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Schallenberg sieht Gefahr für "Flächenbrand" in Nahost

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg sieht die Gefahr, dass es im Konflikt zwischen Israel und der vom Iran unterstützten radikalislamischen Hisbollah-Miliz im Libanon zu einem "unglaublichen Flächenbrand" kommen könnte. Es sei eine Illusion zu glauben, "dass man im Nahen Osten mit dem Feuer spielen und das unter Kontrolle halten kann", so Schallenberg am Freitag nach einem Gespräch mit seinem iranischen Amtskollegen Abbas Araghchi bei der UNO-Generaldebatte in New York.

"Die Lunte ist enorm kurz geworden", sagte Schallenberg Freitagnachmittag (Ortszeit) gegenüber der APA. "Wir wissen alle, dass der Iran die Hisbollah unterstützt, dass er die Hamas unterstützt, dass er die Houthis militärisch unterstützt und eigentlich versucht, die ganze Region in Geiselhaft zu nehmen."

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte zuvor dem Iran für den Fall eines Angriffs auf sein Land mit einem harten Gegenschlag gedroht. "Ich habe eine Botschaft an die Tyrannen in Teheran: Wenn ihr uns angreift, werden wir euch angreifen", erklärte Netanyahu vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Außenminister Araghchi hatte in New York seinerseits angekündigt, der Iran werde im Fall eines umfassenden Krieges im Libanon "nicht gleichgültig" bleiben. Er forderte zudem Waffen- und Handelssanktionen gegen Israel.

Schallenberg erklärte: "Wir haben im April erlebt, wie der Iran 300 Raketen und Drohnen vom Iran auf Israel geschossen hat. Das ist eigentlich eine Eskalation, die man so in der Region in den letzten Jahrzehnten nicht gesehen hat." Bezüglich des Umstands, dass der neue iranische Präsident Masoud Pezeshkian jüngst eine Neuordnung im Nahen Osten forderte, meinte Schallenberg, für diplomatische Agenden müsse der Iran zuerst wieder ein "vertrauenswürdiger Partner" in der Region werden. "Das ist er momentan überhaupt nicht." Auch für das kolportierte Vorhaben Teherans, die Beziehungen zum Westen wieder zu verbessern, brauche es "keine "Lippenbekenntnisse, sondern auch tatsächliche Taten."

Neben dem Nahostkonflikt gebe es ja auch die Problematik der "iranischen Lieferungen an Russland im Ukraine-Krieg und das Atomprogramm". Der Iran hatte sich 2015 in einem in Wien abgeschlossenen Abkommen verpflichtet, sein Atomprogramm stark einzuschränken. Im Gegenzug wurden Sanktionen aufgehoben. Der Pakt, der den Bau iranischer Atombomben verhindern sollte, wurde 2018 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump aufgekündigt. Im Gegenzug baute Teheran die Anreicherung von Uran stark aus und schränkte Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ein.

Irans neue Regierung unter Präsident Masoud Pezeshkian strebt angeblich neue Atomgespräche an, um die harten internationalen Sanktionen aufzuheben, die das Land in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt haben. Teheran betont weiterhin, dass das Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient.

Für Schallenberg ist dieses aber "in der Zwischenzeit wie ein schwarzes Loch", weil keiner weiß mehr, was in Wirklichkeit im Iran geschieht." Sollte der Iran aber ernsthaft daran interessiert sein, die Atomgespräche wieder aufzunehmen, "wären wir die Ersten, die es begrüßen würden." Es müsste aber das Gefühl vorherrschen, dass es sich um "ernsthafte Gespräche" handle. Dann würde auch Wien wieder als Verhandlungsort zur Verfügung stehen. Schließlich sei Österreich eine "Speerspitze", wenn es um das Thema Abrüstung gehe.

Gerade das Treffen mit dem Kollegen aus dem Iran zeige aber, wie wichtig das diplomatische Stelldichein im Rahmen der UNO sei, unterstrich Schallenberg. "Das war kein freundliches Gespräch, das war kein angenehmes Gespräch, aber es war ein notwendiges Gespräch. Man muss auch mit schwierigen Partnern reden. Ich kann mir die Welt nicht aussuchen."

Am Rande der UNO-Vollversammlung in New York unterzeichnete der Außenminister auch Rückführungsabkommen für abgewiesene Asylwerber mit drei Ländern: Kenia, Kuwait und Usbekistan. Auch die Zusammenarbeit im konsularischen Bereich soll verbessert werden. Ein Abkommen mit Marokko regelt künftig die Überstellung verurteilter Straftäter.

"Ein wesentliches Thema für mich war genau dieses Thema Sicherheit", erklärte Schallenberg dazu. "Wir haben es ja auch im Wahlkampf erlebt. Das ist etwas, was den Menschen in Österreich unter die Haut geht." Die erzielten Übereinkünfte seien "einzelne Tropfen" zur "Verstärkung des Netzwerkes der Sicherheit, das wir im Außenministerium weltweit aufziehen". Denn: "Letzten Endes wissen wir, dass unser ganzes Asyl- und Migrationssystem eigentlich den Namen nicht verdient, solange wir ein System haben, wo die Mehrheit der Menschen, die keine Aufenthaltsberechtigung kriegen in Europa, dennoch dableiben." Daher müsse ein System geschaffen werden, um "sie endlich dorthin zurückführen, wo sie hergekommen sind", so der ÖVP-Minister. "Das ist die wirkliche Achillesferse unserer Migrations- und Asylpolitik."

Schallenberg beendet am Freitag seinen Kurzbesuch bei der UNO-Generaldebatte in New York. Der Außenminister war Mittwochabend nach New York gekommen. Am Donnerstag absolvierte er mehrere bilaterale Treffen und hielt eine Rede vor der UNO-Vollversammlung. Zum Abschluss traf er auch noch den Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate (Sultan Al Jaber) und den Präsidenten des World Jewish Congress, Ronald S. Lauder. Die Rückkehr nach Wien ist für Samstagfrüh (MESZ) geplant, rechtzeitig vor der sonntägigen Nationalratswahl.

ribbon Zusammenfassung
  • Alexander Schallenberg warnt vor einem möglichen Flächenbrand im Nahen Osten aufgrund des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah.
  • Schallenberg betont die Unterstützung des Iran für verschiedene militante Gruppen und die daraus resultierende Destabilisierung der Region.
  • Benjamin Netanyahu droht dem Iran mit einem harten Gegenschlag im Falle eines Angriffs.
  • Der Iran kündigt an, im Falle eines umfassenden Krieges im Libanon nicht neutral zu bleiben und fordert Sanktionen gegen Israel.
  • Schallenberg unterzeichnete Rückführungsabkommen mit Kenia, Kuwait und Usbekistan.