EU-Kommission empfiehlt keine Rückkehr nach Syrien
Zehntausende Syrer:innen feierten am Sonntag in Wien, Berlin und in anderen Städten weltweit den Sturz von Langzeitdiktator Bashar al-Assad.
Noch am selben Tag wetterten FPÖ-Politiker wie Herbert Kickl oder Dominik Nepp, dass die Syrer:innen nun ja zurückkehren könnten und forderten Abschiebungen.
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Am Sonntag verlautbarte das Innenministerium noch, man müsse die Lage nun beobachten, am Montag setzte man dann laufende Asylverfahren schon aus. "Wesentlich ist eine Neubewertung des Lagebilds, das für die weitere Bearbeitung der Fälle (anhängige Verfahren, Familienverfahren, Aberkennungsverfahren) notwendig ist, hieß es.
12.886 offene Verfahren
Insgesamt sind mit Stichtag 30. November 2024 12.886 Verfahren von syrischen Staatsbürger:innen in erster oder zweiter Instanz offen, davon lassen sich 1.146 dem Familiennachzug zuordnen.
Zu Jahresbeginn 2024 waren 95.180 Syrer:innen in Österreich wohnhaft. Im Zeitraum 2015 bis November 2024 haben demnach 86.905 Syrer:innen eine positive Asylentscheidung erhalten, 17.421 Syrer:innen erhielten eine positive Entscheidung hinsichtlich subsidiären Schutzes.
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Fluchtgründe und damit Asylgründe können theoretisch immer wegfallen. Dann wäre von Amtswegen ein Aberkennungsverfahren einzuleiten. Bei den meisten Syrer:innen in Österreich war der Fluchtgrund wohl tatsächlich die Assad-Diktatur.
"In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebe-Programm nach Syrien vorzubereiten", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Montag.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) meinte am Montag: "Grundsätzlich steht es jedem frei, freiwillig in die Heimat zurückzukehren und beim Wiederaufbau des eigenen Landes mitzuwirken".
https://twitter.com/karlnehammer/status/1866152489709350965
"Asylgewährungen sind eigentlich auf Zeit", betonte Nehammer dann am Abend in einem Video-Statement auf der Plattform "X". Und jetzt gehe es darum, den zu uns geflohenen Syrern dabei zu helfen, in ihre Heimat zurückzukehren. Gleichzeitig müssten alle laufenden Verfahren gestoppt werden, weil der Asylgrund nicht mehr gegeben sei und neu geprüft werden müsse, argumentierte Nehammer.
Andere Aufenthaltstitel möglich
Selbst wenn der Asylgrund wegfällt, kann aber immer noch subsidiärer Schutz beantragt werden, der verliehen wird, wenn Leben und Unversehrtheit der Person im Herkunftsland gefährdet wären. Außerdem gebe es noch das humanitäre Bleiberecht, wenn Personen integriert sind und Jobs haben. Es könnte aber auch sein, dass viele Syrer:innen freiwillig gehen wollen.
Kohlenberger: Asyl-Debatte könnte sich verschärfen
Migrationsforscherin Judith Kohlenberger im PULS 24 Interview.
Freiwillige Rückkehr?
In Deutschland machte CDU-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn den Vorschlag: "Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro?"
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Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) äußerte allerdings bereits die Sorge, dass viele Syrer:innen nun zurückkehren könnten und das Folgen für das Gesundheitssystem hätte, weil sie als Ärzt:innen oder Pfleger:innen tätig sind.
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb deshalb auf "X": "In Deutschland arbeiten derzeit mehr als 6.000 Ärzte aus Syrien. Sie sind voll integriert und für die Versorgung unabkömmlich. Eine parteipolitische Wahlkampf Debatte für schnellstmögliche Abschiebungen ('Charterflüge') muss diese Menschen zutiefst enttäuschen und verunsichern".
https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1866149489469219215
Auch in der Türkei äußerte Machthaber Recep Tayyip Erdoğan, dass er hoffe, dass die freiwillige Rückkehr zunehmen werde. Damit dies geordnet zugehe, lasse er einen weiteren Grenzübergang in der südtürkischen Provinz Hatay öffnen.
EU-Kommission gegen Abschiebungen
Die EU-Kommission gibt sich angesichts dieser Debatten hingegen noch zurückhaltender und empfiehlt derzeit keine Rückkehr nach Syrien.
"Viele wollen zurück"
Der syrische Poetry-Slammer Omar Khir Alanam im Interview.
Die Bedingungen für eine sichere und würdevolle Rückkehr nach Syrien seien nach derzeitiger Einschätzung momentan nicht gegeben, sagte ein Sprecher in Brüssel. Mit dieser Linie sei man sich einig mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR).
Die aktuelle Lage sei von großer Hoffnung, aber auch von großer Unsicherheit geprägt. Es werde an jedem Einzelnen und an jeder Familie sein, zu entscheiden, was sie tun möchte. Der Sprecher machte damit auch deutlich, dass es aus Sicht der Kommission bis auf weiteres keine Abschiebungen geben sollte.
Asylverfahren gestoppt: "Nicht in Ordnung"
Abdulhkeem Alshater, Vorsitzender des Vereins Freie Syrische Gemeinde, im Interview.
Zusammenfassung
- Österreich setzt laufende Asylverfahren von Syrer:innen schon am ersten Tag nach dem Sturz von Assad durch teils islamistische Milizen aus. Auch in Deutschland wird debattiert.
- "Asylgewährungen sind eigentlich auf Zeit", betonte Karl Nehammer in einem Video-Statement auf der Plattform "X"
- In Deutschland machte CDU-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn den Vorschlag: "Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1.000 Euro?"
- Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) äußerte allerdings bereits die Sorge, dass viele Syrer:innen nun zurückkehren könnten und das Folgen für das Gesundheitssystem hätte, weil sie als Ärzt:innen oder Pfleger:innen tätig sind.
- Auch in der Türkei äußerte Machthaber Recep Tayyip Erdoğan, dass er hoffe, dass die freiwillige Rückkehr zunehmen werde.
- Die EU-Kommission gibt sich angesichts dieser Debatten hingegen noch zurückhaltender und empfiehlt derzeit keine Rückkehr nach Syrien, es sollte keine Abschiebungen geben.