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Schallenberg in Afrika: Riesenpotenzial und Risiken

"Die Zukunft Europas ist wesentlich davon abhängig, wie wir unsere Beziehung zum afrikanischen Kontinent gestalten." Mit diesem Credo startete Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstag im Senegal in seine mehrtägige Afrikareise, die ihn bis Freitag auch nach Südafrika führen wird. Der afrikanische Kontinent mit seinen 54 Staaten sei eine enorme Herausforderung. "Er birgt ein unglaubliches Potenzial, aber auch viele Risken." Wichtig sei ein Dialog "auf Augenhöhe".

Da Afrika von der Bevölkerungsstruktur her ein sehr junger Kontinent sei, gebe es enorme Zukunftschancen, aber auch die Gefahr von Perspektivlosigkeit und Migration sowie Flucht in den Extremismus, wenn die Potenziale nicht ausgeschöpft würden. "Es ist zweifelsfrei ein Kontinent, wo wir hinschauen müssen", formulierte Schallenberg, der im Senegal neben wirtschaftlichen Aspekten vorwiegend sicherheitspolitische Aspekte erörterte. "Alles was hier passiert, schlägt in Folge in Europa auf", formulierte Schallenberg bei einer Pressekonferenz im Außenministerium von Dakar.

In der Sahelregion gebe es aktuell einen "gefährlichen Cocktail an Krisen mit Machtkämpfen und erheblichen Hangabrutschungen", verwies Schallenberg insbesondere auf die Militärputsche in Mali und im Niger. Diese seien "herbe Rückschläge" für die EU und den Westen gewesen. Mit Konsequenzen: Zuletzt hätten sich die Zahlen der Migranten aus Mali verachtfacht, sagte Schallenberg, der auch Burkina Faso als Beispiel nannte. Von dort sei die Zahl sogar auf das Fünfzigfache gestiegen. "Das kann uns nicht egal sein."

Zwar seien Umsturzversuche in Guinea-Bissau und Sierra Leone gescheitert, aber eines werde dennoch deutlich: "Der Putschgürtel im Sahel zieht sich immer enger." In den vergangenen Wochen gab es im Senegal auch einen gewissen Zuzug von Menschen aus dem südlich gelegenen Guinea-Bissau, die vor den dortigen Umstürzen flüchteten. "Ein Überschwappen des Jihadismus wäre brandgefährlich und würde über kurz oder lang auch Europa betreffen", warnte Schallenberg im Vorfeld. Der Islam ist im Senegal die vorherrschende Religion, bisher allerdings in einer laut Diplomatenkreisen in der Regel toleranten Ausprägung. Muslimische Bruderschaften versuchen demnach aber auch, an sozialem und politischem Gewicht zuzunehmen.

Auch der Klimawandel stellt die gesellschaftliche Kohärenz auf die Probe. So müssen Viehzüchter wegen Trockenheit neue Weideflächen suchen und kommen so in Konflikt mit Agrarwirtschaft betreibenden Bauern. Derartige Konflikt werden von islamistischen Gruppen zusätzlich gezielt aufgeheizt, weiß etwa Caroline Hauptmann vom Auslandsbüro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung im Senegal. "Sie verteilen dann Waffen dort."

Er besuche den Senegal, "um unsere Partnerschaft auf Augenhöhe zu stärken", so Schallenberg. "Das darf keine Nabelschau sein. Denn während manche um Afrikas Rohstoffe buhlen und andere ihr sicherheitspolitisches Unwesen treiben, sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten die verlässlichsten Partner Afrikas - sicherheitspolitisch, humanitär und bei der Entwicklungszusammenarbeit." Diesen Ruf gelte es zu verteidigen, "auch gegenüber russischer Desinformation", erklärte der Außenminister, der bei seinen Besuch auch die Position Österreichs und der meisten EU-Länder gegenüber dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ansprach.

