Berglandmilch|Daniela Köppl

Fast 90 Prozent der Agrar-Hilfen schaden Umwelt und Kleinbetrieben

 811 Millionen Menschen waren 2020 unterernährt - gleichzeitig werden fast 400 Milliarden Euro an Hilfen für die Landwirtschaft jedes Jahr falsch ausgegeben. Mit dieser alarmierenden Analyse fordern die Vereinten Nationen alle Staaten auf, ihre Agrar-Subventionen grundlegend zu überdenken.

Von einem "Weckruf für die Regierungen der Welt" sprach Qu Dongyu, der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO).

470 Milliarden falsch eingesetzt

Laut der am Dienstag vorgestellten Studie sind 87 Prozent der weltweiten Agrar-Hilfen wettbewerbsverzerrend und schaden der Umwelt oder kleinen Unternehmen. 470 Milliarden US-Dollar (398,98 Mrd. Euro) der insgesamt jährlich fließenden 540 Milliarden Dollar müssten anders eingesetzt werden, um nachhaltig und fair zu sein, rechnet der UN-Bericht vor. In Auftrag gegeben wurde er von der FAO, dem Entwicklungsprogramm (UNDP) und dem Umweltprogramm (UNEP) der Vereinten Nationen.

Das Ziel der Forscher ist eine radikale Umverteilung der Gelder in der Landwirtschaft. Die aktuellen Maßnahmen seien nicht nur verbesserungswürdig, "sie halten uns sogar auf", sagte Achim Steiner, der Leiter von UNDP. "Dieser Report muss uns die Augen öffnen."

Agrar-Riesen gewinnen, Kleinbauern verlieren 

Laut der Studie werden die derzeitigen Hilfen zumeist über Zölle oder Fördergelder verteilt, die an die Herstellung und den Anbau gewisser Güter geknüpft seien. Dies sei ineffizient, verfälsche die Preise, schade der Gesundheit, zerstöre die Umwelt und führe zu Chancenungleichheit, hieß es. Große Agrar-Konzerne würden bevorzugt gegenüber Kleinbetrieben, in denen vielfach Frauen arbeiteten.

Die Hilfe sei "extrem unausgewogen", heißt es in dem Bericht. Und sollte sie nicht grundlegend reformiert werden, wird sie in den nächsten Jahren auch extrem teuer: Unter den aktuellen Gegebenheiten werde die Landwirtschaft im Jahr 2030 fast 1,8 Billionen US-Dollar an Finanzhilfen verschlingen, rechneten die Wissenschafter vor.

Agrar-Branche einer der Hauptsünder bei Klimawandel

Dabei gehe es nicht nur um die Ernährung. Die Landwirtschaft sei einer der Hauptverursacher für den Klimawandel durch den Ausstoß von Treibhausgasen, etwa durch Dung auf den Feldern, den Reis-Anbau oder das Verbrennen von Getreideabfall. Zugleich aber litten gerade Bauern oder Agrar-Produzenten mit am meisten unter den Folgen der Krise - etwa durch extreme Hitze, Dürren oder Überschwemmungen.

Die Klimaziele des Pariser Abkommens seien mit der derzeitigen Art der Subventionierung nicht zu erreichen. Wohlhabende Länder sollten ihre Unterstützung für die Fleisch- und Milchindustrie reformieren, ärmere Staaten sollten ihre finanziellen Hilfen für giftige Pestizide und Dünger sowie für den Anbau von Monokulturen ändern.

"Bauer und Bobo"

Falter-Chefredakteur Florian Klenk schrieb, nachdem er am höchstgelegenen Hof der Steiermark bei Bauer Bachler ein Praktikum machte, das Buch "Bauer und Bobo". Es geht um die Auswirkungen des Klimawandels in den Alpen, um hochverschuldete heimische Bauern und was die Globalisierung anrichtet. Auch eine Doku dazu soll bald erscheinen.

ribbon Zusammenfassung
  •  811 Millionen Menschen waren 2020 unterernährt - gleichzeitig werden fast 400 Milliarden Euro an Hilfen für die Landwirtschaft jedes Jahr falsch ausgegeben. Mit dieser alarmierenden Analyse fordern die Vereinten Nationen alle Staaten auf, ihre Agrar-Subventionen grundlegend zu überdenken.