Putins Krieg - und wie eine Friedenslösung aussehen könnte
Fragen und Antworten zu Lösungsmöglichkeiten in dem Konflikt:
Wie begründet Russlands Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine?
Der Kremlchef spricht von einer "militärischen Spezial-Operation" zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine. Er hat vorige Woche zuerst die von moskaufreundlichen Truppen kontrollierten Regionen Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkannt und dann Truppen geschickt. Putin begründete die vom Westen verurteilte Militäraktion damit, dass er die Menschen im Donbass vor Angriffen ukrainischer Nationalisten in den Regierungstruppen schützen wolle. Damit eskalierte der 2014 begonnene Krieg in der Region vollends. Schon vor Beginn der jetzigen Invasion starben nach UNO-Schätzungen mehr als 14.000 Menschen, die meisten in den abtrünnigen Gebieten.
Was will der Kremlchef erreichen?
Nicht nur der französische Präsident Emmanuel Macron befürchtet, dass Russland letztlich die gesamte Ukraine besetzen will. Putin selbst sagt, er wolle mehrere Ziele erreichen, vor allem aber den Konflikt in der Ostukraine lösen. Die Menschen sollten dort ihre russische Sprache und Kultur und orthodoxe Religion leben dürfen - ebenso wie auf der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Durchbrochen hat die russische Armee bei ihrem Vormarsch auch eine Wasserblockade, mit der die Ukraine die Krim quasi trockenlegen und so zu sich zurückholen wollte.
Ein weiteres erklärtes Ziel ist die Entmilitarisierung des Landes, das seit Jahren von den USA und anderen NATO-Staaten massiv mit Waffen und Munition versorgt wird. Westliche Militärausbilder trainierten zudem die Soldaten.
Für Alarmstimmung in Moskau sorgte zudem, dass der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyj gesagt haben soll, dass sein Land nach Atomwaffen strebe. Die Ukraine habe die Technik und das Fachwissen, um nukleare Waffen zu schaffen, warnte Putin. Er wolle verhindern, dass "russlandfeindliche Nationalisten" in Kiews Führung zur Gefahr werden. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine nicht verifizierbare Behauptung des Kremlchefs. Die internationale Atomenergiebehörde IAEA und Rüstungskontrollexperten widersprechen den Putin-Aussagen. Vielmehr wurde Kiew bescheinigt, sich an die Regeln zu halten.
Karner: Übernahme von Cherson ist eine wichtige Etappe für Russland
Gerald Karner, Offizier und Militärexperte, ordnet im Interview bei PULS 24 Anchorwoman Bianca Ambros die militärisch-strategische Situation am Donnerstagvormittag in der Ukraine, was die russische Übernahme der Stadt Cherson bedeutet, wie es in der Hauptstadt Kiew ausschaut und über die teils jungen Soldaten auf russischer Seite.
Wie kann der Krieg beendet werden?
Putin ist gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Tatsächlich hat Staatschef Selenskyj vor Beginn der Kriegshandlungen angeboten, über einen neutralen Status zu verhandeln. Ein freiwilliger Verzicht auf den NATO-Beitritt wäre eine Grundvoraussetzung, um den Frieden herzustellen - wie etwa bei Russlands Nachbarn Finnland. Für den neutralen Status müsste eine Verfassungsänderung von 2019 mit einer Zweidrittelmehrheit rückgängig gemacht werden. Putin verlangt zudem, dass die Ukraine die Krim als Teil Russlands sowie die Unabhängigkeit der Regionen Donezk und Luhansk anerkennt.
Wird die Ukraine auf die Forderungen Russlands eingehen für einen Frieden?
Präsident Selenskyj muss derzeit zusehen, wie in dem Land Militärstützpunkte und große Waffen von der russischen Armee zerstört werden. Die Entmilitarisierung wollen die Russen unabhängig von den Verhandlungen bis zum Ende durchziehen. Selenskyj lehnt einen Verzicht auf die Krim und den Donbass kategorisch ab. Putin drohte am Donnerstag nach Kremlangaben aber damit, er werde weitere Forderungen stellen, wenn Selenskyj nicht kapituliert.
Wird Russland die Ukraine besetzen?
Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte am Donnerstag Aussagen Putins, dass Russland kein Besatzungsregime in Kiew plane. Das ukrainische Volk solle selbst darüber entscheiden, wie es künftig leben wolle. An diesem Prozess sollten alle in dem Land lebenden Nationalitäten beteiligt sein - die russische, die ungarische, die rumänische und bulgarische Minderheit, jeweils mit dem Recht, die eigene Sprache zu sprechen.
Eine Besatzungsregierung wird im Land aktuell nicht für wahrscheinlich gehalten. Dafür müsste Putin den Personaleinsatz deutlich hochfahren und mit massivem Widerstand der Bevölkerung bis hin zu Partisanenaktionen rechnen. Putin hatte stets betont, es gehe ihm um den Donbass und die Krim, nicht um eine Okkupation der Ukraine. Durch den Vormarsch jetzt könnte er beabsichtigen, sich vor allem Verhandlungsmasse zu schaffen. Sein Kalkül dürfte sein, dass der Westen dann bei einem Rückzug russischer Truppen auch die Sanktionen schrittweise aufheben könnte - so, wie das für eine Lösung des Konflikts im Donbass angedacht war.
Mangott: "Putin wird an diesem Krieg festhalten"
Für Gerhard Mangott, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck, kann man bei den von Russland diktierten Gespräche mit der Ukraine nicht von "Friedensverhandlungen" sprechen. Russland würde bei ihren Forderungen bleiben und das würde für die Ukraine eine beschränkte Souveränität unter der Kontrolle Russlands bedeuten. Das würde die Ukraine niemals akzeptieren, so Mangott. "Das heißt, es gibt keinen diplomatischen Ausweg aus der Krise. Der Krieg wird fortgesetzt werden", ist sich der Politikwissenschaftler sicher. "Putin wird an diesem Krieg festhalten."
Putin hat in ganz Europa Kriegsangst ausgelöst - weshalb nimmt er den hohen Preis dafür in Kauf?
Der Kremlchef kritisiert seit langem ein Voranschreiten der NATO in Osteuropa und hat das Militärbündnis aufgefordert, sich nicht weiter in Richtung der Grenzen Russlands zu bewegen. Putin beklagte bei Gesprächen etwa mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und mit Frankreichs Präsident Macron, dass der Westen die Sicherheitssorgen der Atommacht ignoriere. Wohl auch deshalb hat er die Lage so eskaliert und die russischen Nuklearwaffen demonstrativ in Kampfbereitschaft versetzt, um Ängste im Westen zu schüren.
Und auch den Menschen in der Ukraine, die jetzt zu Hunderttausenden auf der Flucht sind vor Putins Panzern und Raketen, wollte die russische Führung wohl vor Augen führen, wie es für die Bevölkerung im Donbass ist, seit acht Jahren in Kriegsangst zu leben. Der russische Außenminister Lawrow machte am Donnerstag deutlich, dass niemand auf die humanitäre Notlage dort schaue. Er warf der westlichen Diplomatie - Deutschland und Frankreich vermittelten in dem Konflikt - Versagen vor. Russland will diesen Zustand beenden.
Wie kann eine Lösung in dem Konflikt mit dem Westen aussehen?
Putin fordert seit langem von der NATO und den USA Gespräche über eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa. Außenminister Lawrow meinte nun, dass Russland zum Dialog über ein friedliches Nebeneinander bereit sei - allerdings auf Augenhöhe. Den Westen hatte Russland nicht nur mit der atomaren Drohkulisse erschreckt, sondern ihm auch eine neue zu bewältigende Großaufgabe mit Hunderttausenden Flüchtlingen aus der Ukraine beschert. Die Menschen könnten bei einer friedlichen Lösung in ihr Zuhause in der Ukraine zurückkehren. Wie es am Ende kommt, bleibt abzuwarten. Russland kündigte an, einen langen Atem zu haben.
Zusammenfassung
- Nach einer Woche blutiger Kämpfe in der Ukraine setzt Russland trotz der harten Sanktionen des Westens seinen Krieg in dem Land fort. Der russische Außenminister Sergej Lawrow meldet sich - auch angesichts der zunehmend schweren wirtschaftlichen Folgen der westlichen Strafmaßnahmen - mit Erklärungen zu Wort und bietet dem Westen einen Dialog an.