Generell nimmt Russlands Einfluss in Westafrika zu, insbesondere im Sicherheitsbereich gibt es mit vielen Ländern eine enge Zusammenarbeit. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine positionierten sich die meisten afrikanischen Staaten, so auch Senegal, neutral. Sie enthielten sich bei Abstimmungen der UNO großteils der Stimmen. Mitunter fachen aber auch gegenüber Russland freundliche oder von dort finanzierte soziale Netzwerke eine europakritische Stimmung an.

Auch China oder die Türkei versuchen, in Afrika an Einfluss zu gewinnen und sich auch wirtschaftlich zu etablieren. Chinesische Firmen krempeln etwa den senegalesischen Bergbau um und sind bei Infrastrukturprojekten wie dem Straßenbau aktiv. Mit Sorge wird von Kritikern nicht zuletzt der Zugriff auf die Fischerei gesehen. Chinesische Trawler zerstören den traditionellen einheimischen Fischer großteils die Lebensgrundlage. Sie suchen dann ihr Heil auch in der Emigration, mit Booten auf die Kanarischen Inseln oder im Flugzeug nach Lateinamerika. Zuletzt seien auf den Kanaren 15.000 Migranten aus dem Senegal angekommen, so Schallenberg.

Schallenberg kam Dienstag mit Annette Seck Ndiaye zusammen, die im senegalesischen Außenministerium im Rang einer Ministerin Schallenbergs Amtskollegen Ismaila Madior Fall vertrat. Dieser weilte mit Präsident Macky Sall bei der UNO in Genf, wo er an den Feierlichkeiten zum 75. Jahrestags der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte teilnahm. Die Ministerin erklärte, dass der Senegal einen Maßnahmenplan gegen illegale Migration ausgearbeitet habe. Sie freute sich über die Unterzeichnung eines Memorandums of Understanding, das unter anderem verschiedene wirtschaftliche Kooperation in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei regelt.

Der wirtschaftspolitische Schwerpunkt des Senegals liegt im Ausbau des Industrialisierungsprozesses des Landes. Die Regierung setze dabei gezielt auf Unterstützung aus dem Ausland. Annette Seck Ndiaye hofft in diesem Zusammenhang auch auf eine Kooperation bei der Ausbildung, wie sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte: "Wir wissen, dass das Ausbildungsniveau in Österreich sehr hoch ist." Im Kommenden Jahr wolle der Senegal auch bei der Nutzung seiner Öl- und Gasressourcen vorankommen.

Für den ÖVP-Minister standen in Dakar zudem Gespräche mit Justizministerin Aissata Tall Sall und Industrieminister Moustapha Diop auf dem Plan. Auch galt "der Themenkreis Sicherheit, regionale Stabilität und Migration" als Schwerpunkt.

Die senegalesischen Küstengewässer eignen sich aber auch hervorragend für kriminelle Aktivitäten wie dem Schmuggel. Daher wird Schallenberg am Dienstagnachmittag im Militärhafen von Dakar bei der Insel Gorée auch einer Übung der Spezialkräfte Forces spéciales marines beiwohnen, deren "Kampfschwimmer" vom österreichischen Bundesheer ausgebildet werden. Diese speziell geschulten Taucher können sich unter Wasser einem Ziel unerwartet nähern. Auf der Homepage des Verteidigungsministeriums heißt es dazu: "Dadurch entsteht ein Überraschungsmoment. Sauerstoff-Kreislaufgeräte ermöglichen ein lautloses Erscheinen, weil sie keine Luftblasen produzieren." Dies erlaube es, "überraschend Aktionen" zu setzen oder "stundenlang unerkannt zu beobachten, um dann wieder lautlos abzutauchen".

