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Studie zur Inseratenaffäre: Sebastian Kurz öfter in Berichten erwähnt

Ein Forschungsteam der Universitäten Wien und Freiburg hat die Inseratenaffäre rund um Sebastian Kurz untersucht. Die Ergebnisse der Studie liefern "auffällige Abweichungen" bezüglich Sichtbarkeit von und Tonalität gegenüber Sebastian Kurz auf oe24 nach der mutmaßlichen Abmachung.

Rund um Inseratenschaltungen des Finanzministeriums unter Ex-Generalsekretär Thomas Schmid ermittelt seit einiger Zeit die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). 

Der Verdacht lautet unter anderem, dass für die wohlwollende Berichterstattung mehr Werbegeld an die Tageszeitung "Österreich" bzw. "oe24" geflossen sein soll.

Ein Forschungsteam der Universitäten Wien und Freiburg soll nun in einer Studie "auffällige Abweichungen" bezüglich Sichtbarkeit von und Tonalität gegenüber Sebastian Kurz auf oe24 nach der mutmaßlichen Abmachung gefunden haben.

Versuch der "Medienkontrolle"

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht würde so eine Vorgehensweise als Versuch der "Medienkontrolle" eingestuft werden, erklärte einer der Hauptautoren der Analyse, Jakob-Moritz Eberl, gegenüber der APA.

Auch aufgrund steigenden finanziellen Drucks auf Medienhäuser durch wegbrechende Werbeeinnahmen werden auch in demokratischen Ländern - wie Australien, Argentinien oder Spanien - mehr Stimmen laut, die vor solchen Gefahren warnen bzw. die Vorwürfe bezüglich solcher Mechanismen erheben.

In Österreich spielen Inseratschaltungen seitens der öffentlichen Hand, wie etwa von Ministerien, traditionell eine eher große Rolle in der Finanzierung mancher Medien - insbesondere von Boulevard-Blättern, wie die Wissenschaftler von der Universität Wien und der Universität Freiburg in ihrer Arbeit schreiben.

Die Studie wurde vor kurzem auch in der Fachzeitschrift The International Journal of Press/Politics veröffentlicht.

Eindeutiges Ergebnis bei der Studie

Die Forscher verglichen mit einem aufwendigen, aus den Wirtschaftswissenschaften stammenden statistischen ("Difference-in-differences") Ansatz, "grob gesagt die Trends in der Berichterstattung in oe24 mit anderen Medien im Zeitverlauf, um den potenziellen Effekt der mutmaßlichen Absprachen zu ermitteln.

Unterschiedliche Definitionen der Vergleichsmedien liefern dabei stets ein eindeutiges Ergebnis: Die Berichterstattung über Sebastian Kurz in oe24 ging im Zeitraum nach den vermeintlichen Absprachen stark nach oben", wird Martin Huber, Professor für Angewandte Ökonometrie und Politikevaluation der Uni Fribourg/Freiburg, in einer Aussendung der beteiligten Unis zitiert.

Für die Studie erhob man Daten aus insgesamt fast 223.000 Artikeln in 17 heimischen Online- und Printmedien im Zeitraum zwischen 2012 bis 2021.

Da mittlerweile auch Absprachen zwischen Schmid mit "Heute" und der "Kronen Zeitung" im Raum stehen, wurden diese beiden Medien sowie der Online-Auftritt der "Krone" nur in einen Teil der Berechnungen einbezogen.

Plus bei Erwähnungen zwischen 50 und 100 Prozent

Deren Fokus lag auf Nennungen von Reinhold Mitterlehner als damaligem ÖVP-Chef, den drei SPÖ-Chefs in dem Untersuchungszeitraum, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Kurz selbst.

Die Auswertung zu den Erwähnungen - der Sichtbarkeit - der Persönlichkeiten berechnete man mit verschiedenen Methoden im Vergleich zu anderen Medien.

So kam man auf ein Plus bei den Erwähnungen von Kurz zwischen 50 und 100 Prozent in oe24 nach den mutmaßlichen Absprachen ab dem Jahr 2016, das "nicht mit dem Verhalten desselben Mediums in der Zeit davor erklärbar ist", sagte Eberl.

Ein Resultat, das das Team als "sehr stabil" bezeichnet, auch weil ein Abflachen dieses Effekts laut dem Forscher erst um das Jahr 2021 zu beobachten sei. Allerdings: Selbst in diesem Jahr bleibe der statistische Effekt im Vergleich zu den Jahren vor 2016 signifikant.

Negative Berichte über andere Politiker

Bei der ebenfalls mit maschineller Unterstützung in der Unzahl an Artikeln erhobenen Tonalität gegenüber den politischen Akteuren zeigte sich zwar keine deutliche Aufhellung bei oe24 gegenüber Kurz, aber eine leichte Zunahme von Berichten mit eher negativerer Note gegenüber den anderen Politikern, die im Fokus der Studie standen.

"Bei der Tonalität müssen wir statistisch vorsichtiger sein, weil die Effekte nicht ganz so deutlich sind wie bei der Sichtbarkeit", betonte Eberl.

Die Studienautoren wollen ihre wissenschaftliche Publikation keineswegs wie eine Art Gutachten gelesen sehen, wie Eberl gegenüber der APA betonte.

Man sehe in der Analyse, die ein "Was-wäre-wenn-Szenario" abbilde, lediglich "Muster, die grundsätzlich mit diesen Vorwürfen zusammenpassen. Es ist kein Beweis dafür, dass diese Absprachen stattgefunden haben".

Thematik zu Regierungsinseraten braucht mehr Aufmerksamkeit

Bildlich gesprochen sehe man zwar "den Rauch. Das lässt grundsätzlich darauf schließen, dass es vielleicht auch ein Feuer gab. Aber komplett ausschließen, dass es andere Beweggründe gab, können wir de facto nicht."

Unabhängig von der noch ausstehenden juristischen Bewertung der Causa sei klar, dass die Thematik des Umgangs mit Regierungsinseraten in Österreich und anderen Ländern aus demokratiepolitischer Sicht mehr Zuwendung braucht.

So sollte man über Regulationen nachdenken, "dass so etwas nicht mehr möglich ist und so ein Verdacht nicht entstehen kann", so Eberl.

Das könnte zum Beispiel "ein klares Regelwerk" sein, das transparent und verbindlich aufdröselt, welches Medium welche Zuwendungen erhält. Das würde ungesunde bis illegale Abhängigkeiten zwischen der Politik und Medien hintanhalten, so der Kommunikationswissenschaftler.

Video: Ex-Kanzler Sebastian Kurz schuldig gesprochen

ribbon Zusammenfassung
  • Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersucht mutmaßliche Inseratenschaltungen des Finanzministeriums für positive Berichterstattung auf oe24.
  • Eine Studie zeigt auffällige Abweichungen in der Berichterstattung über Sebastian Kurz auf oe24 nach den angeblichen Absprachen.
  • Die Erwähnungen von Kurz stiegen zwischen 50 und 100 Prozent auf oe24 nach 2016, was nicht mit früherem Verhalten des Mediums erklärbar ist.
  • Die Forscher analysierten fast 223.000 Artikel aus 17 österreichischen Medien zwischen 2012 und 2021 mit einem Difference-in-differences Ansatz.
  • Die Studie sieht sich nicht als Beweis, sondern als Hinweis auf mögliche Muster in der Medienberichterstattung.