Scholz und Macron: Kiew darf Ziele in Russland angreifen
"In Europa, besonders in den kleinen Staaten, sollten sie sich bewusst machen, womit sie da spielen", so Putin bei einem Besuch in Usbekistan. Macron und Scholz schlossen indes nicht aus, dass die Ukraine dabei auch vom Westen gelieferte Waffen verwendet darf, um Stellungen anzugreifen, von denen aus die Ukraine angegriffen wird. "Wir müssen ihnen erlauben, militärische Stützpunkte zu neutralisieren, von denen aus Raketen abgeschossen werden", sagte Macron am Dienstag in Meseberg. Die Ukraine werde von Stützpunkten in Russland angegriffen, betonte er. "Wir sollten ihnen jedoch nicht erlauben, andere Ziele in Russland anzugreifen, vor allem keine zivilen Einrichtungen", fügte er hinzu.
Scholz erklärte dazu, dass es für den Einsatz der in die Ukraine gelieferten Waffen Regelungen gebe, dass sich dieser "immer im Rahmen des Völkerrechts bewegen muss". Dies habe bisher gut funktioniert, sagte er. Er verwies zudem darauf, dass Deutschland und Frankreich "unterschiedliche Waffen zur Verfügung gestellt haben".
Macron präsentierte eine Karte, auf der eingezeichnet war, von wo aus die Ukraine angegriffen wird, teilweise von Stellungen weit in Russland. Wenn man sich an die bisherigen Regeln halte, sei die Ukraine nicht in der Lage, diese Basen zu treffen. "Was wir uns wünschen, ist die Möglichkeit zu haben, diese Raketenabschussanlagen treffen zu können. Ich glaube nicht, dass das zu einer Eskalation beitragen würde", sagte er. Dies wäre aber mit den von Deutschland gelieferten Waffen kaum möglich - anders als bei den Marschflugkörpern, die Frankreich und Großbritannien geliefert haben.
Die USA erteilten der Forderung von Selenskyj, die Beschränkungen für den Einsatz von US-Waffen auf russischem Staatsgebiet aufzuheben, hingegen eine Absage. Washington sei nach wie vor dagegen, dass die Ukraine bei ihren Angriffen in Russland US-Waffen einsetze, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag. "Unsere Position hat sich zu diesem Zeitpunkt nicht geändert. Wir ermutigen oder erlauben nicht den Einsatz der von den USA gelieferten Waffen, um innerhalb Russlands anzugreifen."
Die EU wird unterdessen vorerst keine Militärausbilder in die Ukraine entsenden. Darüber gebe es bisher "keinen Konsens" unter den Mitgliedsländern, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstag nach einem Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Bisher bilden die Europäer ukrainische Soldaten auf EU-Gebiet aus. Borrell sagte, die Minister hätten zwar über Forderungen diskutiert, "einen Teil der Ausbildung in der Ukraine zu absolvieren." Dazu gebe es vorerst allerdings "keine gemeinsame europäische Haltung". Die Dinge könnten sich allerdings noch ändern. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte die Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine im Februar nicht ausgeschlossen und damit eine breite Diskussion entfacht.
Österreich liefert als neutraler Staat keine Waffen an die Ukraine. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) machte am Dienstag klar, dass sich die Frage der Entsendung von Soldaten in die Ukraine für Österreich nicht stelle. "Es gilt, eine Eskalation des Krieges zu verhindern", hieß es gegenüber der APA aus dem Verteidigungsministerium. Die Bundesregierung hatte bereits die von Macron ausgelöste Debatte über die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine kritisiert.
Zur Frage einer möglichen Entsendung französischer Militärausbilder in die von Russland angegriffene Ukraine will Macron in der kommenden Woche einen Plan vorlegen. Dies wolle er beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Normandie zum Gedenken an die Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg tun. Er werde sich zu diesem Zeitpunkt "sehr genau äußern, um anzukündigen, was wir tun werden". Zuvor habe es zu den Militärausbildern eine "unkoordinierte und unglückliche Kommunikation" gegeben, sagte Macron.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte die Diskussion über die Nutzung westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland ausgelöst. Bei einem Verteidigungsministertreffen der EU in Brüssel erneuerte der Norweger am Dienstag Forderungen nach einer Aufhebung bestehender Beschränkungen für ukrainische Angriffe.
Für die Ukrainer werde es insbesondere in der Region Charkiw sehr schwer und hart sein, sich zu verteidigen, wenn sie Ziele wie Artilleriestellungen oder Flugplätze auf der anderen Seite der Grenze nicht treffen könne, erklärte Stoltenberg am Rande der Beratungen. Die Kämpfe in der Region fänden teilweise direkt an der Grenze statt.
Stoltenberg und auch Verteidigungsminister östlicher NATO-Staaten betonten am Dienstag in Brüssel, dass sie kein großes Eskalationsrisiko sehen. Stoltenberg verwies zum Beispiel darauf, dass der Ukraine gespendete Waffen nach der Übergabe ukrainische Waffen seien und ein Teil der NATO-Staaten der Ukraine schon seit jeher Waffen ohne Auflagen liefere. Zudem betonte er, dass der Einsatz von Waffen gegen militärische Ziele durch das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine gedeckt sei. Auch Borrell sprach sich am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens für den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele in Russland aus. Das sei "nach dem Kriegsrecht durchaus möglich und kein Widerspruch". Das Aufheben nationaler Beschränkungen werde immer wichtiger.
Zusammenfassung
- Der deutsche Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonen, dass die Ukraine bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland auch Ziele in Russland angreifen darf.
- Wladimir Putin droht mit ernsten Konsequenzen, sollte der Westen der Ukraine grünes Licht für Angriffe auf russisches Gebiet geben.
- Die USA erteilen der Forderung von Selenskyj, die Beschränkungen für den Einsatz von US-Waffen auf russischem Staatsgebiet aufzuheben, eine Absage.
- Die EU wird vorerst keine Militärausbilder in die Ukraine entsenden, da es keinen Konsens unter den Mitgliedsländern gibt.
- Österreich liefert als neutraler Staat keine Waffen an die Ukraine und schließt die Entsendung von Soldaten aus.