Trump will Kandidatin für Ginsburg-Nachfolge bald benennen
Aus Respekt vor Ginsburg, die er eine "legendäre Figur" nannte, wolle er bis nach der Beisetzung warten. Die liberale Richterin war am Freitag mit 87 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben.
Weniger als 50 Tage vor der US-Wahl am 3. November könnte der Tod der Justiz-Ikone die Vereinigten Staaten einschneidend verändern. Von den neun Sitzen im Supreme Court werden jetzt nur noch drei von Liberalen gehalten. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Mit Entscheidungen etwa zum Recht auf Abtreibung, zur Einwanderung oder zu Bürgerrechten könnte ein deutlich konservativeres Amerika entstehen.
Der Streit um die Nachfolge könnte die heiße Phase des US-Wahlkampfs dominieren. Trump strebt eine rasche Neubesetzung an, um so die konservative Mehrheit im Supreme Court zu stärken. Er forderte, dass der Senat noch vor der Wahl über seine Kandidatin abstimmt. Fünf Frauen seien in der engeren Auswahl. Er suche eine "gute Person" mit "sehr, sehr hohen Moralvorstellungen". Die Nachbesetzung am Obersten Gericht sei eine wichtige Entscheidung. Trump machte deutlich, dass seine Entscheidung das Gericht über Jahrzehnte prägen kann - und er deshalb vergleichsweise junge Kandidatinnen im Blick hat.
Die Demokraten verlangen hingegen, dass der freigewordene Posten im einflussreichen Supreme Court erst vom diesjährigen Wahlsieger besetzt wird. Diese Forderung bekräftigte am Sonntag auch ihr Präsidentschaftskandidat Joe Biden. Doch die Demokraten bereiten sich darauf vor, dass Trump und die Republikaner-Mehrheit im Senat wie beabsichtigt Ginsburgs Posten schnell neu besetzen. Bei den Demokraten gibt es für diesen Fall die Idee, das Oberste Gericht zu vergrößern und die neuen Sitze an liberale Richter zu vergeben.
"Wir müssen erst die Mehrheit im Senat gewinnen", betonte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, am Sonntag. Sollte das gelingen, würden sich die Demokraten alle Optionen offen halten. Die Republikaner haben aktuell eine Mehrheit von 53 der insgesamt 100 Sitze in der Kammer. Zusammen mit der Präsidentenwahl wird in diesem Jahr auch über 35 Senatssitze abgestimmt. Davon sind aktuell 23 von Republikanern besetzt und 12 von Demokraten.
Allerdings ist noch nicht sicher, ob Trump auf die Mehrheit im Senat bauen kann: Bereits zwei republikanische Senatorinnen haben sich gegen eine Neubesetzung des Richterpostens vor der Präsidentschafts- und Kongresswahl in sechs Wochen ausgesprochen. Die Senatorin Lisa Murkowski aus dem Bundesstaat Alaska sagte am Sonntag, sie werde kein Senatsvotum über die Nachfolgerin oder den Nachfolger Ginsburgs "so kurz vor der Wahl" unterstützen.
Schumer trat unterdessen in New York zusammen mit der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez auf. Sie rief dazu auf, alle verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine schnelle Nachbesetzung zu verhindern. Ocasio-Cortez ist vor allem bei jungen Wählern populär, denen Themen wie Frauen- und Bürgerrechte am Herzen liegen. Ginsburg war zeitlebens für diese Themen eingetreten. Ihr Tod mobilisierte Anhänger der Demokraten: Allein auf der Spenden-Plattform ActBlue wurden am Wochenende mehr als 100 Millionen Dollar für den Wahlkampf und politische Kampagnen gesammelt.
Aber auch Trump will mit der Ginsburg-Nachfolge in seinem Wahlkampf, der sich bisher um die Devise "Recht und Ordnung" drehte, neuen Enthusiasmus unter Sympathisanten der Republikaner erzeugen. "Wir werden diesen Sitz besetzen", verkündete er am Wochenende unter dem Jubel seiner Anhänger bei einem Auftritt in Fayetteville in North Carolina. "Besetzt den Sitz! Besetzt den Sitz!", rief die Menge.
Biden appellierte an die republikanischen Senatoren: "Bitte folgen Sie ihrem Gewissen. Stimmen Sie nicht für jemanden, der unter diesen Umständen nominiert wurde." Er war selbst von 1973 bis 2009 im Senat und kennt viele der heutigen Mitglieder seit langem. "Diese Nominierung durch den Senat durchzudrücken, würde bedeuten, rohe politische Gewalt auszuüben."
Als wahrscheinlichste Kandidatin Trumps gilt laut Medienberichten die Bezirksrichterin Amy Coney Barrett (48) aus Chicago. Sie ist als Abtreibungsgegnerin bekannt - ein zentrales Thema für Konservative. Schumer äußerte sich kritisch über Barrett: "Sie steht für all das, wogegen sich Ruth Bader Ginsburg einsetzte. Jemand mit dieser Philosophie gehört nicht in das Gericht." Als aussichtsreiche Bewerberin gilt auch die Richterin Barbara Lagoa (52). Sie kommt aus Florida - einem Bundesstaat, in dem sich der Ausgang der Präsidentenwahl entscheiden könnte.
Zusammenfassung
- Nach dem Tod der liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg will US-Präsident Donald Trump schon am Freitag oder Samstag seinen Kandidaten für die Nachfolge nominieren.
- Trump sagte dem US-Fernsehsender Fox News am Montag, der von den Republikanern dominierte Senat solle noch vor der Präsidentenwahl Anfang November über die Personalie abstimmen.
- Zusammen mit der Präsidentenwahl wird in diesem Jahr auch über 35 Senatssitze abgestimmt.