"505" vs. Tschetschenen: Das steht im "Friedensvertrag"
Immer wieder kam es im Juli zu Schlägereien und Messerstechereien zwischen Syrern, die sich als "505/515er" verstehen, und Tschetschenen alias "Ches". Ein seit Jahresbeginn schwelender Konflikt war vollends eskaliert. Nun gibt es einen Friedensvertrag: eine A4-Seite mit drei Punkten, unterzeichnet von Vertretern beider Seiten.
Mit einer "Gemeinsamen Erklärung zur Förderung des Friedens und der Zusammenarbeit", die PULS 24 vorliegt, sollen die Konflikte zwischen den Jugendlichen der beiden Gruppen vorerst beigelegt sein.
Verhandelt wurde das Papier unter anderem von Ältestenräten, deren Mahnungen auf die verfeindeten Jugendlichen einwirken sollen. Es werde gesagt: "Findet ihr das richtig, was ihr tut? Das gehört sich nicht, ihr seid zu Gast hier", erklärte Ahmad Mitaev im "Ö1"-Morgenjournal am Mittwoch.
Mitaev hat tschetschenische Wurzeln und lebt seit 20 Jahren in Österreich. Auf TikTok macht er Erklärvideos über die Gewalt zwischen den Gruppen und die Rolle der Polizei und nahm eigenen Aussagen zufolge auch an den Verhandlungen zur Friedenserklärung teil.
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Die älteren Tschetschenen hätten sich bei ihm und weiteren Personen aus der Community gemeldet. Sie hätten gefragt, was genau los ist, und wollten über alle Hintergründe informiert werden.
Er habe daraufhin Gespräche mit Jugendlichen geführt und den Kulturverein sowie einen tschetschenischen Imam eingeschaltet. Laut Mitaev habe man eine weitere Eskalation befürchtet, die man mit der Friedenserklärung verhindern wollte.
Video: Was steckt hinter der Gewalt zwischen Syrern und Tschetschenen?
Kein "ethnischer Konflikt"
Darin wird gleich als erster Punkt wird klargestellt, dass es sich "nicht um einen ethnischen Konflikt" handelt, sondern der Ursprung der Gewalt in "alltäglichen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen" liege.
"Es hat nichts mit der Religion zu tun, mit der Nationalität oder der Politik", meint Mitaev im Gespräch mit "Ö1". Die überwiegend Jugendlichen würden einen Machtkampf um die Rolle des Stärkeren austragen. Von einem Bandenkrieg will er nicht sprechen.
Hält der Frieden?
Der zweite Punkt im Friedensvertrag: "Bemühungen um Konfliktlösung". Man habe "die Jugendliche auf beiden Seiten zur Vernunft gerufen" und "dazu bewegt, die Auseinandersetzungen zu beenden", heißt es darin.
Das gemeinsame Ziel sei "Frieden und Harmonie" der beiden Gemeinschaften in ihrer "Heimatstadt Wien". Tatsächlich gab es seit Beginn der Gespräche, die wochenlang andauerten, keine gewalttätigen Auseinandersetzungen mehr.
Laut dem letzten Punkt nimmt man die aktuellen Auseinandersetzungen zum Anlass, die Bindung zwischen den beiden Communities zu stärken. Mit gemeinsamen Initiativen wolle man Konflikten vorbeugen.
Der Konflikt sei nun "für längere Zeit gelöst", erklärt Mitaev gegenüber "Ö1" - "bis was Neues entsteht." Doch wenn es zu neuen Konflikten kommen sollte, habe man nun einen "Grund und Boden für den Frieden". Die Communities seien nun vernetzt und man habe sich schon einmal auf Frieden geeinigt.
Eskalation im Juli
Die Auseinandersetzungen nahmen ihren Ausgang im Jänner, als ein Tschetschene zwei Syrer bewusstlos geschlagen haben soll. Anfang Juli wurde ein Tschetschene in Favoriten niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Es folgte eine Eskalation der Gewalt. Zwei Syrer wurden angeschossen, ein Tschetschene wurde durch ein Messer, vier Männer bei einer Schlägerei verletzt. Danach begannen die Verhandlungen zwischen den beiden Gruppen.
Auf die Frage, warum die Situation zwischen den Syrern und Tschetschenen derart eskaliert ist, meint Mitaev gegenüber "Ö1", dass die Polizei "geschlafen" habe. Deshalb hätten sich die Ältesten in den Konflikt einmischen müssen. Innenminister Gerald Karner wies die Vorwürfe bei einem Medientermin am Mittwoch scharf zurück.
Zusammenfassung
- Ein Friedensvertrag soll die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Tschetschenen in Wien beenden.
- Was auf der A4-Seite steht und wie der Vertrag zustande gekommen ist.