APA/APA (dpa/Archiv)/Frank Molter

EU-Gesetz: Journalisten-Überwachung statt Medienfreiheit?

Eigentlich sollte ein geplantes EU-Gesetz die Medienfreiheit in Europa fördern. Nun pocht eine Reihe an Mitgliedsstaaten jedoch darauf, die Überwachung von Journalisten zum Zweck der "nationalen Sicherheit" zu legitimieren.

Ein neues Gesetz der Europäischen Union zum Schutz der Medienfreiheit sollte die Arbeit von Journalisten eigentlich stärken. So sieht die geplante Verordnung etwa vor, dass sich der Staat von öffentlich-rechtlichen Sendern fernzuhalten habe oder dass Redaktionen besonders geschützt würden. Doch nun drängen mehrere EU-Staaten bei den Verhandlungen mit dem EU-Parlament darauf, es an entscheidender Stelle zu schwächen, wieder der "Standard" am Dienstag berichtet hat.

Interne Dokumente, die den Rechercheteams Investigate Europe, Disclose, Follow the Money sowie der österreichischen Tageszeitung vorliegen, zeigen: Frankreich, Finnland, Griechenland, Italien, Malta, Schweden und Zypern wollen die Überwachung von Journalisten einschließlich des Einsatzes von Spionagesoftware auf deren Telefonen legitimieren, wenn ihre Sicherheitsbehörden dies zum "Schutz der nationalen Sicherheit" für nötig halten.

Entscheidende Sitzung steht bevor

Nun müssen sich die EU-Staaten und das EU-Parlament unter Einbeziehung der EU-Kommission auf einen Text für die geplante Verordnung einigen. Die entscheidende Sitzung ist für den kommenden Freitag angesetzt, so der "Standard". Die Positionen der EU-Staaten und des EU-Parlaments stehen sich dabei diametral gegenüber.

So verabschiedete das EU-Parlament im Oktober einen Gesetzestext, der der staatlichen Überwachung von Journalisten enge Grenzen setzt. Demnach dürfen sie nur abgehört oder mittels Spionagesoftware ausgeforscht werden, wenn dies in keinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht, nicht den Zugang zu Quellen von Journalisten betrifft oder offenlegt, im Einzelfall gerechtfertigt ist, um eine schwere Straftat zu verhüten oder zu verfolgen, von einer unabhängigen und unparteiischen Justizbehörde angeordnet wird und einer regelmäßigen Überprüfung durch eine unabhängige Justiz­behörde unterliegt.

Zuvor hatte jedoch der Rat der EU auf Druck Frankreichs und letztlich mit Zustimmung aller Regierungen außer jenen von Ungarn und Polen eine Version des Gesetzes verabschiedet, die dem Verbot der Ausforschung von Journalisten einen Absatz hinzufügt: Dieses "berührt nicht die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für den Schutz der nationalen Sicherheit", soll es dort heißen.

Vage Formulierung als Risiko

Nach Meinung der Regierungsjuristen füge "diese Formulierung nichts Neues hinzu, sondern verweist nur auf das, was ohnehin nach dem EU-Vertrag gilt", erklärte etwa Martin Persson, der zuständige Beamte von Schweden, dessen Regierung den Vorsitz bei den Verhandlungen im Rat führte.

Renate Schröder, Direktorin der Europäischen Journalistenföderation, hält das für irreführend. "Diese vage Formulierung würde das Risiko einer Umgehung des beabsichtigten Schutzes der Quellen von Journalisten mit sich bringen", warnte sie, in einer Zeit, in der Regierungen Sicherheit "auf Kosten der Menschenrechte und der Freiheit der Medien ausweiten".

Laut EU-Vertrag unterliegt die Wahrung der nationalen Sicherheit allein den Nationalstaaten. Die Berufung auf dieses Prinzip rechtfertige es aber nicht, EU-Gesetze zu brechen, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mehrmals.

Überwachung nachträglich legalisiert

Bliebe es bei der Änderung, würde per EU-Gesetz nachträglich legalisiert, wie manche Staaten bisher widerrechtlich kritische Journalisten ausgeforscht haben, schreibt der "Standard" weiter. Dabei hatten sich die Regierungen in Griechenland, Spanien, Bulgarien, Polen und Ungarn auch auf die "nationale Sicherheit berufen", um den Einsatz der Spähprogramme Pegasus und Predator gegen regierungskritische Journalisten zu rechtfertigen.

In Österreich wurden Staatstrojaner bisher nicht eingesetzt, da der Verfassungsgerichtshof ein entsprechendes Gesetz 2019 kippte. Allerdings fordert die ÖVP seitdem einen neuen Anlauf.

17 europäische Medienverbände und Institute fordern indes auf den umstrittenen Paragrafen zu verzichten. Die deutsche Medienministerin Claudia Roth (Grüne) kündigte an, einen Kompromissversuch, der auf die Ausnahme verzichtet, starten zu wollen.

ribbon Zusammenfassung
  • Ein geplantes EU-Gesetz soll die Medienfreiheit in Europa fördern.
  • Es sieht etwa vor, dass sich der Staat von öffentlich-rechtlichen Sendern fernzuhalten habe oder dass Redaktionen besonders geschützt würden.
  • Nun droht das Gesetz an unterschiedlichen Positionen bezüglich der Überwachung zum Zweck der "nationalen Sicherheit" zu scheitern.
  • Eine Reihe von Mitgliedsstaaten pocht darauf, das Gesetz an entscheidender Stelle zu schwächen.