So viel Schulden machte Österreich im ersten Halbjahr 2024
Mit einem Minus von 13,76 Mrd. Euro betrug der Nettofinanzierungssaldo von Jänner bis Juni deutlich mehr als jener im Vergleichszeitraum 2023: Damals lag das Minus bei 6,39 Mrd. Euro, wie es auch aus dem Finanzministerium hieß.
Das heißt: im ersten halben Jahr hat Österreich mehr als 7,3 Mrd. zusätzliche Schulden gemacht als noch im Vorjahr.
Mehr Ausgaben - vor allem für die Pension
Das deutlich gewachsene Defizit wurde fast nur auf der Ausgabenseite verursacht: Die Auszahlungen betrugen laut den am Donnerstag veröffentlichten Daten von Jänner bis Juni 59,7 Mrd. Euro und waren somit um 7,5 Mrd. Euro (14,3 Prozent) höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Grund für diese Entwicklung sind laut Finanzministerium, insbesondere die Mehrauszahlungen im Pensionsbereich (+1,9 Mrd. Euro), unter anderem infolge der Pensionsanpassung 2024.
Auch die Maßnahmen bezüglich Klima, Umwelt und Energie (+1 Mrd. Euro) fallen stark ins Gewicht - primär für den Ausbau von Erneuerbaren Energieträgern durch Mittel des Bundes, sowie für die Erhöhung der Förderungen für thermische und energetische Sanierungen.
Finanzausgleich kostet 900 Millionen
Beim Posten "Finanzausgleich" kam es zu Mehrausgaben in Höhe von 0,9 Mrd. Euro, vor allem aufgrund der erstmaligen Finanzzuweisung an die Länder für den sogenannten "Zukunftsfonds", dessen Mittel zielgebunden in Bereiche wie Kinderbetreuung, Elementarpädagogik, Wohnen, Klima/Umwelt sowie Gesundheits- und Pflegebereich fließen sollen.
Ebenfalls stark ins Gewicht fielen unter anderem Ausgaben für den Stromkostenzuschuss und Mittelaufwendungen aufgrund höherer Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz.
Weitere Mehrauszahlungen betrafen den Bildungsbereich (vor allem wegen Gehaltserhöhungen und der wachsenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler) sowie den Pflegesektor, u.a. wegen der routinegemäßen Valorisierung des Pflegegeldes.
Ministerium sieht "keine Überraschungen"
Die Einzahlungen des Bundes im ersten Halbjahr betrugen 46 Mrd. Euro und bewegten sich damit auf ähnlichem Niveau wie im Vergleichszeitraum 2023 (+0,2 Prozent). Abrufbar ist der Monatsbericht auf der Webseite des Finanzministeriums.
Aus dem Finanzministerium hieß es dazu gegenüber der APA, die in der Vergangenheit beschlossenen Maßnahmen im Kampf gegen die unterschiedlichen Krisen würden sich nun im Budgetvollzug abbilden.
"Hierbei kam es zu keinen Überraschungen", hieß es aus dem Büro von Ressortchef Magnus Brunner (ÖVP) in einem schriftlichen Statement. Auch wies man im BMF auf die Ratingagenturen Morningstar und Fitch hin, die zuletzt u.a. die Widerstandsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft betont hätten sowie "die solide Schuldentragfähigkeit und das hohe Pro-Kopf-BIP".
Klar sei, dass alle Institutionen das Anspruchsdenken zurückfahren müssten. "Jedes Wahlzuckerl würde das Budget weiter belasten."
NEOS-Chefin schlägt "Alarm"
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger schlug angesichts der Defizit-Verdoppelung im ersten Halbjahr "Alarm": "Diese Bundesregierung hat mit ihrer 'Koste es, was es wolle'-Politik ein Rekord-Defizit zu verantworten", sagte sie in einer schriftlichen Stellungnahme.
"ÖVP und Grüne haben das Budget sehenden Auges und trotz zahlreicher Warnungen außer Kontrolle geraten lassen - und begehen damit Zukunftsraub, besonders an den nächsten Generationen".
