APA/HARALD SCHNEIDER

Missbrauch: Schutz-Standards für Kindergärten gefordert

Nach ein Pädagoge unter Verdacht steht, in einem städtischen Kindergarten in Wien-Penzing Kinder sexuell missbraucht zu haben, fordern Kinderschutzorganisationen verpflichtende Standards für den Kinderschutz.

Übergriffe und Gewalt können überall dort passieren, wo Erwachsene mit Kindern zusammenleben oder arbeiten - im nahen Umfeld der Kinder sowie in Organisationen und Institutionen, in denen Kinder untergebracht sind bzw. unterrichtet und beaufsichtigt werden. Laut der Österreichischen Kinderschutzzentren und der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung (ECPAT Österreich) könnten Organisationen und Institutionen dieses Risiko jedoch minimieren, indem sie ein umfassendes Kinderschutzkonzept entwickeln. Selbst wenn ein Restrisiko bleibe, so seien die Maßnahmen in einem Kinderschutzkonzept ein bewährtes Mittel im institutionellen Kinderschutz.

"Kinderschutzkonzepte fußen auf einer umfassenden Risikoanalyse und präventiven Maßnahmen im Personalwesen, wie Einstellungskriterien, einem erweiterten Strafregisterauszug sowie einem Verhaltenskodex, dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer Unterschrift zustimmen. Sie umfassen auch das gesamte Beschwerdewesen und Maßnahmen die interne und externe Kommunikation betreffend und regeln das Vorgehen bei Verdacht auf Gewalt", erklärte ECPAT-Geschäftsführerin Astrid Winkler.

Abläufe für Verdachtsfälle definieren

Konzepte würden auch für klar geregelte Vorgehen bei Verdachtsfällen sorgen. "In einem Kinderschutzkonzept wird das Vorgehen im Verdachtsfall vorab detailliert überlegt und geplant und zwar individuell von jeder Organisation für unterschiedliche Szenarien", führte Martina Wolf, Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, weiter aus. Dazu zähle, dass Mitarbeitende zwischen Grenzverletzung und Gewalt unterscheiden können und wissen, an wen sie sich bei einem "internen Verdacht" (gegen eine mitarbeitende Person) wenden könnten, wer worüber zu informieren sei und welche Schritte der Reihe nach zu setzen seien.

Ein solcher Notfalls- oder Krisenplan würde auch klar zeigen, in welchen Situationen es Unterstützung von außen, etwa durch eine Opferschutzorganisation brauche. Kommunikation nach innen und in Richtung der Eltern, die ihre Kinder einer Organisation anvertrauen, sei hier ein wesentlicher Teil und Transparenz eine wichtige Grundhaltung im Kinderschutz, wurde betont. "Ziel ist es, das betroffene Kind und etwaige mittelbar und unmittelbar mitbetroffene Kinder immer im Blick zu behalten und die Organisation zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen", unterstrich Wolf.

Weitere Missbrauchsfälle vermutet

Anfang der Woche wurde bekannt, dass in einem städtischen Kindergarten vor 13 Monaten ein Pädagoge ein Kind mutmaßlich missbraucht haben soll, mittlerweile könnte es zwei weitere mögliche Fälle geben. Nach Bekanntwerden wurde die Staatsanwaltschaft eingesetzt und der Mann versetzt. Die Eltern der anderen Kinder erhielten jedoch keine Information, das geschah erst kürzlich. Im Auftrag der Stadt prüft nun eine Kommission den Fall und mögliche Fehler, am gestrigen Mittwoch traf sich das Gremium erstmals.

Am Donnerstagabend ein Elternabend für die Familien vom betroffenen Standort angesetzt. Dieser soll auf Bitte der Eltern unter Ausschluss der (Medien-)Öffentlichkeit stattfinden.

Eltern fühlen sich alleingelassen

Der Umgang der Stadt bzw. der für die Kindergärten zuständigen Magistratsabteilung 10 (MA 10) in der Sache, sorgt seit Tagen für scharfe Kritik. Einerseits geht es um den Umstand, dass die Eltern erst jetzt, so viele Monate später, über den Missbrauchsverdacht informiert wurden, andererseits fühlen sich Eltern nun offenbar mit der Situation allein gelassen.

Kritik: "Es geschieht nichts"

"Es bräuchte jetzt in erster Linie Hilfe für die Kinder, aber es geschieht nichts", sagte eine Mutter, die anonym bleiben möchte und deren Kind zeitweise vom verdächtigten Pädagogen betreut worden sein soll, der Tageszeitung "Presse" (Donnerstag). Die MA 10 sei nicht erreichbar und wenn, dann werde man nur auf allgemeine Telefonnummern vertröstet. Aktiv gemeldet habe sich bei ihr niemand. "Wir haben nur einen Flyer von einem auf sexuelle Gewalt spezialisierten Verein erhalten, wo steht, wie wir jetzt mit unseren Kindern umgehen sollen", ärgerte sie sich in der "Presse".

Die Leiterin der MA 10, Daniela Cochlar, wies in den vergangenen Tagen Vertuschungsvorwürfe zurück. So sagte sie Medienberichten zufolge, es werde von Fall zu Fall entschieden, wie informiert werde. Im Gespräch mit der APA betonte Cochlar, dass man das Beste tue, um Licht in die Sache zu bringen: "Wir nehmen das wirklich ernst."

Inzwischen hat sich auch ein Rechtsanwalt eingeschaltet. Johannes Bügler vertritt mittlerweile fünf Elternpaare, deren Kinder in der betroffenen Einrichtung betreut würden. Den Schilderungen der Eltern zufolge würden die Kinder Symptome eines möglichen Missbrauchs zeigen. Ob unter seinen Mandaten jene drei mutmaßlichen und bisher bekannten Fälle seien, wisse er noch nicht, wie er der APA sagte, da er noch keine diesbezüglichen Akten einsehen hätte können.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach ein Pädagoge unter Verdacht steht, in einem städtischen Kindergarten in Wien-Penzing Kinder sexuell missbraucht zu haben, fordern Kinderschutzorganisationen verpflichtende Standards für den Kinderschutz.
  • Konzepte würden auch für klar geregelte Vorgehen bei Verdachtsfällen sorgen.
  • Ein solcher Notfalls- oder Krisenplan würde auch klar zeigen, in welchen Situationen es Unterstützung von außen, etwa durch eine Opferschutzorganisation brauche.
  • Kommunikation nach innen und in Richtung der Eltern, die ihre Kinder einer Organisation anvertrauen, sei hier ein wesentlicher Teil und Transparenz eine wichtige Grundhaltung im Kinderschutz, wurde betont.