Deutschland vor erster Richtungsentscheidung nach der Wahl
Bisher haben die vier beteiligten Kräfte nur jeweils zu zweit nach Schnittmengen gesucht - und nach "Dynamik", wie Grünen-Chef Robert Habeck am Sonntag ergänzte. Das letzte dieser Gespräche führt die Union am Dienstag mit den Grünen.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte im ZDF, dass es anschließend eine parteiinterne Auswertung der ersten Sondierungsrunde geben werde, die dann mit den Grünen abgeglichen werde. "Ein Verhaken zwischen Grünen und FDP darf es nicht geben", betonte er. Ansonsten laufe es wieder auf eine große Koalition hinaus. Er sei dafür, "dass man dann eine Zwischenbilanz zieht und eine Zwischenentscheidung trifft".
Eine eindeutige Tendenz gibt es noch nicht. Die Grünen stehen der SPD deutlich näher, die FDP betont ihre Sympathien für die Union - trotz deren interner Querelen. "Die CDU/CSU ist noch im Rennen und wir werden sehen, was am Ende der Woche dabei herauskommt", sagte FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Montag im SWR. Wissing hatte nach der Runde mit der Union am Sonntag gesagt, dass es "inhaltlich wenig Klippen" gebe.
Hingegen zogen FDP-Politiker am Montag auch erstmals rote Linien gegenüber den Sozialdemokraten. Die Liberalen bestünden darauf, dass es keine Steuererhöhungen gebe und die Schuldenbremse nicht angetastet werde. Die FDP hat das klar gesagt, und die FDP rückt von dieser Position auch nicht ab", sagte Wissing im ZDF. Der FDP-Finanzpolitiker Otto Fricke sprach diesbezüglich im RTL von "zwei roten Linien".
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnte jedoch vor inhaltlichen Vorfestlegungen. "Es geht jetzt gar nicht darum, rote Linien zu formulieren", sagte er im ZDF. Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte allerdings im Wahlkampffinale die Ansage gemacht, dass er nur eine Regierung führen werde, die etwa für stabile Pensionen und einen Mindestlohn von zwölf Euro sorgen werde.
Grünen-Chef Habeck zeigte sich unterdessen angetan von den Gesprächen mit der SPD, die Kanzlerkandidat Scholz zur stärksten Kraft im Bundestag gemacht hatte. "Wir haben auch bei der SPD eine Bereitschaft gefunden und festgestellt, tatsächlich noch einmal neu zu starten, eine Dynamik zu entfachen, die dann auch die liegen gebliebenen Probleme vielleicht lösen kann", sagte Habeck.
Die SPD hatte bereits am Sonntag darauf gedrungen, unmittelbar nach dem Gespräch zwischen Union und Grünen am Dienstag in die nächste Sondierungsphase einzutreten. "Unser Wunsch wäre, dass es dann zügig zu Dreiergesprächen kommt", betonte Generalsekretär Klingbeil. Noch in der laufenden Woche könnte es dazu kommen, sollten sich FDP und Grüne einig werden. Aber auch dann steht noch ein langer Prozess bevor.
Verlaufen die Dreiergespräche erfolgreich, geht es in Koalitionsverhandlungen. Bei den Grünen muss darüber ein kleiner oder großer Parteitag entscheiden, bei den anderen Parteien dürfte das unkomplizierter gehandhabt werden. Einigt man sich am Ende auf einen Koalitionsvertrag, werden auf jeden Fall die Grünen, vielleicht auch die SPD ihre Mitglieder darüber entscheiden lassen.
Für den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geht es indes am Dienstag um alles - auch um seine eigene politische Zukunft. Wenn er die Grünen am Ende nicht zu einer Jamaika-Koalition bewegen kann, dürfte das Ende seiner politischen Karriere besiegelt sein. Immer mehr Politiker von CDU und CSU fordern bereits jetzt eine inhaltliche und auch personelle Neuaufstellung.
Zusammenfassung
- Gut eine Woche nach der Bundestagswahl stehen die Sondierungen für eine Regierungsbildung vor einer ersten Richtungsentscheidung.
- Nach dem Gespräch zwischen Union und Grünen am Dienstag muss entschieden werden, in welcher Konstellation es weitergeht.
- Noch vor Ende der Woche dürfte sich klären, ob Grüne und FDP mit SPD oder Union verhandeln wollen.
- Wissing hatte nach der Runde mit der Union am Sonntag gesagt, dass es "inhaltlich wenig Klippen" gebe.