Gas-Engpass: Österreich setzt auf Kohle
Der russische Energiekonzern Gazprom hat auch am Sonntag etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich geliefert als üblich. "Die derzeitigen Einschränkungen der Gaslieferungen aus Russland stehen auf demselben Niveau des Vortages", hatte die OMV am Sonntagvormittag mitgeteilt. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte deshalb für Sonntagabend das kleine Krisenkabinett der Regierung einberufen, an dem neben Nehammer auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) teilnahmen.
Zurück zur Kohle
Nach der Sitzung wurden via Aussendung neue Maßnahmen präsentiert. Unter anderem soll das derzeit stillgelegte Fernheizkraftwerk Mellach (Steiermark) erneut so umgerüstet werden, dass im Notfall wieder Strom aus Kohle (nicht aus Gas) produziert werden kann.
Das Fernheizkraftwerk Mellach südlich von Graz war das letzte Kohlekraftwerk Österreichs. Im Frühjahr 2020 wurde dort zum letzten Mal aus Kohle Strom erzeugt. Nun soll es wieder umgerüstet werden, damit es im Notfall, wenn zu wenig Gas zur Verfügung steht, wieder Kohle verbrennen kann. Das habe die Bundesregierung mit dem Verbund-Konzern vereinbart, teilte das Bundeskanzleramt mit. Die Umrüstung werde Monate dauern, sagte Gewessler in der "ZIB 2 am Sonntag", der Verbund-Konzern arbeite mit Hochdruck daran.
Ziel sei es, die Abhängigkeit von Russland zu verringern um nicht erpressbar zu sein, sagte die Ministerin. "Das wird für Österreich Jahre dauern."
Ebenfalls wurden die bisher gesetzten Maßnahmen zur Erhöhung der Füllstände österreichischer Gasspeicher erörtert, heißt es in der Aussendung. Folgende Maßnahmen wurden gesetzt:
- Für den Ankauf einer strategischen Gasreserve in der Größenordnung von 20 Terawattstunden (mindestens 7,4 Terawattstunden davon nicht aus Russland) stehen bis zu 6,6 Milliarden Euro zur Verfügung.
- Das Gasdiversifizierungsgesetz fördert den Ankauf von nicht-russischem Gas mit bis zu 100 Millionen Euro.
- Für die heimische Industrie wurde die Möglichkeit geschaffen, selbst Gas zu bevorraten.
- Darüber hinaus gibt es finanzielle Unterstützung für Industrieunternehmen, die Gas durch andere Energieträger ersetzen
- Um die gesamte Speicherinfrastruktur nutzbar zu machen wurde eine "Use-it-or-loose-it"-Regelung auf den Weg gebracht. Speicherbetreiber werden dazu verpflichtet, ihre Speicher zu befüllen oder andernfalls an andere Betreiber abzugeben.
39 Prozent Jahresverbrauch eingespeichert
Das Klimaschutzministerium betonte, dass Österreich bereits Mitte Juni 39 Prozent seines Jahresverbrauchs in Gasspeichern eingespeichert habe. Damit liege Österreich bei der Bevorratung an zweiter Stelle in der EU. Die Speicherkapazität von rund 95 Terawattstunden (TWh) entspreche dem Bedarf eines ganzen Jahres, damit verfüge Österreich über eine der höchsten Speicherkapazitäten in der EU. In den Sommermonaten liege der Gasbedarf in Österreich bei rund 4 bis 6 Terawattstunden, in Wintermonaten bei 10 bis 12 Terawattstunden. Ziel ist es, bis zum 1. November 2022 die Speicher zu 80 Prozent gefüllt zu haben.
Nehammer: Einspeicherung läuft nach Plan
"Bisher läuft die Einspeicherung nach Plan", heißt es von Nehammer in der Aussendung. Jetzt gehe es darum, "die Reduktion des russisches Gas durch andere Quellen bzw. Lieferanten zu ersetzen, um weiterhin einen Vorrat anlegen zu können".
Unisono dazu auch Energieministerin Gewessler: "Wir treiben die Diversifizierung bei den Gaslieferungen voran, um uns Schritt für Schritt unabhängiger von russischem Gas zu machen."
Keine Notfallpläne
Kritik aus der Wirtschaftskammer, dass es noch keine Notfallpläne für den Fall eines Gaslieferstopps gebe, wies Gewessler zurück. Es gebe sehr wohl Kriterien für Energielenkungsmaßnahmen. Man könne aber die Listen der betroffenen Unternehmen nicht veröffentlichen. "Das sind börsenotierte Unternehmen. Ich kann jetzt hier im TV und in der Öffentlichkeit keine Namen dieser Unternehmen nennen, das würde unmittelbar zu Auswirkungen auf den Börsenkurs führen", o Gewessler in der "ZIB 2 am Sonntag".
Global 2000 übt Kritik an Kohlekraftwerk
Bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 stoßen die Sonntagabend bekannt gegebenen Pläne für Unbehagen, weil bei Kohlestrom rund doppelt so viel CO2 in die Atmosphäre gepumpt wird wie bei Erdgas, was die Klimakrise anheizt. Der Kauf der Kohle dürfe keine Vorentscheidung für den Einsatz sein.
"Kohle ist die klimaschädlichste Energie und führt zu gesundheitsschädlichen Quecksilberemissionen und Feinstaub", sagte der Klima- und Energiesprecher von Global 2000, Johannes Wahlmüller am Montag. "Wenn jetzt über einen möglichen Einsatz des Kohlekraftwerks in Mellach diskutiert wird, dann sollte klar sein, dass es sich nur um zeitlich eng begrenzte, akute Notfälle handeln darf", so Wahlmüller.
Die Umweltschutzorganisation drängt auf viel mehr Tempo bei der Energiewende in Österreich. Energiepolitik müsse mehr sein als Notfallmaßnahmen zu erlassen.
Zusammenfassung
- Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte aufgrund der Gas-Krise für Sonntagabend das kleine Krisenkabinett der Regierung einberufen.
- Der russische Energiekonzern Gazprom hat auch am Sonntag etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich geliefert als üblich.
- Nach der Sitzung wurden via Aussendung neue Maßnahmen präsentiert.
- Unter anderem soll das derzeit stillgelegte Fernheizkraftwerk Mellach (Steiermark) erneut so umgerüstet werden, dass im Notfall wieder Strom aus Kohle (nicht aus Gas) produziert werden kann.