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Über 23.000 Beschwerden bei Volksanwaltschaft im Jahr 2023

Mit über 23.000 eingebrachten Beschwerden im Jahr 2023 liegt die Zahl der Anfragen an die Volksanwaltschaft auf einem hohen, aber im Vergleich zum Vorjahr konstanten Niveau. Am Mittwoch präsentierte die Volksanwaltschaft ihren Jahresbericht - und übte dabei Kritik an diversen Ministerien: insbesondere vom Familienressort fühlt sich Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) ignoriert.

"Normalerweise werden unsere Anregungen durchaus gehört", Ausnahme sei das Ressort von Susanne Raab (ÖVP), konstatierte er. Im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes bestehe weiterhin dingender Verbesserungsbedarf, sowohl bei der Vollziehung als auch auf gesetzlicher Ebene. Raab ignoriere nicht nur die Kritik der Ombudsstelle, sondern auch mehrere Höchstgerichtsurteile. "Sie ordnet immer noch Schikanen an und lässt Eltern jahrelang auf das Kinderbetreuungsgeld warten", sagte Achitz. Beispielsweise müssten Familien, bei denen ein Elternteil im Ausland lebt oder arbeitet, Monate bis Jahre warten und unzählige Behördenwege hinter sich bringen.

Im Gesundheitsbereich kritisierte Achitz den Rückbau spezialisierte Long-Covid-Ambulanzen ohne funktionierende Ersatzstruktur. Bereits vor Covid hätten unzählige Menschen an der postviralen Erkrankung ME/CFS gelitten. Wenn Personen deshalb ihren Arbeitsplatz verlieren und Antrag auf Rehabilitierungsgeld stellen, müssten sie oft lange Wegstrecken zurücklegen um einen Begutachtungstermin wahrzunehmen, selbst wenn sie nur schwer transportfähig seien. Auch bekämen Betroffene in den meisten Fällen nur Pflegegeld der Stufe eins (192 Euro monatlich), und selbst das werde Ihnen häufig von der PVA verwehrt. Weiters sollten alle Impfungen, die im österreichischen Impfplan empfohlen werden, kostenlos erhältlich sein.

Kritik äußerte Achitz auch am Bildungsministerium. Nach wie vor erreichen die Volksanwaltschaft viele Beschwerden in Zusammenhang mit Anträgen auf Heimopferrente. Diese wird an Menschen ausbezahlt, die als Kinder und Jugendliche in Einrichtungen und bei Pflegefamilien misshandelt wurden. Derzeit befasse man sich zu einem großen Teil mit "Taubstummenanstalten", viele Kinder seien dort fast täglich mit Gewalt konfrontiert gewesen. Während Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung in Salzburg neben der Heimopferrente auch eine Pauschalentschädigung des Landes bekommen, sei das bei Einrichtungen des Bundes in Speising und Kaltenleutgeben nicht der Fall."Hier ist das Bildungsministerium gefordert, endlich für Gerechtigkeit zu sorgen und Entschädigungen auszuzahlen." Ein Dauerthema sei auch der Mangel an Gymnasiumsplätzen.

Im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums erreichten die Volksanwaltschaft die meisten Beschwerden in den Bereichen Asyl, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirecht. Vor allem lange Verfahrensdauern seien nach wie vor ein großes Problem, ergänzte Volksanwalt Walter Rosenkranz (FPÖ). Leichte Verbesserungen bei Aufenthaltstitelverfahren seien jedoch durch Personalaufstockung und Aktendigitalisierung erzielt worden. Mehr Ressourcen brauche auch die MA35, die die durch Staatsbürgerschaftsanträge von Nachkommen von NS-Opfern mit deutlich größerem Arbeitsaufwand konfrontiert sei. Weitere Beschwerden im Bereich der Polizei betrafen etwa die Nichtentgegennahme von Anzeigen, mangelhafte Ermittlungen und unzureichende Auskunftserteilung. Beschwerden über Misshandlungen durch die Polizei wurden in 22 Fällen geprüft, es konnten jedoch keine Missstände festgestellt werden.

Im Bereich Klima- und Mobilität kritisierte Rosenkranz die Zählregel, wonach in Schulbussen drei Schulkinder als zwei erwachsene Personen gezählt werden, was zu überfüllten Bussen führe und daher Gefahren berge. Eine Änderung dieser Regel scheitere an der Finanzierung, da das Verkehrsministerium die Mehrkosten nicht übernehmen wolle. Ein weiterer Kritikpunkt im Ministerium von Leonore Gewessler (Grüne) sei die Abwicklung des Klimabonus, der in einigen Fällen noch nicht oder auf falsche Konten ausbezahlt worden sei.

