Ukraine: Warum die Idee einer MiG-29-Lieferung scheiterte
Am Dienstagabend zog das US-Verteidigungsministerium die Notbremse und stoppte polnische Pläne, 28 MiG-29-Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Dem ging ein tagelanger Grundsatzstreit hinter den Kulissen voraus, welche Waffen angesichts der russischen Bedrohung und dann Invasion an die Ukraine geliefert werden sollten.
Auch die Ampel-Regierung in Berlin vollzog dabei etwa mit der Lieferung von Stinger-Flugabwehrraketen eine Abkehr von ihrer Absage an Waffenlieferungen in Krisengebiete. Aber die modernisierten polnischen Kampfflugzeuge aus sowjetischer Produktion markierten nach Angaben von EU-Diplomaten eine rote Linie. "Sie werden nicht geliefert", sagte ein EU-Diplomat sehr bestimmt.
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Ukrainische Piloten können die MiG fliegen
Einige osteuropäische Staaten hatten aber schon vor Tagen darüber spekuliert, ob sie nicht ihre noch verfügbaren MiG-Jets zur Verfügung stellen sollten. Ein Hintergedanke: Ukrainische Piloten können die sowjetischen Flugzeuge fliegen und müssen nicht groß eingewiesen werden. Gerade baltische Staaten und Polen hatten alle Nato-Partner gedrängt, angesichts der russischen Übermacht mehr für das angegriffene Land zu tun. Und der amerikanische Außenminister Antony Blinken hatte die Spekulationen noch angeheizt, als er bei einem Besuch in Warschau Sympathie für den Plan erkennen ließ.
Auch US-Politiker drängten die Regierung von Präsident Joe Biden am Montag, die Übergabe von Kampfflugzeugen aus Polen und anderen Nato-und osteuropäischen Ländern an die Ukraine zu erleichtern, nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag darum gebeten hatte. "Die Behörden der Republik Polen ... sind bereit, sofort und kostenlos alle ihre MiG-29-Kampfflugzeuge auf die Air Base Ramstein zu verlegen und sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung zu stellen", erklärte daraufhin das polnische Verteidigungsministerium. Im Gegenzug wolle man von den USA Ersatz haben. Auch die Slowakei dachte über einen entsprechenden Schritt nach.
NATO-Wiederstand
Doch gleichzeitig baute sich in der NATO immer größerer Widerstand auf - nicht nur in Deutschland. Seit Mitte vergangener Woche mahnte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ein ums andere Mal, dass sich die Nato nicht in den Konflikt hineinziehen lassen dürfe. Und als am Montag US-Präsident Joe Biden mit Scholz, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Boris Johnson telefonierte, war die Botschaft aus Washington ebenso klar: Man dürfe eine rote Linie nicht überschreiten, hieß es. Biden und Johnson hatten zuvor bereits die Einrichtung einer Flugverbotszone abgelehnt - weil dies im Konfliktfall den Abschuss russischer Kampfjets und damit den direkten Eingriff in den Krieg bedeuten würde.
Dennoch machte die polnische Regierung ihrerseits einen Vorschlag, der dann die auch offene Ablehnung provozierte. Innenpolitisch getrieben durch Forderungen nach einer stärkeren Unterstützung für die Ukraine erneute Warschau sein MiG-29-Angebot. Aber weil mittlerweile klar wurde, dass man sich damit selbst zum Ziel möglicher russischer Angriffe machte, entwickelte man eine neue Idee: Die Flugzeuge sollten erst auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland gebracht werden - um dann von dort in die Ukraine zu fliegen.
"Wir können nicht von Nato-Gebiet aus Kampfjets schicken"
Die amerikanische und die deutsche Regierung winkten mit Blick auf die Konsequenzen sofort ab. "Wir können nicht von Nato-Gebiet aus Kampfjets schicken", hieß es. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki fand darauf hin eine gesichtswahrende Lösung für Warschau: "Jede Entscheidung über die Lieferung von Offensivwaffen muss von der gesamten Nato und einstimmig getroffen werden", betonte er - und verschob damit den Schwarzen Peter für die Ablehnung Richtung USA.
Tatsächlich war die US-Regierung so aufgeschreckt, dass Pentagon-Sprecher John Kirby das Thema am Mittwochabend endgültig abzuräumen versuchte: "Die Nachrichtendienste sind zu der Einschätzung gelangt, dass die Weitergabe von MiG-29 an die Ukraine fälschlicherweise als eskalierend aufgefasst werden könnte", sagte er und verwies auf mögliche russische Gegenreaktionen. "Daher schätzen wir auch die Weitergabe von MiG-29 an die Ukraine als hohes Risiko ein."
Kanzler Scholz war nicht minder klar: Man denke zwar über weitere Hilfen für die Ukraine nach, sagte er, schob dann aber den knappen Satz hinterher: "Dazu gehören ganz sicherlich keine Kampfflugzeuge." Zuvor hatte schon Außenministerin Annalena Baerbock hatte deutlich gemacht, wo die Bundesregierung steht. Nach den MiG-29 gefragt, sagte sie, Waffenlieferungen dürften keine Steilvorlage dafür sein, dass Russland behaupten könne "wir beteiligen uns am Krieg". Man konzentriere sich auf Defensivwaffen wie Flugabwehrraketen. Im übrigen habe sich gezeigt, dass man auch damit Flugzeuge vom Himmel holen könne.
Zusammenfassung
- Hinter den Kulissen wurde über eine Lieferung von MiG-29-Kampfjets an die Ukraine verhandelt - die Sorge um eine Ausweitung des Krieges auf die NATO ist allerdings groß.