Karner über "permanente Verluste" der russischen Armee
Am Freitag hat sich im Verlauf des Nachmittags der militärische Konvoi vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew erstmals seit gut eineinhalb Wochen in Bewegung gesetzt. Der britische Geheimdienst geht aufgrund der Bewegungen von einem baldigen Angriff auf Kiew aus.
Der Angriff auf die Hauptstadt
"Ich bin mir da nicht so sicher", meint Karner und erklärt, dass es auch schon in den letzten Tagen und Wochen öfters geheißen habe, "jetzt passiert etwas". Der Militärexperte bestätigt aber, dass "die Dinge um Kiew in Bewegung gekommen" sind. Der Konvoi habe sich "aufgefächert" und bereit zum Angriff aufgestellt – "vor allem westlich von Kiew".
Man ist allerdings "nicht sehr viel weiter" an Kiew vorgerückt als zuvor. "Man befindet sich immer noch zirka 15 Kilometer vor der Hauptstadt", analysiert Karner. Für den Offizier sei das "ein ganz normales Verhalten, wenn man sich für einen Angriff bereit macht".
Militärexperte Gerald Karner über das österreichische Bundesheer und Söldner in der Ukraine.
Von Nordosten rücken weitere russische Truppen auf die Hauptstadt zu. Für Karner muss man nun "sehen, ob die russische Seite auf diese Verstärkung" abwartet oder nicht.
Die Festung Kiew
Im Zuge eines möglichen Angriffs auf Kiew wird auch immer wieder davon gesprochen, dass man aus der Hauptstadt eine Festung machen werde – so unter anderem vom Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko angekündigt. Das stimme zwar, meint Karner. Man dürfe sich dies allerdings nicht wie eine "ummauerte Festung wie vor hunderten von Jahren" vorstellen.
Durch die Verteidigungsstellen rund um Kiew, gesprengte Brücken und zerstörte Tunnel sowie "auch der Flutung eines großen Teiles der Umgebung" stellt sich die Hauptstadt als "schwer einnehmbar dar". Im Kalten Krieg hat es so etwas auch in Österreich gegeben, "das sogenannte Abwehrsystem Donau hätte die Flutung des Donauraums ermöglicht", führt der Militärexperte aus.
Putin "nicht richtig informiert"
International mehren sich die Meldungen, dass die russischen Truppen große Probleme haben: Desertierende Soldaten, ein Mangel an Treibstoff, Ersatzteilen und Verpflegung sowie chaotische Kommunikation. Für Karner zeigt sich, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin "offensichtlich (...) nicht richtig informiert" fühlt – vor allem, was die Planung vor dem Angriff auf die Ukraine betrifft. "Die Schuldigen findet Putin nun auf den unteren Befehlsebenen", erklärt Karner. Kommandeure werden bestraft und ersetzt – so wurden bereits zwei Geheimdienst-Direktoren unter Hausarrest gestellt sowie mehrere Generäle von der Front abgezogen.
"Es gibt Anzeichen, dass die russische Armee permanent Verluste einfährt", führt der Offizier aus. Dies betreffe sowohl verletzte oder getötete Soldaten sowie zerstörtes Kriegsmaterial. Karner vermutet, dass die russischen Streitkräfte "wesentlich mehr" verlieren, als sie und besonders Putin das wollten.
"Kommunikatives Desaster"
Russland greife auch gezielt ziviles Gebiet an, analysiert Karner. "Das geschieht vor allem in Mariupol", aber auch in vielen anderen Ortschaften. Mariupol sei aktuell "isoliert", so Karner. "Abgeschnitten, wahrscheinlich eingeschlossen – allerdings nicht eingenommen", erklärt er. Hier bahnt sich laut dem Offizier bald eine "furchtbare humanitäre Katastrophe" an. "Die Flucht der Zivilbevölkerung ist nicht erfolgt und Russland wird alles tun, um Mariupol jetzt einzunehmen und die Landbrücke" in die Separatistengebiete im Osten zu schließen. Laut Karner befinden sich hier noch ungefähr 200.000 Zivilisten.
Karner sieht in den Operationen der letzten Tage ein "kommunikatives Desaster". Verschiedene russische Behörden und Politiker geben unterschiedliche Informationen über Beschüsse und Angriffe. Dem gegenüber stehen die "brutalen Bilder" von zerstörten Krankenhäusern und verletzten Menschen, meint der Offizier abschließend.
Zusammenfassung
- Gerald Karner, Offizier und Militärexperte, analysiert im Newsroom LIVE die neuesten Entwicklungen der russischen Invasion in der Ukraine.
- Er ist sich unsicher, ob es bald zu einem Angriff auf Kiew kommen wird und sieht ein "kommunikatives Desaster" für den Kreml.
- International mehren sich die Meldungen, dass die russischen Truppen große Probleme haben: Desertierende Soldaten, ein Mangel an Treibstoff, Ersatzteilen und Verpflegung sowie chaotische Kommunikation.
- Für Karner zeigt sich, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin "offensichtlich (...) nicht richtig informiert" fühlt – vor allem, was die Planung vor dem Angriff auf die Ukraine betrifft.