APA/Stefan Vospernik

Österreich und Vietnam wollen Beziehungen massiv ausbauen

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat nach Gesprächen mit der vietnamesischen Staatsspitze einen deutlichen Ausbau der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit dem südostasiatischen Land angekündigt.

Mehrere Abkommen und ein Besuch des vietnamesischen Präsidenten in Österreich noch heuer seien geplant, sagte Schallenberg am Montagabend (Ortszeit) in Hanoi. Andritz und die RBI zogen bei einem parallel abgehaltenen Wirtschaftsforum zwei Staatsaufträge an Land. Schallenberg war in Hanoi mit seinem Amtskollegen Bui Thanh Son, Regierungschef Pham Minh Chinh sowie Planungsminister Nguyen Chi Dung zusammengetroffen.

Vietnam rückt "stärker in den Fokus"

Alle Gespräche seien "stark fokussiert" auf das Thema Wirtschaft gewesen. Der Wunsch nach einer stärkeren wirtschaftlichen Präsenz Österreichs sei "fast schon vorwurfsvoll" geäußert worden, sagte der Außenminister. Er rechtfertigte sich nach eigenen Worten damit, dass der Fokus lange Zeit auf Ländern wie China, Japan und Russland gelegen sei. Die aktuellen "Umstände" (Lieferprobleme aus China während der Pandemie, Ukraine-Krieg und Taiwan-Krise) hätten nun aber dazu geführt, "dass ein Land wie Vietnam stärker in den Fokus rückt". Angesichts der aktuellen unsicheren Zeiten "müssen wir uns nach neuen, verlässlichen Partnerschaften umsehen", so Schallenberg zum Auftakt seines Treffens mit Bui.

Das Hauptinteresse der vietnamesischen Seite liege an grüner Technologie, Infrastruktur und auch der dualen Ausbildung. Diese bezeichnete WKO-Vizepräsident Philipp Gady, der eine Delegation österreichischer Firmenvertreter anführte, als österreichischen "Exportschlager". Schallenberg sagte, dass Vereinbarungen zu dualer Ausbildung und der Zusammenarbeit im Bereich der Diplomatischen Akademien anvisiert werden. "Geplant ist, dass noch heuer der Präsident Vietnams nach Österreich kommt. Dieser Besuch könnte der Beginn eines neuen Kapitels in den bilateralen Beziehungen sein", sagte Schallenberg, der als erster österreichischer Chefdiplomat seit 28 Jahren Vietnam besuchte.

Wunsch nach Visa-Erleichterungen

Österreich habe den Wunsch nach Visa-Erleichterungen geäußert, was positiv aufgenommen worden sei. Eine Reihe von europäischen Staaten sei von der Visapflicht bereits befreit, und eine ähnliche Regelung könnte auch den Tourismus aus Österreich ankurbeln, so Schallenberg. Laut Gady wollen österreichische Beratungsunternehmen die Entwicklung des Tourismussektors in dem subtropischen Land unterstützen.

Schallenberg berichtete weiter, dass Vietnam anders als andere Länder keine Angst vor einem "Brain Drain" (Abwanderung von Fachkräften ins Ausland) habe. Ein Zuwanderungs- und Rückübernahmeabkommen wie mit Indien plane Österreich aber aktuell nicht, weil es aus Vietnam keine illegale Migration gebe, sagte der Außenminister auf eine entsprechende Frage. Vietnam sei eher mit den Philippinen zu vergleichen, wo gezielt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsbereich angeworben werden.

Millionenaufträge für österreichische Unternehmen

Bei einem Forum für Infrastruktur- und Technologiekooperation ging es vor allem um staatliche Investitionsaufträge. Schallenberg bezeichnete das Forum in seinen Grußworten als "das eigentliche Highlight" der Reise. Vertreten waren Topunternehmen wie Kapsch, Rosenberger, Vamed, Andritz oder die Raiffeisen Bank International. Die beiden letzten konnten konkrete Aufträge an Land ziehen. Die RBI unterzeichnete mit dem Unternehmen Agrimeko ein MoU zur Finanzierung eines Wasserkraftwerks im Umfang von 25 bis 30 Millionen Euro, Andritz Hydro vereinbarte mit einer Tochterfirma des staatlichen vietnamesischen Energiekonzerns EVN ein Projekt zum Bau von Pump- und Speicherkraftwerken.

