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Nachbar in Not ruft zu Spenden vor Winter in der Ukraine auf

Nach über zweieinhalb Jahren Krieg sind mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in der Ukraine auf Hilfe angewiesen. Die gezielte Zerstörung der Energie-Infrastruktur durch russische Angriffe werde man diesen Winter besonders spüren, warnte Andreas Knapp, der Vorstandsvorsitzende von Nachbar in Not, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. An die aktuelle Bundesregierung appellierte er, den Katastrophenfonds zu erhöhen.

"Oftmals sind es ältere Menschen, die nicht fliehen konnten und die jetzt vor dem Nichts stehen. Ihre Häuser sind zerstört, die Söhne im Krieg, die Töchter mit den Enkelkindern geflohen. Ich habe ein Pensionisten-Ehepaar kennengelernt, das mehrere Wintermonate in einem Stall unterkommen musste. Diese Menschen brauchen warme, altersgerechte und sichere Unterkünfte - sie brauchen unsere Unterstützung", betonte Knapp. So sei der Blackout am 26. August in Kiew, wovon rund acht Millionen Menschen betroffen gewesen seien, als bei Temperaturen von über 40 Grad keine Klimaanlagen verfügbar gewesen seien, ein "trauriger Vorgeschmack auf diesen Winter" gewesen, so Knapp.

Nachbar in Not helfe daher mit Heizmaterial und stelle mobile Öfen zur Verfügung, da aufgrund der zahlreichen Minen die Gefahr, im Wald Holz zu sammeln, mittlerweile viel zu groß sei. Im vergangenen Jahr konnten mit Hilfe der Bundesregierung rund 500 Notstromaggregate angeschafft werden, erzählte Knapp. Zudem helfe man bei Reparaturen, "um sicherzustellen, dass die Menschen wenigstens einen beheizbaren Raum haben".

Ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der Menschen in Ukraine zu legen, sei jetzt wichtiger denn je, betonte Michael Opriesnig, der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK). Seit Beginn des Krieges habe es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 2.000 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen gegeben, 1.200 seien zerstört worden. "Wo Heizung oder Wasserversorgung ausfallen, nehmen Krankheiten zu. Neben unseren mobilen Gesundheitsteams, die Menschen selbst weit abseits der Städte behandeln, mit Medikamenten versorgen und sie in Gesundheitszentren transportieren, haben wir diesen Winter auch Wasser- und Sanitärfahrzeuge im Einsatz. Mit ihnen können wir im Notfall Trinkwasser aufbereiten und eine Dusch- und Waschmöglichkeit bieten."

Derzeit seien 124 mobile Gesundheitsdienste, oft umgebaute Rettungswägen, in der Ukraine im Einsatz, um die Menschen mit Medikamenten zu versorgen und notfalls in Gesundheitseinrichtungen zu transportieren, berichtete Opriesning. In den nächsten Wochen würden 15 weitere Fahrzeuge hinzukommen. Die Situation sei jedenfalls nach wie vor dramatisch, so müssten die Menschen mehrmals täglich in die Bunker, auch in der Nacht. "14,6 Mio Menschen in der Ukraine sind auf humanitäre Hilfe angewiesen", sagte der ÖRK-Generalsekretär und forderte zugleich die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein, denn Zivilpersonen und Gesundheitseinrichtungen müssten geschützt werden.

Pius Strobl, der ORF-Leiter von Nachbar in Not, warnte, dass der Aufbau funktionierender medizinischer und staatlicher Strukturen, die durch den Krieg zerstört worden seien, in der Ukraine noch Jahre dauern werde. "Die Hilfsbereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher war von Anfang an überwältigend", sagte Strobl weiters. So seien bisher 111 Millionen Euro aus Österreich an Hilfsgeldern geflossen. In zehn Jahren Hilfe angesichts des Jugoslawien-Krieges seien es 120 Millionen Euro gewesen, der Bedarf in der Ukraine vor Ort sei aber noch um ein Vielfaches höher.

2,7 Mio. Menschen in der Ukraine hätten Hilfe aus Österreich erhalten, aber es zähle weiterhin "jeder Cent". "Wenn sie helfen, können sie sicher sein, dass ihre Hilfe ankommt", so Strobl, denn Nachbar in Not - bestehend aus Caritas, dem Rotem Kreuz, dem Arbeiter-Samariter-Bund, CARE, der Diakonie, dem Hilfswerk, Malteser und der Volkshilfe - sei eine sehr transparente Organisation. "Jetzt, wo der Winter vor der Tür steht, ist es wichtig, die Menschen nicht im Stich zu lassen."

Der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, dankte den Österreicherinnen und Österreichern für ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und bat darum, in dieser Hilfe nicht nachzulassen. Die Hilfe gebe den Menschen Hoffnung und stärke sie in ihrem Kampf ums Überleben, so Chymynez.

ribbon Zusammenfassung
  • Mehr als 40% der ukrainischen Bevölkerung sind auf Hilfe angewiesen, da russische Angriffe die Energie-Infrastruktur zerstört haben. Nachbar in Not ruft zu Spenden auf, um Heizmaterial und mobile Öfen bereitzustellen.
  • Der Blackout in Kiew im August, der rund acht Millionen Menschen betraf, war ein Vorzeichen der Herausforderungen des kommenden Winters. 14,6 Millionen Menschen in der Ukraine sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
  • Österreich hat bisher 111 Millionen Euro an Hilfsgeldern gespendet, wodurch 2,7 Millionen Menschen Hilfe erhielten. Der ukrainische Botschafter betont die Wichtigkeit der fortgesetzten Unterstützung.