Letzte Bundestagssitzung vom deutschen Wahlkampf geprägt
"Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen", sagte Scholz. Damit stelle er auch das "stolze Erbe" der früheren CDU-Kanzler Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel infrage. Im Umgang mit der AfD warf er dem CDU-Vorsitzenden "unverantwortliche Zockerei" vor. Merz dagegen bot allen Parteien der "demokratischen Mitte" für die Zeit nach der Wahl am 23. Februar die Zusammenarbeit an, um extreme Kräfte von links und rechts zurückzudrängen.
Scholz stimmte die Bürger auf schwierige Zeiten ein, versuchte aber gleichzeitig Zuversicht zu verbreiten. "Der Wind weht derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht grundlegend ändern", sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Er verwies auf die Belastungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Probleme der Wirtschaft, die Inflation und die soeben von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle. Er verspreche den Bürgerinnen und Bürgern nicht das Blaue vom Himmel, betonte er. "Aber was ich den Bürgerinnen und Bürgern verspreche, ist: Wir kommen da gemeinsam durch! Wir kommen da durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen."
Die Attacken des Kanzlers gegen Merz bezogen sich erneut vor allem auf den Eklat Ende Jänner, als Merz mit den Stimmen der AfD einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration durch den Bundestag brachte. Scholz warf Merz vor, sein Wort, solche Mehrheiten zu vermeiden, im Affekt gebrochen zu haben. "Sie haben gezielt auf die Zustimmung der extremen Rechten gesetzt, um Ihre demokratischen Mitbewerber niederzustimmen." Das seien ungute Zeichen für die Zeit nach der Wahl. "Deshalb geht es am 23. Februar darum, eine Mehrheit aus CDU, CSU und AfD unbedingt zu verhindern. Deshalb geht es darum, Schwarz-Blau unmöglich zu machen."
Merz: Scholz baut "Popanz" auf
Merz wies die Spekulationen des Kanzlers über eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD erneut zurück. "Es kommt nicht infrage, und dabei wird es natürlich auch bleiben", sagte er. An Scholz gerichtet sagte er: "Es ist ein Popanz, den sie hier aufbauen, und sie wissen es natürlich."
Der Unions-Kanzlerkandidat nutzte seine Rede für eine Generalabrechnung mit drei Jahren Regierungsarbeit vor allem von SPD und Grünen - die FDP verschonte er. Scholz und sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kämen ihm so vor wie zwei angestellte Geschäftsführer, die ein Unternehmen vor die Wand gefahren hätten und anschließend den Eigentümern vorschlagen würden: "Wir würden das jetzt gerne nochmal vier Jahre so weiter machen."
Die Regierung hinterlasse ein "schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. "Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr", rief Merz in Richtung Scholz.
Weidel wirft Merz Wählertäuschung vor
AfD-Co-Chefin Alice Weidel warf Merz vor, Wählertäuschung zu betreiben. "Sie werden mit SPD und Grünen nichts von Ihren Versprechen umsetzen können", sagte sie in der Bundestagsdebatte mit Blick auf mögliche Koalitionen nach der Wahl. Weidel bot der Union erneut die Zusammenarbeit an und forderte unter anderem, den Euro abzuschaffen und durch eine nationale Währung zu ersetzen.
Habeck warnt vor Aufgabe der Klimaschutzziele
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warf der Union das Fehlen von Zukunftsthemen in ihrem Wahlprogramm vor: "Das ist alles nur Wiederholung der 80er Jahre", sagt Habeck. Er warnte vor einer Aufgabe der Klimaschutzziele Deutschlands bei einem Wahlsieg der Union. Die Welt könne zwar verkraften, dass die USA unter Trump für einige Jahre aus dem Weltklimaabkommen ausscheiden. Aber Deutschland verliere seine Glaubwürdigkeit, wenn es sich von Klimaschutzanstrengungen verabschiede. Habeck kritisierte, dass Klima und Bildung auch in der TV-Debatte zwischen Scholz und Merz überhaupt keine Rolle gespielt haben.
Lindner konstatiert "erschütternde Ideenlosigkeit"
FDP-Chef Christian Lindner warf Scholz und Merz vor, in der Wirtschaftspolitik planlos zu sein. Das TV-Duell der beiden am vergangenen Sonntag sei geprägt gewesen von einer "erschütternden Ideenlosigkeit" mit Blick auf die erforderliche Wirtschaftswende in Deutschland, zitierte das "Handelsblatt" Lindner in seiner Rede vor dem Bundestag. Es sei eine "erschreckende Aussicht, dass Sie beide das Land miteinander regieren könnten", sagt der FDP-Chef an Scholz und Merz gerichtet.
Neuer Bundestag wird deutlich kleiner sein
Zwölf Tage vor der Bundestagswahl verabschiedet sich das Parlament mit dieser Sitzung. Die erste Sitzung des neuen Bundestags findet spätestens 30 Tage nach der Wahl statt. Dann beginnt die neue Wahlperiode, die Regierung Scholz ist nur noch geschäftsführend im Amt.
Unabhängig vom Ausgang der Wahl steht bereits fest, dass das neue Parlament erheblich kleiner sein wird als das bisherige. Das neue, von der Ampel-Koalition beschlossene Wahlrecht begrenzt die Größe auf 630 Abgeordnete. Bei der Wahl 2021 waren noch 736 Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. Möglich wird die Verkleinerung dadurch, dass es jetzt keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt.
Scholz für Wagenknecht "Kanzler des Abstiegs"
Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek attestierte der Regierung eine "katastrophale Bilanz" bei den Themen Mieten und Lebensmittelpreise. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nannte Scholz einen "Kanzler des Aufschwungs", wenn es um Themen wie Lebensmittelpreise, Energiekosten oder Umfragewerte der AfD gehe. "Aber Sie sind ein Kanzler des Abstiegs für die große Mehrheit der Menschen in unserem Land."
Zusammenfassung
- In der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl am 23. Februar lieferten sich Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz heftige Wortgefechte, insbesondere zu Migration und AfD-Zusammenarbeit.
- Merz versprach erneut, nicht mit der AfD zu koalieren, während AfD-Chefin Weidel ihm Zusammenarbeit anbot und forderte, den Euro abzuschaffen.
- Scholz warnte vor wirtschaftlichen Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg, Inflation und Trumps Strafzölle, versprach jedoch den Bürgern, gemeinsam durch die Krise zu kommen.
- Der neue Bundestag wird mit 630 Abgeordneten deutlich kleiner sein als der bisherige mit 736 Abgeordneten.
- Lindner kritisierte die Ideenlosigkeit von Scholz und Merz in der Wirtschaftspolitik, während Habeck vor dem Verlust der Klimaschutzziele bei einem Wahlsieg der Union warnte.