Die nächste Koalition müsse bereits ab dem ersten Tag Verantwortung übernehmen "und mit harten, aber mutigen Reformen" gegensteuern, so Meinl-Reisinger. Die "erste Maßnahme mit NEOS" in einer "kommenden Regierung" werde daher ein "ehrlicher Kassasturz" sein. An einer "Ausgabenbremse" und "konsequenten Entlastungs- und Sanierungsreformen" führe kein Weg vorbei.
Video: Sommergespräch mit Meinl-Reisinger
SPÖ sieht "Budgetdesaster"
Die SPÖ warf zuvor in einer Pressekonferenz der schwarz-grünen Regierung vor, ein "Budgetdesaster" zu hinterlassen. Finanzsprecher Jan Krainer warnte vor einem sozialen Kahlschlag im Falle einer FPÖ-ÖVP-Koalition nach der Wahl im Herbst.
Sollte die SPÖ danach in die Regierung kommen, stelle sie alle Projekte der aktuellen Koalition ohne Gegenfinanzierung zur Disposition, betonte er. Als Beispiel nannte er die Senkung der Körperschaftssteuer.
Die SPÖ habe 2017 der Nachfolgeregierung ein saniertes Budget übergeben, sagte Krainer. Mittlerweile sei das strukturelle, also um Konjunktureinflüsse bereinigte Defizit von damals 0,5 auf 2,7 Prozent nach oben geschnellt. Anders als in den SPÖ-Regierungen habe die ÖVP zuerst mit den Freiheitlichen und dann den Grünen nämlich nicht für eine Gegenfinanzierung durch Kürzungen oder zusätzliche Einnahmen gesorgt.
In der Corona-Zeit sei "das Geld abgeschafft" gewesen, es seien zu viele Wirtschaftshilfen verteilt worden. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs habe die Regierung zu lange nicht reagiert, sodass zum "Budgetdesaster" auch noch ein "Konjunkturdesaster" dazugekommen sei, sagte Krainer mit Verweis auf hohe Preise und Arbeitslosenzahlen.
Video: Budget des Staats jetzt online abrufbar
ÖVP sei "Schuldenmacherpartei"
FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs sah in einer Aussendung den Schuldenstand unter Schwarz-Grün "außer Kontrolle". "In nur fünf Jahren ihres Wirkens hat diese schwarz-grüne Regierung den Österreichern 106 Milliarden neue Schulden beschert - das ist fast ein Drittel der Gesamtschulden unseres Landes", so der Abgeordnete in einer Aussendung.
Die kommenden Generationen müssten nun "diese unverantwortliche 'Koste es, was es wolle'-Politik" ausbaden. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Brunner würden nach dem Motto "Hinter mir die Sintflut" agieren. Aus der "ehemaligen Wirtschaftspartei ÖVP" sei "die größte Schuldenmacherpartei des Landes" geworden.
Grüne kontern
Die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer erinnerte in Sachen Budget am Donnerstag an die Herausforderungen der vergangenen fünf Jahre, zunächst die Pandemie, dann der russische Überfall auf die Ukraine und die darauf folgende Teuerung. Dazu seien Investitionen in den Klima- und Naturschutz gekommen sowie Zukunftsinvestitionen wie den Kinderbetreuungsausbau.
"Man kommt sich ein bisschen im falschen Film vor, wenn man sich anschaut, welche Partei hier jetzt schreit: 'Hilfe, Hilfe, Budgetdefizit'."
Zusammenfassung
- Das Budgetdefizit im ersten Halbjahr 2024 beträgt 13,76 Mrd. Euro, was eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr darstellt.
- Die Ausgaben des Bundes stiegen von Jänner bis Juni um 7,5 Mrd. Euro auf 59,7 Mrd. Euro, insbesondere durch Mehrauszahlungen im Pensionsbereich und Maßnahmen im Bereich Klima, Umwelt und Energie.
- Die Einnahmen des Bundes blieben nahezu unverändert bei 46 Mrd. Euro.
- Kritik an der hohen Schuldenlast und dem Defizit kommt von NEOS, SPÖ und FPÖ.
- Das Finanzministerium betont, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Krisen im Budgetvollzug sichtbar werden und keine Überraschungen darstellen.