Dollfuß-Debatte: Sobotka gegen den Begriff "Austrofaschismus"
Angefangen hat die aktuelle Debatte mit Kritik an dem Dollfuß-Museum in der Heimatgemeinde des neuen Innenministers Gerhard Karner (ÖVP), wo dieser auch Bürgermeister war. Das Museum im Geburtshaus von Dollfuß wird auf der Gemeinde-Homepage im niederösterreichischen Texingtal unter "Sehenswertes" beworben. Historiker, darunter etwa Lucile Dreidemy, kritisierten das Museum: Es sei mehr eine Gedenkstätte als ein Museum.
"Für jemanden, der Parlament und Demokratie ausgeschaltet hat, Standrecht und Todesstrafe eingeführt hat und auf Gemeindebauten schießen ließ, darf es nicht einmal den Anschein einer Verherrlichung oder Huldigung geben", kritisierte auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. "Das Verhältnis zum Austrofaschismus muss immer klar sein, gerade beim Innenminister. Ich denke, hier wird es eine Klarstellung brauchen", sagte die Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic.
Das Museum gebe es seit über 20 Jahren, also lange bevor Karner Bürgermeister geworden sei, und sei unter wissenschaftlicher Begleitung von Gemeinde, Land und Bund eingerichtet worden. Kommendes Jahr soll das Museum neugestaltet werde, erklärte dann das Innenministerium.
Sobotka lehnt Begriff ab
Dann sorgte Bundeskanzler Karl Nehammer im Interview mit Armin Wolf und Corinna Milborn für Überraschung: Zumindest nach mehreren Fragen, ob Engelbert Dollfuß ein Austrofaschist gewesen sei, sagte er: "Im Kontext der Zeit ja". ÖVP-Linie scheint das aber noch nicht geworden zu sein. Im PULS 24 Interview mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sagt dieser nun, dass er den Begriff ablehne - er werde von der "linken Reichshälfte" benutzt.
Auch der Begriff "Ständestaat" sei nicht richtig - er komme aus dieser Zeit. Im Vergleich mit Italien sehe man, dass es sich um eine Diktatur und keinen Faschismus gehandelt habe. Er bevorzuge demnach den Begriff "Kanzlerdiktatur". letztendlich sollten das aber Historiker bewerten, so Sobotka. Generell sollte man um das Museum aus seiner Sicht "keine Geschichte konstruieren".
Die ÖVP wurde immer wieder für einen unkritischen Umgang mit Dollfuß kritisiert: Jahrelang hing im Parlamentsklub der Volkspartei ein Porträt des austrofaschistischen Kanzlers. Schließlich nahm die ÖVP vor ein paar Jahren den Parlamentsumbau zum Anlass, das umstrittene Bild los zu werden und dem Niederösterreichischen Landesmuseum als Dauerleihgabe zu übergeben.
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Karner: "Kann mit beiden Begriffen leben"
"Ich kann mit beiden Begriffen leben: Kanzlerdiktatur, Austrofaschismus", äußerte sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einem "Standard"-Interview zur Debatte. Die Zeit sei geprägt gewesen durch einen Bürgerkrieg und man habe diese bisher "wahrscheinlich zu wenig aufgearbeitet", sagte Karner. Daher spreche er sich für eine Neuausrichtung des Hauses mit einem regionalen Verein aus.
Zu den Antisemitismus-Vorwürfen meinte Karner, dass er den Gehalt seiner Aussage nun erkenne. "Ich stehe nicht an, mich dafür ganz klar zu entschuldigen", so der Innenminister im Interview.
Die Causa war publik geworden, als jüdische Studierende und Personen aus Politik, Kultur und Wissenschaft in einem Offenen Brief eine Neubesetzung des Innenministeriums forderten. Als Grund gaben sie die als antisemitisch eingestuften Aussagen Karners in einem Landtagswahlkampf an. Karner soll der SPÖ damals vorgeworfen haben, "mit Herren aus Amerika und Israel gegen das Land" zu arbeiten und sie als "Klimavergifter" bezeichnet haben.
SPÖ Kritisiert Sobotkas Aussage
Als "unverständlich" bezeichnen Jörg Leichtfried, stv. SPÖ-Klubobmann, und Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sobotkas Aussage in einer Aussendung. Sie kritisieren, dass Sobotka "gegen den Begriff des Austrofaschismus polemisiert und versucht, ihn zu verharmlosen". "In dieser Zeit wurden nicht nur Demokratie und das Parlament ausgeschaltet, es wurden Standrecht und Todesstrafe eingeführt, es wurde auf Gemeindebauten geschossen und sogenannte Anhaltelager errichtet", heißt es dazu weiter in der Aussendung. Zudem erwarte sich Leichtfried von einem Nationalratspräsidenten, "dass er nicht versucht, die Zeit des Austrofaschismus durch dessen Umbenennung zu verharmlosen".
Zusammenfassung
- Während der neue Bundeskanzler Karl Nehammer kürzlich für ein ÖVP-Novum sorgte und die Diktatur von Engelbert Dollfuß als "Austrofaschismus" bezeichnete, wehrt sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gegen diesen Begriff.
- Angefangen hat die aktuelle Debatte mit Kritik an dem Dollfuß-Museum in der Heimatgemeinde des neuen Innenministers Gerhard Karner (ÖVP), wo dieser auch Bürgermeister war.
- Historiker, darunter etwa Lucile Dreidemy, kritisierten das Museum: Es sei mehr eine Gedenkstätte als ein Museum.
- Dann sorgte Bundeskanzler Karl Nehammer im Interview mit Armin Wolf und Corinna Milborn für Überraschung: Zumindest nach mehreren Frage, ob Engelbert Dollfuß ein Austrofaschist gewesen sei, sagte er: "Im Kontext der Zeit ja".
- ÖVP-Linie scheint das aber noch nicht geworden zu sein. Im PULS 24 Interview mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sagt dieser nun, dass er den Begriff ablehne - er werde von der "linken Reichshälfte" benutzt.
- Generell sollte man um das Museum aus seiner Sicht "keine Geschichte konstruieren".