NGO: Syrischer General "höchstrangigster" Kriegsverbrecher

Der mutmaßlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) geschützte syrische General Khaled H. ist nach Einschätzung von Experten "mit ziemlicher Sicherheit der höchstrangigste im Westen flüchtige Verdächtige" des Landes. Die Beweislage gegen ihn sei "ganz besonders erdrückend", teilte die Sprecherin der nach Kriegsverbrechern in Syrien suchenden "Commission for International Justice and Accountability" (CIJA), Nerma Jelacic, der APA auf Anfrage mit.

Nach einem Bericht der Tageszeitung "Kurier" wurde H. im Juni 2015 auf Wunsch des israelischen Geheimdienstes Mossad nach Österreich gebracht, weil er in Frankreich Probleme im Asylverfahren hatte. In Österreich erhielt er dieses im Dezember 2015 im Eilverfahren, offenbar auf Druck des BVT. Der Mossad soll ihm monatlich 5.000 Euro gezahlt haben. Obwohl die CIJA den österreichischen Behörden schon kurz danach erste Beweise vorlegte, konnte H. noch fast drei Jahre unbehelligt in Österreich leben, ehe er im Herbst 2018 untertauchte.

Die CIJA-Direktorin wies darauf hin, dass Khaled H. von 2009 bis Anfang 2013 der regionale Geheimdienstchef in der späteren Rebellenhochburg Raqqa gewesen sei. Als solcher habe er "die rechtliche und faktische Kontrolle" über alle Aktivitäten des Geheimdiensts in Raqqa gehabt. Dort seien "ungeheuerliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Mord und Folter sowie sexuelle Gewalttaten" verübt worden. H. habe von den entsprechenden Taten seiner Untergebenen Kenntnis gehabt.

CIJA-Ermittler in Syrien hätten bereits Ende 2015 Informationen gehabt, dass sich H. in Österreich aufhalte, berichtete Jelacic. "Das Suchteam von CIJA konnte H. rasch an einer Adresse in Wien finden." Im Jänner 2016 sei dann Kontakt zum Justizministerium in Wien aufgenommen worden. Man habe dieses informiert, dass man Informationen "über einen hochrangigen syrischen Regimevertreter" habe, der des Begehens von "Völkerrechtsverbrechen" verdächtig sei. Man habe den österreichischen Behörden dann auch das "komplette Dossier" über H. zukommen lassen, darunter auch offizielle syrische Dokumente und Aussagen von Insidern.

Auf die Frage, wie man die Performance der österreichischen Behörden im Fall H. beurteile, verwies die Sprecherin darauf, "dass wir unsere Fälle üblicherweise nicht in den Medien erörtern oder die Arbeit von nationalen oder anderen Organen bewerten".

Jelacic wies darauf hin, dass ihre Organisation seit dem Jahr 2016 schon mehr als 550 Anfragen bezüglich fast 2.000 Verdächtigen aus den Reihen des syrischen Regimes oder des "Islamischen Staates" (IS) erhalten habe. Die meisten davon hätten sich im Schengenraum aufgehalten. Man habe 30 Sicherheitsbehörden in 13 Staaten einschlägiges Material übermittelt, und es habe auch schon Verurteilungen auf Basis der von CIJA gesammelten Beweise gegeben.

Die CIJA-Forscher beschäftigen sich seit dem Jahr 2012 mit dem syrischen Regime und haben mehr als 2.000 Zeugen befragt, hauptsächlich Überläufer und Opfer. Außerdem seien 900.000 interne Dokumente des Regimes gesammelt worden. Auf Basis solcher Beweise begann im März im deutschen Koblenz ein Gerichtsverfahren gegen den syrischen Geheimdienstler Anwar R., der ähnlich wie der syrische General in Wien Asylstatus bekommen hatte.

Die CIJA (deutsch: "Kommission für Internationale Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit") ist nach eigenen Angaben eine Gruppe von Ermittlern, Analysten und Juristen, die sich "der Förderung der Gerechtigkeit" verschrieben hat. Die Ermittlungen in Syrien würden von Großbritannien, den USA, Deutschland, Kanada, der EU und der Open Society Foundations des US-Investors George Soros finanziert.

ribbon Zusammenfassung
  • Der mutmaßlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) geschützte syrische General Khaled H. ist nach Einschätzung von Experten "mit ziemlicher Sicherheit der höchstrangigste im Westen flüchtige Verdächtige" des Landes.
  • Nach einem Bericht der Tageszeitung "Kurier" wurde H. im Juni 2015 auf Wunsch des israelischen Geheimdienstes Mossad nach Österreich gebracht, weil er in Frankreich Probleme im Asylverfahren hatte.