APA/APA/TOBIAS STEINMAURER/TOBIAS STEINMAURER

Klimaschutz trotz vieler Umsetzungen Zankapfel der Koalition

Wie kaum ein anderes hat das Thema Klimaschutz in letzter Zeit für Verwerfungen in der schwarz-grünen Regierung gesorgt. Die verschiedenen Ansichten der Koalitionspartner traten etwa beim Alleingang von Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der EU-Renaturierungsverordnung und beim Thema Verkehr zu Tage. In Österreich wurde klimapolitisch vieles umgesetzt, einige Vorhaben - am prominentesten das Klimaschutzgesetz - bleiben zwei Monate vor der Nationalratswahl offen.

Während die Grünen als Ökopartei schlechthin gelten, hatte die ÖVP zuletzt einen "Klimaschutz mit Hausverstand" propagiert, bei dem auch die Industrie im Vordergrund steht. So hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) etwa immer wieder die Bedeutung der Autoindustrie für Österreich betont. Erst diese Woche bezeichnete er die Politik der Grünen im Bereich Verkehr als "dogmatisch gesteuert". Mit Verweis auf das Klima hatte Gewessler beispielsweise den Bau der Lobau-Autobahn und ihres Tunnels unter einem Naturschutzgebiet auf Eis gelegt.

Auch in Brüssel hinterließ Österreich im Zusammenhang mit dem Thema Klima wohl nicht immer einen positiven Eindruck. Nicht einmal der vor einem Jahr fällige Entwurf für den nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) wurde eingereicht, weswegen die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet hat. Eine von Gewessler nach Brüssel geschickte Version wurde von Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) mit der Begründung wieder zurückgezogen, sie sei nicht mit der Regierung abgestimmt worden. Bis Ende des Sommers soll der Plan fertig werden - "das ist möglich und realistisch", hieß es aus dem Klimaministerium gegenüber der APA. Für Furore und eine Anzeige wegen Machtmissbrauchs seitens der ÖVP sorgte Gewessler auch mit ihrem "Ja" zur EU-Renaturierungsverordnung, gegen die sich die meisten Bundesländer und die Volkspartei zuvor ausgesprochen hatten.

Offen bleibt bis zuletzt das Klimaschutzgesetz, erst diese Woche forderte die SPÖ erneut dessen Vorlage. Seit die alte Version des Gesetzes mit dem klingenden Namen ausgelaufen ist - nämlich Ende 2020 - gibt es keine gesetzlich vorgegebenen Treibhausgas-Reduktionsziele mehr. Damit sollte der Weg zur Klimaneutralität 2040, die sich die Regierung ebenfalls als Ziel gesteckt hat, geebnet werden. Eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode ist unwahrscheinlich. Laut Klimaministerium wird weiterhin intensiv an einer Einigung zur konkreten Ausgestaltung gearbeitet. Maßnahmengesetze, die die Emissionen in der Praxis senken, seien aber bereits in Kraft.

Auch der Bodenverbrauch ruft immer wieder Kritik hervor. Gegen das im Regierungsprogramm verankerte Ziel, diesen auf 2,5 Hektar pro Tag zu bremsen, sprachen sich etwa Bundesländer und Gemeindebund aus. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) hatte sich zuletzt überzeugt gezeigt, den Wert auch ohne verbindliche Ziele zu erreichen. Laut WWF-Bodenreport werden aktuell allerdings 12,1 Hektar täglich Opfer von "Flächeninanspruchnahme". Keine Reform gab es beim Pendlerpauschale, das laut Regierungsprogramm ökologisiert werden sollte. Das Institut für Höhere Studien (IHS) sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfahlen kürzlich, bei dieser klimaschädlichen Subvention einzusparen bzw. sie zu reformieren.

Problematisch wurde es teilweise dann, wenn die Zustimmung von mehr als zwei Parteien notwendig war. Das Biogas-Gesetz sollte eigentlich Gasversorger verpflichten, fossiles Erdgas schrittweise durch Biogas zu ersetzen. Es scheiterte in der Nationalratssitzung im Juli an einer Zweidrittelmehrheit, weder SPÖ noch FPÖ wollten mit der Regierung mitziehen. Die Umsetzung sei noch möglich, wenn die SPÖ, die sich erst kurz vor dem geplanten Beschluss gegen das Gesetz entschied, an den Verhandlungstisch zurückkehrt, hieß es aus Gewesslers Ministerium auf die Frage, ob in der letzten regulären Nationalratssitzung vor der Wahl noch klimapolitische Beschlüsse fallen sollen. Nur in einer "Light"-Variante - nämlich ohne Zweidrittelmehrheit - konnte das Energieeffizienzgesetz beschlossen werden. Es soll zu einer Energieeinsparung von 18 Prozent bis 2030 führen, die Bundesländer können bei der Verpflichtung zum Sparen nicht einbezogen werden.

Noch offen ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das Genehmigungsverfahren für die erneuerbare Stromerzeugung verkürzen und Hürden aus dem Weg räumen soll. Der Gesetzesentwurf sei dem Koalitionspartner im Februar übermittelt worden, die regierungsinterne Abstimmung laufe, so das Klimaministerium. Für den Beschluss ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.

Allerdings konnte im Energiebereich auch einiges vollinhaltlich umgesetzt werden. Die SPÖ verhalf beim Erneuerbaren-Wärme-Gesetz und beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zur Zweidrittelmehrheit. Mit Ersterem wurden Öl- und Gasheizungen mit 2024 im Neubau verboten, Zweiteres soll Österreich bis zum Jahr 2030 bilanziell zu 100 Prozent Ökostrom verhelfen, indem jährlich eine Milliarde Euro in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird.

Mit der ökosozialen Steuerreform konnte die Regierung ein weiteres Prestigeprojekt durchsetzen. Seit Mitte 2022 müssen die Österreicherinnen und Österreicher eine zusätzliche Steuer für ihren CO2-Ausstoß zahlen. Bis 2025 soll der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 auf 55 Euro ansteigen, 2024 liegt er bei 45 Euro. Die CO2-Steuern noch zu erhöhen, hatte kürzlich die OECD empfohlen. Der ebenso eingeführte jährliche Klimabonus soll die Belastung der Steuer für die Bevölkerung dämpfen. Umgesetzt wurden in der Legislaturperiode weiters das Klimaticket für fast alle Öffis in Österreich sowie eine Novelle bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die Vorhaben der Energiewende beschleunigen soll. Gestoppt wurde das Pilotprojekt der türkis-blauen Regierung zu Tempo 140 auf Autobahnen.

Insgesamt sieht das Klimaministerium Österreich "erstmals auf Kurs zur Klimaneutralität 2040". Für 2023 hat das Umweltbundesamt ein Minus von 5,3 Prozent bei den Treibhausgasemissionen prognostiziert, 2022 gab es bereits ein Minus von 5,8 Prozent.

ribbon Zusammenfassung
  • Das Klimaschutzgesetz ist seit Ende 2020 ausgelaufen, und es gibt keine neuen gesetzlich vorgegebenen Treibhausgas-Reduktionsziele mehr. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode ist unwahrscheinlich.
  • Das Biogas-Gesetz scheiterte an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Das Energieeffizienzgesetz wurde in einer abgeschwächten Form ohne Zweidrittelmehrheit verabschiedet.
  • Mit der ökosozialen Steuerreform führte die Regierung eine CO2-Steuer ein, die bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne CO2 ansteigen soll. Der jährliche Klimabonus soll die Belastung der Steuer für die Bevölkerung dämpfen.