf Grenzen, weil die Strafprozessordnung nach wie vor Offline-Delikte vor dem Auge habe, so der Leiter der Kompetenzstelle. Täter würden oft in osteuropäischen Staaten sitzen, wo die Rechtshilfe-Möglichkeiten eingeschränkt sind. Gleiches gelte für Geld auf ausländischen Konten. Viele Delikte könnten gar nicht aufgeklärt werden.

Mehr IT-Experten benötigt

Derzeit verfügt die WKStA über 45 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die von zehn Wirtschaftsfachleuten unterstützt werden. Dazu kommt ein Team von 15 IT-Expertinnen und -Experten in der Justiz, die man sich mit anderen Staatsanwaltschaften teilt. Diese Zahl soll demnächst aufgestockt werden.

Bei der WKStA sind insgesamt derzeit rund 230 Verfahren anhängig. 70 Prozent betreffen reine Wirtschaftsstrafsachen, 12 Prozent reine Korruptionsdelikte und der Rest eine Kombination aus beiden. Rund ein Drittel der WKStA-Causen sind Großverfahren mit zwei- bis dreistelligem Millionenschaden und Tausenden Geschädigten und entsprechend hohem Ermittlungs- bzw. Managementaufwand. 2023 wurden rund 770 Verfahren abgeschlossen - es sind aber rund 1.000 neue angefallen

Whistleblower-System: Gesetzesbrecher "nicht mehr sicher"

Eine positive Bilanz zog WKStA-Staatsanwältin Elisabeth Täubl außerdem über das vor zehn Jahren eingerichtete anonyme Whistleblower-System.

Oberstaatsanwältin Elisabeth TäublAPA/ROLAND SCHLAGER

Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl

Seit dessen Bestehen habe es rund 16.000 Meldungen gegeben, man habe dadurch rund 1.000 Verfahren eingeleitet bzw. in knapp 200 Fällen weitere Ermittlungsansätze zu schon anhängigen Verfahren verfolgen können. Insgesamt mündeten die Hinweise in knapp 150 Anklagen, die in 93 Verurteilungen, 35 Diversionen und 36 Freisprüchen mündeten.

Bei Korruption sei ein solches System notwendig - wenn es um Steuergeld gehe, gebe es keine Opfer, die Anzeigen erstatten könnten - und bei gegenseitigen Abhängigkeiten habe niemand ein Interesse daran. 

WKStA erst nach Anzeige aktiv

Behörden-Chefin Vrabl-Sanda bezeichnete die WKStA generell als "Sachverhaltsaufklärungsbehörde", die erst nach einer erfolgten Anzeige tätig werde und einen Anfangsverdacht prüfe. Sie lobte ihre Kolleg:innen: Die WKStA würde "Pionierarbeit" leisten - und auch vor neuartigen Rechtsproblemen nicht zurückschrecken. Man sorge dafür, dass etwaige Gesetzesbrecher "nicht mehr sicher sind". 

ribbon Zusammenfassung
  • Die Zeiten des nigerianischen Prinzen seien vorbei, so die WKStA bei ihrem Jahresrückblick. Die Ermittler warnen eindringlich vor Cybercrime und warben für ihre Anlaufstelle für Whistleblower.
  • Die Verfahren werden immer komplexer - und stellen die Behörde vor Herausforderungen.