Experte: EU-Entwicklungshilfe verfolgt nur Eigeninteressen
Die Corona-Pandemie habe Europa quasi dazu gezwungen, sein wahres Gesicht zu zeigen. "Uns wurden Kredite gegeben für Dinge, die wir gar nicht brauchten - wie etwa Infrastruktur", so Okumu, dessen panafrikanische Organisation sich mit dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft auseinandersetzt. Viel dringender hätte man zu dieser Zeit aber eigentlich Medikamente und später Impfstoffe benötigt. Schlussendlich war China das Land, dass die ersten Impfdosen nach Afrika lieferte. "Für mich war das ein Widerspruch: Die Europäer sagen, sie sind unsere Freunde und wollen uns helfen. Aber in Krisenzeiten zeigt sich, wer die wahren Freunde sind, heißt es ja auch sprichwörtlich." China habe seine wirtschaftlichen Interessen in der Krise hintangestellt. Was Okumu nicht erwähnt: Von westlichen Gebern wird China, ähnlich wie Russland, wegen seiner Afrika-Politik seit Jahren heftig kritisiert. Der Vorwurf: Peking und Moskau gehe es nur darum, Boden zu gewinnen, sprich an Rohstoffe zu kommen.
"Die meisten Afrikaner, mit denen ich spreche, sagen mir, sie hätten spätestens dann realisiert, dass Europa sie belügt", sagt der Afrika-Experte, der vergangene Woche auf Einladung des vidc (Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation) Wien besuchte. Gerade die junge Bevölkerung sei seit der Covid-Pandemie auch viel kritischer gegenüber der EU, habe begonnen, die proklamierten Motive westlicher Hilfe zu hinterfragen. "Sie haben die "gute PR" der EU durchschaut, konstatiert Okumu.
Die afrikanischen Politiker wiederum seien frustriert. "Wenn ich privat mit den politischen Führern des Afrikas spreche, sagen sie mir, ihre größte Frustration ist, dass man die Europäer nicht beim Wort nehmen kann", erzählt Okumu, dessen pan-afrikanische Plattform sich unter anderem als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft sieht. EU-Politiker würden eigene - oft wirtschaftliche, teils auch geopolitische - Interessen, die sie in den jeweiligen Ländern haben, nicht offen aussprechen, sondern "schön verpacken" und hinter Entwicklungshilfeprojekten verstecken, sagt Okumu.
Rückflüsse und Ehrlichkeit
Europa leiste nur dort Hilfe, wo es Hilfe geben will - nicht dort, wo wirklich Hilfe gebraucht werde. "Warum? Weil der Fokus darauf liegt, was am Ende des Tages wieder bei europäischen Firmen landet", gibt der Afrika-Experte zu bedenken. Der allergrößte Teil der geleisteten Hilfe fließe in der einen oder anderen Form wieder zurück in die EU, "nur zwei Prozent bleiben auf dem afrikanischen Kontinent", meint Okumu.
Andere Geberländer wie Russland, China, Indien oder Brasilien, die in Afrika immer stärker Fuß fassen, aber auch die erste US-Regierung unter Präsident Donald Trump (2017-21) haben Europa nach Ansicht des Vorstands der Africa Platform gezwungen, ehrlicher zu werden und auch ihre eigenen Interessen in Afrika offener zu kommunizieren. Diese Entwicklung werde durch die aktuelle, zweite Präsidentschaft Trumps verstärkt.
"Hoffe, dass USAID nicht zurückkommt"
Zum Kahlschlag Trumps bei der US-Entwicklungshilfeagentur USAID sagt Okumu, dass er eigentlich ganz froh darüber sei. "Ich hoffe, dass USAID nicht mehr zurückkommt - zumindest nicht in der Form. Sie müsste produktiver sein, sie müsste besser auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen und dürfte die lokale Landwirtschaft nicht zerstören - was im Übrigen auch die EU macht." Die USA betreibe zwar wichtige Forschung in Sachen Medizin und Gesundheit, doch verfolge auch sie nur ihre eigenen Interessen. "Wir können kein Labor für den Rest der Welt sein", appelliert Okumu.
(Das Gespräch führte Christina Schwaha/APA)
Zusammenfassung
- Paul Okumu kritisiert die EU-Entwicklungshilfe, da sie primär wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt und nur zwei Prozent der Hilfe in Afrika verbleiben.
- Während der Corona-Pandemie erhielt Afrika Kredite für Infrastruktur statt dringend benötigter Medikamente, während China die ersten Impfdosen lieferte.
- Afrikanische Politiker sind frustriert über die intransparente Kommunikation der EU, die ihre wirtschaftlichen Interessen hinter Entwicklungsprojekten versteckt.