Eine große Baustelle sei nach wie vor der "eklatante Personalmangel in allen Bereichen des Straf- und Maßnahmenvollzugs", betonte Volksanwältin Gabriela Schwarz (ÖVP). Es fehle an Justizwachebeamten, Sozialarbeiterinnen und medizinischem Personal, eine Pensionierungswelle in den nächsten Jahren werde die Situation noch verschärfen. Ein Grund für den Personalmangel seien schlechtere Gehälter etwa für Ärztinnen und Ärzte in einer Justizanstalt.

Auch im Jahr 2023 seien die Suizidfälle gestiegen, es kam zu 33 Suizidversuchen und und 13 Suiziden. Derzeit sei keine Verbesserung in Sicht: Im laufenden Jahr gab es bereits 13 Suizidversuche und drei Suizide. Die Umsetzung einer Arbeitsgruppe zur Suizidprävention, an der die Volksanwaltschaft beteiligt war, lasse seit Sommer 2023 auf sich warten. "Das ist unverständlich, da einige Empfehlungen sehr rasch umsetzbar wären", kritisierte Schwarz.

Kritisch beurteilt die Volksanwaltschaft auch, dass bei der geplanten Übersiedlung des Jugendvollzugs von Gerasdorf nach Wien Münnichplatz die Beteiligten über diese Entscheidung zu spät informiert worden seien. "Die Aufnahme eines reibungslosen Vollzugs mit Juli 2024 zweifelt daher nicht nur die Volksanwaltschaft an", so Schwarz.

"Im Bereich des Finanzministeriums hat noch kein Gesetz zu derart vielen Beschwerden in der Volksanwaltschaft geführt, wie das Energiekostenausgleichsgesetz", führte sie weiter aus. Ganze Personengruppen, die Energiekosten zu tragen haben, seien vom Erhalt der Unterstützung ausgeschlossen gewesen, etwa Haushalte in Mehrgenerationenhäusern, Studierende in Studentenwohnheimen oder Personen in Seniorenheimen. Außerdem seien beim Vollzug des Gesetzes Mängel aufgetreten. Durch Rückmeldungen der Volksanwaltschaft an das BMF konnten zahlreiche Beschwerden zugunsten der Betroffenen positiv erledigt werden, erklärte Schwarz.

Der Bericht der Volksanwaltschaft wurde vergangene Woche an den Nationalrat und den Bundesrat übermittelt, im Juni werde dieser im Ausschuss diskutiert, sagte Achitz. Von den über 23.000 Beschwerden sei die Volksanwaltschaft für gut ein Drittel nicht zuständig, da diese nicht die Verwaltung betreffen. In diesen Fällen informiert die Volksanwaltschaft über weitergehende Beratungsangebote. In den 16.655 Fällen für die man zuständig war, war es in 5.275 nicht erforderlich, die Behörden zu befassen. Die Volksanwaltschaft kontrolliert alle Behörden und Dienststellen, die Bundesgesetze vollziehen. Im Jahr 2023 konnten insgesamt 12.752 Prüfverfahren abgeschlossen werden, in rund einem Fünftel wurde ein Missstand in der Verwaltung festgestellt. Neben Hilfe bei Beschwerden führt die Volksanwaltschaft auch präventive Menschenrechtskontrollen durch. Im Jahr 2023 wurden 505 unangekündigte Kontrollen durchgeführt.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Jahr 2023 gingen über 23.000 Beschwerden bei der österreichischen Volksanwaltschaft ein, wobei gut ein Drittel dieser Anfragen außerhalb ihrer Zuständigkeit lag.
  • Volksanwalt Bernhard Achitz kritisierte das Familienressort scharf für lange Wartezeiten beim Kinderbetreuungsgeld und Ignorieren von Höchstgerichtsurteilen.
  • Beschwerden über mangelhafte Polizeiarbeit und Misshandlungen wurden in 22 Fällen geprüft, jedoch wurden keine Missstände festgestellt.
  • Ein eklatanter Personalmangel in Justizanstalten und bei der Justizwache wurde hervorgehoben, wobei schlechte Gehälter als ein Grund angeführt wurden.
  • Kritik wurde auch am Finanzministerium geübt, wo das Energiekostenausgleichsgesetz zu vielen Beschwerden führte, insbesondere bei der Auszahlung an bestimmte Personengruppen.