Russland löst auch Memorial-Menschenrechtszentrum auf
Dies berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Das Menschenrechtszentrum hatte sich für Rechte politischer Gefangener sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft warf dem Zentrum vor, "aktiv" extremistische Organisationen unterstützt zu haben.
Jan Ratschinski von der Memorial-Leitung kündigte an, gegen das Urteil auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg vorzugehen. Dafür habe man nun 30 Tage Zeit. Wie schon am Vortag bei der Verhandlung über die Dachorganisation demonstrierten auch am Mittwoch viele Menschen vor dem Gerichtsgebäude gegen das sich abzeichnende Urteil.
Bei der Gerichtsanhörung führte die Anklagevertretung aus, dass das Menschenrechtszentrum selbst "Menschenrechte und Freiheiten verletzt" habe. Dies rechtfertige eine Auflösung der Organisation. Zudem wurde dem Zentrum Intransparenz bei Finanzen attestiert.
"Verfolgung aus politischen Gründen"
Ein Vertreter des Anwaltsteams von Memorial sagte vor Beginn der Anhörung, das Team rechne fest mit einer Verurteilung des Menschenrechtszentrums und einem anschließenden Verbot. Dies sei "offensichtlich". In der Gerichtsanhörung warnte der Memorial-Verteidiger Alexander Tscherkassow vor der öffentlichen Wirkung eines Verbots des Menschenrechtszentrums. Sollte es tatsächlich zu einer Zwangsauflösung kommen, wäre dies "eine Bestätigung dafür, dass die Verfolgung aus politischen Gründen zu einer systemischen Realität in unserem Leben geworden ist", sagte Tscherkassow.
Am Dienstag hatte das Oberste Gericht Russlands die Auflösung von Memorial International mit der Begründung angeordnet, die Organisation habe gegen das Ausländische-Agenten-Gesetz verstoßen. Das Gesetz belegt NGOs, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, mit strikten Auflagen. Memorial setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen in der Sowjetunion und für die Wahrung der Menschenrechte im heutigen Russland ein. Die NGO zählt zu den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Russland.
"Schwerer Schlag für alle unabhängigen Stimmen"
Das Verbot von Memorial International war am Dienstag international verurteilt worden. Das österreichische Außenministerium sprach von einem "schweren Schlag für alle unabhängigen Stimmen in Russland". Das Auswärtige Amt in Berlin bezeichnete das Urteil gegen die Organisation als "mehr als unverständlich", US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem "Affront gegen die Sache der Menschenrechte überall". Das russische Volk habe "etwas Besseres verdient". EU-Außenbeauftragter Josep Borrell zeigte sich bestürzt und mahnte, dass für die Entwicklung und den Fortschritt einer Gesellschaft "der kritische Blick zurück in ihre Vergangenheit unentbehrlich" sei.
Das Menschenrechtszentrum Memorial legt den Fokus auf die Rechte politischer Gefangener in Russland sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen. Jedes Jahr veröffentlicht das Zentrum eine Liste mit politisch Gefangenen. Zuletzt wies das Zentrum auch immer wieder auf das Schicksal des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hin, dessen Organisationen in Russland als "extremistisch" eingestuft sind
Zusammenfassung
- Einen Tag nach dem Verbot der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial hat ein Gericht in Moskau am Mittwoch auch das Menschenrechtszentrum der NGO aufgelöst.
- Dies berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Das Menschenrechtszentrum hatte sich für Rechte politischer Gefangener sowie von Minderheiten wie Migranten und Homosexuellen eingesetzt.
- Die Staatsanwaltschaft warf dem Zentrum vor, "aktiv" extremistische Organisationen unterstützt zu haben.
- Jan Ratschinski von der Memorial-Leitung kündigte an, gegen das Urteil auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg vorzugehen.