APA/dpa/Matthias Balk

Schüsse in München: 50 Patronen, in Gebäude eingedrungen

Der 18-jährige aus Neumarkt am Wallersee, der am Donnerstag beim israelischen Konsulat in München auf Polizisten schoss, besorgte sich davor 50 Patronen. Nach neuesten Erkenntnissen drang er in zwei Gebäude ein. Erst am Montag hatte er einen neuen Job begonnen. Auf ein terroristisches Motiv lässt nur ein Computerspiel schließen, das bei ihm im Vorjahr gefunden wurde.

350 Euro zahlte der 18-Jährige für sein Repetiergewehr, das rund 100 Jahre alt war, wie PULS 24 aus Ermittlerkreisen erfuhr. Es handelte sich um eine Schweizer Armeewaffe. Er fand es im Internet auf einer Börse für gebrauchte Waffen. Vor rund 14 Tagen inserierte es dort ein Waffensammler aus Salzburg.

Der 18-Jährige soll ihm gegenüber angegeben haben, dass er bei Schießplätzen üben wolle, gab sich offenbar glaubhaft als Waffenkenner aus. Der Waffenverkäufer dürfte laut derzeitigem Ermittlungsstand dem Gesetz entsprechend gehandelt haben. 

50 Patronen

Gegen den jungen Mann mit bosnischer Migrationsgeschichte lag zwar ein Waffenverbot vor, doch private Verkäufer können das nicht überprüfen. Der 18-Jährige hätte sich innerhalb von sechs Wochen bei einem Waffenhändler melden müssen, dort wäre das dann geprüft worden. Das an der Waffe montierte Bajonett wollte der junge Mann zunächst nicht, zahlte dann aber doch 50 Euro zusätzlich dafür. Er kaufte auch 50 Patronen. Das Magazin der Waffe fasste sechs Patronen. 

Eine Waffe der Kategorie C darf man in Österreich ab 18 Jahren kaufen und besitzen. Der Händler soll dem jungen Mann aus Neumarkt noch gesagt haben, wo er die Waffe anmelden könne, doch dazu kam es nicht mehr. Am Mittwoch fand die Übergabe statt, am Donnerstag fuhr der Schütze nach München. 

In Gebäude eingedrungen

Er gab dort laut Münchner Polizei Schüsse auf das NS-Dokumentationszentrum und das israelische Konsulat und zwei weitere Gebäude ab. Er versuchte, über den Zaun des Konsulats zu klettern, scheiterte aber daran. Er betrat sogar zwei Gebäude in der Umgebung.

Vor den Schüssen der Polizei sei er aufgefordert worden, die Waffe niederzulegen. Das tat er nicht. Er soll sogar im Liegen noch geschossen haben. Im Auto wurde die Packung der 50 Patronen gefunden - sie sei fast leer gewesen.

Das Motiv dafür ist auch in Sicherheitskreisen noch etwas rätselhaft. Offiziell wird zwar wegen eines terroristischen Motivs und eines versuchten Anschlags auf das israelische Konsulat ermittelt - ausgerechnet am Donnerstag hatte sich der Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft bei den Spielen in München 1972 zum 52. Mal gejährt. Die Waffe und das Auftreten des 18-Jährigen sind für Islamisten aber untypisch. Die Münchner Staatsanwaltschaft spricht bei Islamismus und Antisemitismus von einer "Arbeitshypothese"

Er besuchte bis zum Frühjahr 2024 eine HTL für Elektrotechnik in Salzburg, galt als intelligent und war ein guter Schüler. Seine Familie ist religiös, aber nicht streng. Die Eltern kamen während des Jugoslawienkriegs nach Österreich, haben sich hier ein kleinbürgerliches Leben aufgebaut, lebten mit zwei Söhnen im Einfamilienhaus.

