EU-Mitgliedschaft ist der FPÖ kein Herzensanliegen
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) ist der Zusammenschluss der EU-Staaten mit Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), der Österreich bis zum EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 angehörte. Der EWR besteht seit dem 1. Jänner 1994, wobei das EFTA-Mitglied Schweiz ihm nach einer ablehnenden Volksabstimmung nicht beitrat - und stattdessen eine Reihe von bilateralen Verträgen mit der EU einging. Neben den 27 EU-Staaten umfasst der EWR somit die restlichen EFTA-Mitglieder Island, Norwegen und Liechtenstein. Diese drei Staaten haben über den EWR Zugang zum EU-Binnenmarkt, müssen dafür aber viele EU-Vorschriften übernehmen, ohne bei ihrer Ausarbeitung mitstimmen zu dürfen.
Bemerkenswert ist, dass sich die FPÖ auch eine "Evaluierung aller Abkommen und völkerrechtlicher Verträge" für die Koalitionsgespräche vorgenommen hat. Inhaltlich findet sich zudem die Forderung nach einem "Schluss mit der Schädigung unserer Wirtschaft durch die EU-Regulierungswut". Letzterer könnte Österreich im EWR aber nur etwas entgegensetzen, wenn es weiterhin entscheidungsberechtigtes EU-Mitglied bliebe.
In den FPÖ-Programmen zur Europa- und Nationalratswahl wird die EU-Mitgliedschaft nicht explizit infrage gestellt. Vielmehr wird eine "Richtungsumkehr - weg von den überstaatlichen Einrichtungen, zurück nach Österreich" verlangt, wie es im freiheitlichen NR-Wahlprogramm heißt. Konkret soll etwa das Einstimmigkeitsprinzip bei EU-Entscheidungen "jedenfalls erhalten bleiben und das Vetorecht von Österreich konsequent genutzt werden". "Bereits vollzogene Kompetenzabtretungen an die EU müssen evaluiert und nötigenfalls rückgängig gemacht werden", heißt es ohne Erwähnung, dass dies ohne gröbere rechtliche Konsequenzen - etwa Vertragsverletzungsverfahren - nur mit Zustimmung der anderen Mitgliedsstaaten möglich wäre, etwa im Rahmen einer EU-Vertragsänderung. Das EU-Recht steht nämlich über dem österreichischen Verfassungsrecht.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat sich zudem klar für eine Volksabstimmung über künftige EU-Vertragsänderungen positioniert. Im FPÖ-Wahlprogramm findet sich diese Forderung zwar nicht, doch beantwortete Kickl eine entsprechende Frage im APA-Außenpolitik-Fragebogen zur Nationalratswahl eindeutig mit "Ja" - als einziger Spitzenkandidat der fünf Parlamentsparteien.
Ein Dorn im Auge ist den Freiheitlichen auch die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der über die Einhaltung der EU-Verträge wacht. Mit seinen Urteilen im Migrationsbereich sei er nämlich - gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) des Europarats - "zur treibenden Kraft der gesellschaftspolitischen Zersetzung" geworden. "Das kann nicht länger akzeptiert werden. Das Recht hat dem Souverän zu folgen, der durch Wahlen seine Vertreter bestimmt", heißt es im NR-Wahlprogramm in Abwandlung des umstrittenen Sagers "Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht" von Parteiobmann Kickl aus seiner Zeit als Innenminister. Der EU-Asyl- und Migrationspakt wird von der FPÖ bekämpft. Vielmehr soll Österreich - so wie die rechtspopulistisch regierten Niederlande - sich unter Berufung auf eine zu große Belastung komplett aus dem EU-Asylsystem zurückziehen.
Weitere konkrete europapolitische Vorschläge fanden sich bereits im Europawahlprogramm der FPÖ. Darin wurde etwa eine Halbierung der EU-Institutionen sowie des EU-Budgets gefordert. Inhaltlich forderte die FPÖ ein Ende des Green Deal, den kompletten Stopp der Waffenlieferungen und Zahlungen an die Ukraine sowie einen "Stopp des wohlstandsvernichtenden Sanktionswahnsinns". Auch die "Schuldenunion" - konkret die kreditfinanzierten EU-Aufbauhilfen - wird von der FPÖ strikt abgelehnt.
In der abgelaufenen Legislaturperiode übten FPÖ-Nationalratsabgeordnete laufend Kritik insbesondere an der EU-Ukraine-Politik und brachten diesbezüglich mehrmals Anträge ein. Im Juli 2023 wurde im Nationalrat konkret ein Stopp der österreichischen Beitragszahlungen gefordert. Im damaligen FPÖ-Entschließungsantrag hieß es wörtlich, der Nationalrat wolle beschließen: "Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Zurverfügungstellung von Finanzmitteln an Institutionen der Europäischen Union, insbesondere des nationalen EU-Beitrages Österreichs, auszusetzen."
EU-Verfahren zum Rauswurf von regelverletzenden Mitgliedsstaaten wie etwa Ungarn lehnen die Freiheitlichen wenig überraschend ab. Kickl äußerte seine diesbezügliche Ablehnung im APA-Außenpolitik-Fragebogen im September folgendermaßen: "Unserer Ansicht nach sollte es jedem Staat selbst überlassen bleiben, aus der EU auszutreten oder nicht."
Zusammenfassung
- FPÖ-Chef Herbert Kickl befürwortet eine Volksabstimmung über künftige EU-Vertragsänderungen und kritisiert den Europäischen Gerichtshof. Die Partei fordert zudem eine Evaluierung aller Abkommen und völkerrechtlicher Verträge.
- Im Europawahlprogramm fordert die FPÖ eine Halbierung der EU-Institutionen und ein Ende des Green Deals. Im Juli 2023 forderte die Partei einen Stopp der österreichischen EU-Beitragszahlungen, um ihre Kritik an der EU-Politik zu untermauern.