Schallenberg versuchte seinen Gesprächspartnern auch bei den brennenden außenpolitischen Fragen auf den Zahn zu fühlen. Vietnam hat traditionell gute Beziehungen mit Russland, wird aber auch von den USA als potenzieller Verbündeter gegen China umworben. Die Vietnamesen seien sich "ihrer Exponiertheit und interessanten Position sehr bewusst" und träten "selbstbewusst" auf, kommentierte der Außenminister.

In den Gesprächen sei klar geworden, dass es gegenüber dem großen Nachbarn China "keine große Emotionalität oder Freundschaft" gebe, man aber "sehr umsichtig und vorsichtig" agiere. "Das Hauptziel muss sein, China zu decouragieren (entmutigen) etwas zu tun", fasste Schallenberg die Position der vietnamesischen Regierungsspitze zusammen. Gleichzeitig solle der Preis für eine militärische Aggression möglichst hoch sein. "Taiwan soll wie eine vergiftete Frucht sein", so der Außenminister.

Russisch-chinesische "Zweckgemeinschaft"

Die russisch-chinesische Annäherung werde als "Zweckgemeinschaft" und "strategisch nicht über alle Maßen bedeutsam" angesehen, wobei unklar sei, ob es sich dabei um bewusstes Herunterspielen handle. Mit seinem Werben für die westliche Position im russischen Aggressionskrieg gegenüber der Ukraine hatte Schallenberg erwartungsgemäß keinen unmittelbaren Erfolg. Vietnam dürfte sich damit bei UNO-Resolutionen gegen den Aggressor weiterhin enthalten. Auch in diesem Fall wolle das Land nämlich "vorsichtig auftreten" und "kein Porzellan zerschlagen". "Zur Kenntnis genommen" seien seine Anmerkungen zu Menschenrechtsverletzungen in Vietnam, so Schallenberg weiter. Er berichtete auch, dass das Land den Wunsch geäußert habe, eine weitere Mandatsperiode dem UNO-Menschenrechtsrat anzugehören.

Zum Auftakt des Treffens mit seinem Amtskollegen Bui hatte Schallenberg am Vormittag gesagt, dass sich die bilateralen Beziehungen "auf einem Allzeithoch" befinden. Gastgeber Bui ging in seiner öffentlichen Begrüßung nicht auf aktuelle internationale Konfliktherde ein. Er sagte lediglich, dass Österreich und Vietnam "vor allem in multinationalen Foren und internationalen Organisationen eng zusammenarbeiten". Ansonsten hob er die wirtschaftlichen Aspekte der Visite hervor. "Ich bin zuversichtlich, dass dieser Besuch eine wichtige Rolle bei der weiteren Vertiefung der ausgezeichneten Beziehungen spielen wird", sagte er.

Vietnam ist Wachstumsmotor Südostasiens

Das 100-Millionen-Einwohner-Land Vietnam gilt als Wachstumsmotor Südostasiens und hat in den vergangenen Jahren eine atemberaubende Entwicklung genommen. Wie der Präsident der vietnamesischen Handels- und Industriekammer, Phan Tan Cong, beim Wirtschaftsforum sagte, hat sich die Wirtschaftskraft des Landes seit der Jahrtausendwende verzehnfacht und liegt aktuell bei 400 Milliarden Dollar. Schon in wenigen Jahren soll die Marke von einer Billion Dollar erreicht werden, was dem Doppelten der Wirtschaftskraft Österreichs entspräche.

Im Zuge der Zuspitzung des Taiwan-Konflikts hat Vietnam zusätzlich an Bedeutung gewonnen, weil viele große Unternehmen wie Samsung oder Apple ihre Produktion von China dorthin verlagern. Europäische Unternehmen profitieren seit 2020 von einem EU-Vietnam-Freihandelsabkommen, das praktisch alle Handelshemmnisse abbauen soll. Im Vorjahr erreichte das bilaterale Handelsvolumen zwischen Vietnam und Österreich 1,65 Milliarden Euro, wobei aber nur 226 Millionen Euro auf österreichische Exporte entfallen. Diese legten immerhin um 24 Prozent zu, während die Importe aus Vietnam um knapp 13 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro stiegen.

ribbon Zusammenfassung
  • Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat nach Gesprächen mit der vietnamesischen Staatsspitze einen deutlichen Ausbau der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit dem südostasiatischen Land angekündigt.
  • Mehrere Abkommen und ein Besuch des vietnamesischen Präsidenten in Österreich noch heuer seien geplant, sagte Schallenberg am Montagabend in Hanoi.
  • "Taiwan soll wie eine vergiftete Frucht sein", so der Außenminister.