Am Montag neuen Job gestartet

Erst am Montag hatte der 18-Jährige einen neuen Job als Maschinenbauer begonnen. Montag, Dienstag und Mittwoch erschien er in der Arbeit, erfuhr PULS 24. Am Donnerstag fehlte er dort unangekündigt. Die Firma fragte bei den Eltern nach. Diese fanden sein Auto nicht wie üblich am Bahnhof und gingen gegen 10 Uhr zur Polizei. Zu diesem Zeitpunkt waren in München schon Schüsse gefallen. 

Auf ein islamistisches Motiv lassen derzeit nur  Aufnahmen aus einem Computerspiel schließen, die im Zuge einer Hausdurchsuchung im vergangenen Jahr bei ihm gefunden wurde. Dazu kam es, weil der Bursche in der Schule gehänselt wurde - und es eine Schlägerei gab. Der HTL-Schüler soll sich während Corona zum Einzelgänger entwickelt haben, sein Vater erlebte ihn als psychisch auffällig und soll versucht haben, mit einer Psychologin in Kontakt zu kommen.

Hänseleien in der Schule

Einmal, im Februar 2023, soll ihm ein Mitschüler den Laptop zugeklappt haben, wonach es zu einer Schlägerei kam. Nach einem Schlag gegen die Schläfe eines Mitschülers und diverser Drohungen kam es zu Ermittlungen. Weil Mitschüler gegenüber den ermittelnden Polizisten angaben, der Jugendliche aus Neumarkt sei komisch und interessiere sich für Waffen und Bomben, wurde der Verfassungsschutz eingeschalten. 

"Jeehad time, let's go"

Dieser fand die Aufnahmen des besagten Computerspiels. Es handelte sich um ein Spiel namens "Roblox" - es ähnelt Minecraft. Im Onlinespiel soll der 18-Jährige im Jahr 2021 islamistische Gewaltszenen dargestellt haben und davon drei Videos aufgezeichnet haben. Dschihadisten schießen dabei auf Zivilisten. "Jeehad time, let's go", hieß es dazu im Spiel, wie PULS 24 erfuhr. Mögliche Mitspieler habe man nicht ausfindig machen können, teilten Ermittler mit.

In einem der Videos waren Symbole der terroristischen Vereinigung Al-Nusra-Front For the People of the Levant, auch Hay'at Tahir al-Sham (HTS) genannt, zu sehen. 

HTS nicht für Anschläge in Europa bekannt

HTS ist 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen und ist nicht für Anschläge in Europa bekannt. 

Die Ermittler befragten damals auch den Religionslehrer des Burschen, der den Schüler als religiös, aber nicht gewaltaffin beschrieb. Ansonsten kam es bis Februar 2024 zu keinen Auffälligkeiten mehr in der Schule. Die Terror-Ermittlungen wurden eingestellt, man sah keinen Grund, den Burschen als Gefährder einzustufen. Nur ein Waffenverbot wurde verhängt - es hätte bis 2028 gegolten. 

Die Ermittler durchsuchten nun abermals das Haus des 18-Jährigen. Dort wurden diverse Datenträger sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden. Das Handy des Burschen hat die Polizei in Bayern. 

Terror-Expertin Daniela Pisoiu im Interview

ribbon Zusammenfassung
  • Der 18-jährige aus Neumarkt am Wallersee, der am Donnerstag beim israelischen Konsulat in München auf Polizisten schoss, besorgte sich davor 50 Patronen.
  • 350 Euro plus 50 Euro für ein Bajonett zahlte der an einen privaten Waffensammler, der die Waffe im Internet zum Kauf angeboten hatte.
  • Erst am Montag hatte der 18-Jährige einen neuen Job als Maschinenbauer begonnen. Montag, Dienstag und Mittwoch erschien er in der Arbeit, erfuhr PULS 24. Am Donnerstag fehlte er dort unangekündigt.
  • Auf ein islamistische Motiv lässt derzeit vor allem ein Computerspiel schließen. Es handelte sich um ein Spiel namens "Roblox".
  • In dem Spiel verwendet der Bursche ein Symbol der terroristischen Vereinigung Al-Nusra-Front For the People of the Levant, auch Hay'at Tahir al-Sham (HTS) genannt.
  • Diese ist allerdings nicht für Anschläge in Europa bekannt.