Nehammers Versöhnung? Rohrer glaubt "überhaupt nicht" daran
Am Mittwoch lud Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Bevölkerung offiziell zu einem Versöhnungsprozess in Sachen Corona-Pandemie ein. Ein "Dialogprozess" solle um Ostern starten, denn das Coronavirus habe für die österreichische Gesellschaft "eine Art Trauma" bedeutet, "das wir nun gemeinsam aufarbeiten sollten".
In "WildUmstritten" auf PULS 24 war auch dieser Vorstoß, den Nehammer übrigens in Abstimmung mit Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen gemacht hat, ein Thema. Die profilierte Innenpolitik-Journalistin Anneliese Rohrer ließ zunächst die Vorgänge rund um den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 noch einmal Revue passieren.
Die strikte Linie der türkis-grünen Regierung empfand sie in den Anfangswochen der Pandemie als "weitgehend in Ordnung". Rohrer hatte auch eine Erklärung für die oftmals martialische Sprache von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) parat. Anfang 2020 sei die Koalition noch alles andere als "eingespielt" gewesen, die Kompetenz für eine solche Krise fehlte. "Das wurde kompensiert mit besonderer Striktheit und besonderer Brutalität", konstatiert Rohrer im Rückblick. "Sie wussten einfach nicht, was sie tun."
Rohrer fehlt Glaube an Versöhnung
Ob Nehammer mit seinem Versöhnungsangebot nach drei Jahren Pandemie-Management nun Erfolg haben werde, fragte Moderator Werner Sejka. "Nachdem diese Gräben, wie alles in Österreich, total parteipolitisiert sind, wage ich die Analyse, dass man beim Zuschütten der Gräben auf diese Art - mit Entschuldigungen und so weiter - überhaupt nicht weiterkommt", prognostizierte Rohrer. Wo diese Gräben in der Frage der Corona-Maßnahmen verlaufen, rief die Publizistin noch einmal in Erinnerung: "Die Leute, die sich nicht verstanden gefühlt haben, sind zur FPÖ gegangen."
Für Mitterlehner ist Entschuldigung fällig
Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner äußerte, trotz seines generell nicht einfachen Verhältnisses mit seinen Nachfolgern an der ÖVP-Spitze, Verständnis für Nehammers Schritt. Es ei gut, beim Pandemie-Management Bilanz zu ziehen und Fehler zu analysieren. "Es ist aufzuarbeiten, dass Gräben aufgerissen worden sind", meinte er.
Für den größten Fehler hält Mitterlehner die in den Wintermonaten 2021/2022 vorübergehend geplante – und wieder fallen gelassene – Impfpflicht. Da seien Menschen "wirklich ausgegrenzt worden". Bei der Gruppe der Ungeimpften und der Impfpflicht-Gegner solle man sich "entschuldigen", meinte der Ex-Vizekanzler und Ex-Wirtschaftsminister.
"Vieles lief katastrophal"
Anna Svec, Sprecherin des Parteibündnisses Links, kritisierte in der Corona-Politik rückblickend "drei Jahre Krisenmanagement in Schlangenlinien". Viele Punkte seien "katastrophal schiefgelaufen". So hätte es vor einer Impfpflicht eine gute und ausführliche Aufklärungskampagne geben müssen, sagte Svec. Zu den staatlichen Corona-Hilfen meinte sie, Konzerne hätten in Summe Milliardenhilfen bekommen, arbeitende Menschen hingegen "sehr große Existenzängste gehabt". Für "die, die man Systemerhalter:innen nennt", bemängelte Svec, sei in der Frage besserer Arbeitsbedingungen und höherer Löhne bis heute nichts Substanzielles getan worden.
Zusammenfassung
- Ex-Vizekanzler Mitterlehner, Publizistin Rohrer und Anna Svec vom Bündnis Links diskutierten in "WildUmstritten" auf PULS 24 über das Versöhnungsangebot von Kanzler Nehammer.