ÖVP will mehr Finanzkompetenz für Frauen, Grüne faire Löhne
Als weitere Schwerpunkte - neben der Förderung der Finanzkompetenz - nannte Frauenministerin Raab im APA-Interview den Gewaltschutz und spezifische Arbeitsmarktförderungen für Frauen, um diese aus der massiv gestiegenen coronabedingten Arbeitslosigkeit zu holen. In der Coronakrise hätten die Frauen "Übermenschliches geleistet", nun müsse man aufpassen, dass das Zurückdrängen der Frauen in den häuslichen Bereich während der Lockdowns nicht zu verfestigten Strukturen führe.
Mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) habe sie evaluiert, wo Frauen am Arbeitsmarkt Hilfe brauchen und "überproportionale Unterstützung" für Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarkts sichergestellt. Unterstützt würden Frauen aber auch damit, dass die Schulen offen bleiben. Darüber hinaus habe die Regierung die Coronahilfen im Familien- und Sozialbereich erhöht, der Familienhärtefonds wurde um 50 Mio. Euro aufgestockt und bis Juni verlängert.
Eine enorme Verbesserung hinsichtlich der Pension erwartet Raab vom automatischen Pensionssplitting, das in Ausarbeitung sei. Die Regierung strebe einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung an, die Frauen sollen aber selbstständig entscheiden, ob sie schneller zurück ins Arbeitsleben und länger zuhause bleiben wollen.
Als besonders wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit nennt Raab den Gewaltschutz. Ein Großteil des Frauenbudgets habe sie daher in diesen Bereich investiert. Heuer will sie die 2020 schon um zwölf Prozent erhöhte Förderung für Frauen- und Mädchenberatungsstellen noch einmal um drei Prozent aufstocken - und eine Initiative gegen Cybergewalt in Paarbeziehungen ist geplant. Seit Ausbruch der Pandemie liegen die Betretungs- und Annäherungsverbote auf einem"konstant hohen Niveau". Es werden rund 1.000 Fälle pro Monat verzeichnet, "wobei dahinter eine hohe Dunkelziffer liegt".
Die Regierungsparteien verhandeln derzeit über ein größeres Paket - das aus Sicht der Grünen auch die verpflichtende Einkommenstransparenz enthalten muss. Ab einer Größe von 35 Mitarbeitern sollen Unternehmen offenlegen, in welcher Position wie viel verdient wird, um damit die Lohnschere zu schließen und Altersarmut vorzubeugen, verlangte die Grüne Frauenchefin und Vizeklubobfrau Disoski im APA-Interview. Bisherige Initiativen seien am ÖVP-Wirtschaftsflügel gescheitert. Aber sie "hoffe doch, dass wir diese Betoniererpolitik aufbrechen können".
Die EU-Kommission hat diese Woche einen Vorschlag vorgestellt, der Arbeitgeber ab 250 Beschäftigten zur regelmäßigen Offenlegung des Lohnunterschieds zwischen Frauen und Männern verpflichten soll. Disoski will sich an Dänemark orientieren: Dort sei mit der Lohntransparenz ab 35 Mitarbeitern der Gender-Pay-Gap schon nach einem Jahr um mehr als sieben Prozent gesunken.
Auch beim - ebenfalls in Verhandlung stehenden - Pensionssplitting sind die Grünen anderer Meinung als die ÖVP: Disoski drängt auf ein freiwilliges Splitting für alle Paare. Sie will jedenfalls ein "Gesamtpaket", weil "das eigentliche Problem beginnt ja nicht erst in der Pension".
Dass die Frauenministerin nicht von den Grünen, sondern von der ÖVP gestellt wird, habe sie "natürlich bedauert", räumte Disoski auf eine entsprechende Frage ein. "Aber Bedauern ist keine politische Kategorie." Man könne feministische Frauenpolitik auch so vorantreiben, "und das machen wir". So seien das höhere Frauenbudget, Stärkung des Gewaltschutzes, das Gesetzespaket gegen Hass im Netz oder der Anhebung der Mindestpension auf die Regierungstätigkeit der Grünen zurückzuführen.
Die SPÖ ist mit der Frauenpolitik der Regierung unzufrieden. Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek hielt der Koalition und "allen voran" Frauenministerin Raab Sonntag per Aussendung "Schönreden" vor. Aber das helfe keiner einzigen Frau in der schwersten Krise seit 1945 - in der Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Einkommensverluste "die Frauen an ihre Grenzen" brächten. Sie seien besonders hart betroffen - sei doch die Arbeitslosigkeit der Frauen durch die Corona-Krise wesentlich stärker gestiegen als bei den Männern. Die Regierung schaue dabei "untätig zu", kritisierte Heinisch-Hosek - und verlangte, im Vorgriff auf die morgige Frauentags-Sondersitzung des Nationalrates, ein spezielles Frauenkonjunkturpaket.
Keine großen Schritte gemacht wurden im vergangene Jahr, was den politischen Einfluss von Frauen betrifft: Der weibliche Anteil in der Bundesregierung (46,7 Prozent ohne Staatssekretäre) und in den Landesregierungen (39,7 Prozent) ist leicht gesunken. Im Nationalrat hingegen gibt es ein winziges Plus (auf 39,9 Prozent) und in den Landtagen ist der Anteil der Mandatarinnen von 31,8 auf 35,7 Prozent gestiegen, wie Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen berechnete. Die türkis-grüne Bundesregierung bestand im Vorjahr mehr als zur Hälfte (53,3 Prozent) aus Frauen - aber weil anstelle der zurückgetretenen Christine Aschbacher im Jänner Martin Kocher (beide ÖVP) Arbeitsminister wurde, sank der Anteil wieder unter die 50er-Marke.
Zusammenfassung
- Die Grüne Frauenchefin Meri Disoski sieht verpflichtende Einkommenstransparenz für Unternehmen als wichtigste Maßnahmen gegen die Lohnschere.