Der Senegal galt bisher aber als eine Art Musterbeispiel für Stabilität in Westafrika. Die ehemalige - historisch vorwiegend aus dem Sklavenhandel entstandene - französische Kolonie hat seit ihrer Unabhängigkeit 1960 keinen Krieg oder gewaltsamen Umbruch erlebt. Zuletzt hatte aber die Ausbootung des führenden Oppositionspolitikers Ousmane Sonko, der an sich bei der Wahl eines neuen Staatschefs am 25. Februar des kommenden Jahres kandidieren wollte, Unruhen zur Folge.

Dabei wurden mindestens 18 Menschen getötet und Hunderte bis Tausende festgenommen. Der vor allem bei der Jugend beliebte, populistische und auch die antifranzösische Stimmung anheizende Sonko darf laut eines Gerichtsurteils wegen diverser Justizurteile - unter anderem wegen Volksverhetzung und Aufruf zur Gewalt - nicht bei der Wahl kandidieren. Nach einer Berufung wurde am heutigen Dienstag aber neu verhandelt. Es wurde von politischen Beobachtern nicht ausgeschlossen, dass Sonko als unabhängiger Kandidat in Folge doch antreten darf, seine Partei Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit (SANEF) jedoch verboten bleibt.

Seine Anhänger sehen hinter dem Vorgehen von Regierungspolitikern und Justiz ein gezieltes Komplott der Riege um den seit 2012 amtierenden Präsident Macky Sall, der nach den Unruhen aber auf eine umstrittene Bewerbung um eine dritte Amtszeit verzichtete. An seiner Stelle wird Ministerpräsident Amadou Ba als Präsidentschaftskandidat der Regierungskoalition ins Rennen geschickt. Derzeit werben Dutzende potenzielle Kandidaten um die nötige Zahl an Unterstützern, um von den Wahlbehörden zugelassen zu werden.

Schallenberg ist der erste österreichische Außenminister, der den Senegal seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahr 1961 besucht. "Das hat mich selbst überrascht", gab der Minister zu bedenken. Im November 2022 war auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ebenfalls ÖVP) zu Gast. Auch für die Ankurbelung der Wirtschaftsbeziehungen seien derartige Austausche wichtig, meinen dazu Diplomatenkreise vor Ort. Zumal die bilateralen Beziehungen auch wegen einer Reform der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit seit einigen Jahren etwas ins Stocken geraten sei.

Am Abend folgt ein Wirtschaftsempfang unter dem Motto "Re-Focus Austria Networking". Der Senegal mit rund 17 Millionen Einwohnern gehört laut Wirtschaftskammer (WKÖ) aktuell zu den "aussichtsreichsten und dynamischsten Märkten Westafrikas" und werde auch in Zukunft eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften bleiben. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen waren jahrelang "relativ schwach ausgeprägt", so die WKÖ. Das positive wirtschaftliche Klima sorge aber für steigende Geschäftschancen und führe zu mehr Lieferungen aus Österreich. Diese Entwicklung ist vor allem dem Export von Baumwolle und Textilien geschuldet, der 81 Prozent der Lieferungen in den Senegal ausmacht. Das WKÖ-Fazit: "Viele der bunten Stoffe und Kleider aus hochwertigem Damast stammen aus Vorarlberg und erfreuen sich in ganz Westafrika großer Beliebtheit."

Mittwoch früh erfolgt die Weiterreise nach Südafrika, wo Schallenberg am Donnerstag unter anderem von Amtskollegin Naledi Pandor empfangen wird. Auch beim wichtigen Wirtschaftspartner Südafrika werden Handelsfragen eine große Rolle spielen.

ribbon Zusammenfassung
  • "Die Zukunft Europas ist wesentlich davon abhängig, wie wir unsere Beziehung zum afrikanischen Kontinent gestalten."
  • Mit diesem Credo startete Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Dienstag im Senegal in seine mehrtägige Afrikareise, die ihn bis Freitag auch nach Südafrika führen wird.
  • Der afrikanische Kontinent mit seinen 54 Staaten sei eine enorme Herausforderung.
  • "Sie verteilen dann Waffen dort."