"Scheißblatt": FPÖ-Wien-Chef Nepp droht dem "Standard"
Mitten in die Koalitionsverhandlungen von FPÖ und ÖVP platzen wieder geheime Aufnahmen von FPÖ-Nationalratsabgeordneten.
Harald Stefan und Markus Tschank wurden, wie berichtet, vergangene Woche bei einem Stammtisch der FPÖ-Simmering gefilmt. Es wurde über die ÖVP, die EU und Geflüchtete hergezogen. Die Taliban wurden hingegen positiv erwähnt. Angefertigt worden sind sie von Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Frankreichs, France Télévisions. Dem "Standard" wurden die Aufnahmen zugespielt.
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Der Chef der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, bezeichnete den "Standard" daraufhin am Dienstagabend auf "X" (vormals Twitter) als "Scheißblatt" und meinte, es wäre gut, wenn es mit dem "Standard" "endlich vorbei" sei. Er versah sein Posting mit dem Hashtag: "#presseförderungnurnochfürechtequalitätsmedien".
https://twitter.com/DominikNepp/status/1879230526596563224
Der Tweet wurde auch vom freiheitlichen EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und den FPÖ-Politikern Leo Lugner und Maximilian Krauss geteilt. Viele in der FPÖ dürften Nepp in seiner Meinung, unliebsame Medienberichterstattung bestrafen zu wollen, also zustimmen. In einer Presseaussendung der FPÖ war von "Spitzeljournalismus" und "Stasi-Methoden" zu lesen.
Am Mittwochvormittag bezog sich Nepp dann auf einen Gerichtsprozess: "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand und "Heute"-Chefredakteur Clemens Oistric hatten einen Pensionisten geklagt, der ihre Zeitung so genannt hatte - Dichand verlor den Prozess nicht rechtskräftig.
Entschuldigung für die Aussagen von Stefan und Tschank gab es keine, auch nicht für seine Drohung gegenüber dem "Standard". Der FPÖ-Klub sprach bezüglich der Aussagen am Stammtisch von überspitzten Formulierungen.
https://twitter.com/DominikNepp/status/1879452112775512098
Nepps Drohung sorgt für große Empörung. Zum einen erklärte der Presserat der FPÖ: "Wenn Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, sind gemäß Punkt 8.3 unseres Ehrenkodex verdeckte Recherchen möglich." Zum anderen hagelte es angesichts der Drohung, kritische Medienberichterstattung bestrafen zu wollen, Kritik.
ÖVP "befremdet"
ÖVP, SPÖ und Grüne äußerten sich auch zu den am Stammtisch getätigten Aussagen: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim meinte, die FPÖ zeige "ihr wahres Gesicht, das vor Hass und Aggression trieft", wenn sie sich unbeobachtet fühle. FPÖ-Chef Herbert Kickl und ÖVP-Chef Christian Stocker müssten nun klar Stellung beziehen. Die Gewerkschaft GPA bezeichnet die Reaktion von Wiens FPÖ-Chef Nepp als "beispiellosen Angriff auf die Pressefreiheit".
Grünen-Bundessprecher Werner Kogler warf der FPÖ unter anderem vor, das Ziel zu verfolgen, Österreich in einen EU-Austritt zu treiben. Die ÖVP müsse "als ursprüngliche 'Europapartei'" klarstellen, was sie zu tun gedenken. NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter schrieb: "Laut krakeelend am Stammtisch austeilen – und wenn die Sager ans Licht kommen, den Medien aggressiv Qualität absprechen. Das ist rechter Umgang mit Medien gemäß Orbáns Playbook."
Von der ÖVP, die derzeit mit der FPÖ eine mögliche Regierung verhandelt, hieß es: "Wir sind befremdet über die Aussagen der FPÖ-Politiker, die sich offen einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft wünschen. Für uns ist klar: Ein mögliches Regierungsprogramm muss klar proeuropäisch sein. Es braucht ein klares Bekenntnis, dass Österreich verlässlicher und konstruktiver Teil der Europäischen Union bleibt. Mit uns wird es keinen Öxit geben".
Video: EU prüft FPÖ-ÖVP-Budgetplan
Zusammenfassung
- Der "Standard" berichtete am Dienstagabend über heimliche Aufnahmen von französischen Journalisten, die dokumentieren sollen, wie FPÖ-Abgeordnete unter anderem die ÖVP als "jämmerlich" und Geflüchtete als "Gesindel" bezeichneten.
- FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp meinte daraufhin, dem "Standard" gehöre die Presseförderung gestrichen.
- Nepps Drohung sorgt für große Empörung.
- Von der ÖVP, die derzeit mit der FPÖ eine mögliche Regierung verhandelt, hieß es: "Wir sind befremdet über die Aussagen der FPÖ-Politiker, die sich offen einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft wünschen.