Syrien: Jihadisten eroberten Hama
Das Kommando der syrischen Streitkräfte kündigte an, die von "Terroristen" eingenommenen Gebiete zurückzugewinnen.
Die Jihadisten wollen ihren Vormarsch jedoch fortsetzen und nun die drittgrößte Stadt Homs angreifen. Homs liegt etwa eine halbe Autostunde von der Grenze zum Libanon entfernt.
Die Kontrolle der Regierung über Homs ist dem US-amerikanischen Institut für Kriegsstudien (ISW) zufolge entscheidend, um weiterhin Lieferungen des Irans an die Hisbollah-Miliz im Libanon zu ermöglichen. Homs bietet Zugang zu mehreren Grenzübergängen in das Nachbarland.
Es ist unklar, ob die Jihadisten über genügend Kämpfer verfügen, um Homs mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen. Bei einem Erfolg wäre auch die Verbindung der Hauptstadt Damaskus zu den syrischen Mittelmeerhäfen abgeschnitten.
Schwere Kämpfe
Militärkreise berichteten während der Kämpfe um Hama von erbitterten Gefechten. Es seien die womöglich schwersten Kämpfe, die die Armee seit Jahren erlebt habe, hieß es.
"Alle leben in einem Zustand von Angst und Sorge", sagte ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur.
Nach eigenen Angaben nahmen die Kämpfer ein großes Gefängnis in der Stadt ein und ließen Insassen frei. "Unsere Streitkräfte sind in das Zentralgefängnis von Hama eingedrungen und haben Hunderte zu Unrecht inhaftierte Gefangene befreit", erklärte Hassan Abdel Ghani, ein militärischer Führer der islamistischen Kämpfer, im Onlinedienst Telegram.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London berichtete, die Jihadisten seien nach stundenlangen Kämpfen von nordöstlicher Seite in die Stadt eingedrungen. "Im Lauf der vergangenen Stunden (...) konnten diese Gruppen mehrere Achsen in der Stadt durchdringen und die Stadt betreten", teilte das syrische Ministerium mit.
Bei den zunehmenden Kämpfen mit den "Terroristen" habe es in den Reihen der Regierungssoldaten zunehmend Tote gegeben.
Bereits mehr als 570 Menschen gestorben
Mitte vergangener Woche hatte eine Allianz von Aufständischen unter der Führung der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) eine Offensive im Nordwesten Syriens begonnen und am Wochenende die Kontrolle über Aleppo übernommen, die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Frontlinie hat sich nun rund 130 Kilometer südlich um die Stadt Hama verschoben.
Laut der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die mit einem Netz aus Informanten vor Ort das Kriegsgeschehen verfolgt, kamen bei den jüngsten Gefechten inzwischen mehr als 570 Menschen ums Leben, unter ihnen auch knapp 100 Zivilisten.
Der Überraschungsangriff der islamistischen Gruppe HTS war der schwerste seit Jahren im syrischen Bürgerkrieg, in dem die Fronten seit 2020 weitgehend eingefroren waren. In dem seit 2011 andauernden Krieg wurden Hunderttausende Menschen getötet und viele Millionen vertrieben. Die meisten größeren Kämpfe wurden vor Jahren eingestellt, nachdem der Iran und Russland Assad geholfen hatten, die Kontrolle über den größten Teil des Landes und alle größeren Städte zurückzugewinnen. Assad hat die Massenproteste in seinem Land, die in einen Bürgerkrieg mündeten, vom Militär brutal niederschlagen lassen. UNO-Experten sprechen von Kriegsverbrechen.
Zusammenfassung
- Kämpfer der Jihadistengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) sind in die Stadt Hama vorgedrungen und haben die Regierungstruppen nach staatlichen Angaben in die Außenbezirke gedrängt.
- Die Einheiten der Regierungstruppen seien außerhalb der Stadt verlegt worden, um "das Leben von Zivilisten" in Hama zu schützen, teilte das syrische Verteidigungsministerium mit.
- Die Jihadisten wollen ihren Vormarsch jedoch fortsetzen und nun die drittgrößte Stadt Homs angreifen.
- Es ist unklar, ob die Rebellen über genügend Kämpfer verfügen, um Homs mit etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen.