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Debatte über Verteidigungsausgaben bei NATO-Treffen

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert ein deutliches Bekenntnis der Mitgliedstaaten der transatlantischen Allianz für höhere Militärausgaben. Es brauche eine klare Sprache diesbezüglich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juli, sagte Stoltenberg zum Abschluss von zweitägigen Beratungen der Außenminister am Mittwoch in Brüssel. Er bekräftigte, das gegenwärtige Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei allenfalls der Boden und nicht die Decke.

"Das wird einen Unterschied machen, wenn alle Alliierten übereinstimmen, dass die zwei Prozent das Minimum sind", sagte Stoltenberg. Viele der Alliierten seien nach wie vor unterhalb dieses Ziels. Im vergangenen Jahr erfüllten nur sieben Mitglieder die Zwei-Prozent-Marke: die USA, Großbritannien, Griechenland, Polen, Estland, Lettland und Litauen. Allerdings seien alle NATO-Staaten mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereit, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen, sagte Stoltenberg. Der NATO-Gipfel am 11. und 12. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius müsse dazu ein klares Bekenntnis ablegen, forderte Stoltenberg.

Der NATO-Generalsekretär warf China vor, die wegen des Ukraine-Konflikts mit westlichen Sanktionen belegte russische Wirtschaft zu stützen. "China weigert sich, Russlands Aggression zu verurteilen. Es ist ein Echo russischer Propaganda. Und es stützt Russlands Wirtschaft", sagte er nach einem Treffen der NATO-Außenminister mit Partnern aus Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland.

Stoltenberg wiederholte auch die westliche Warnung an China, Russland keine Waffen für seine Truppen in der Ukraine zu liefern. Bisher habe die NATO zwar "nicht bestätigen können", dass Peking bereits Waffen an Moskau liefere. China wisse aber, dass solche Lieferungen "schwerwiegende Folgen haben werden", sagte Stoltenberg. "In einer Zeit, in der Peking und Moskau gegen die regelbasierte internationale Ordnung vorgehen, ist es umso wichtiger, dass wir weiterhin zusammenstehen", sagte Stoltenberg mit Blick auf die vier NATO-Verbündeten aus dem Asien-Pazifik-Raum.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock urgiert indes eine bessere militärische Koordination der nach dem Beitritt Finnlands am Dienstag jetzt 31 NATO-Mitgliedstaaten. Die Allianz müsse dafür sorgen, dass die unterschiedlichen militärischen Fähigkeiten untereinander besser abgestimmt seien, hatte Baerbock am Mittwoch vor Beginn der Beratungen in Brüssel gesagt. Dazu seien auch "weitere finanzielle Mittel notwendig", sagte sie, betonte aber, dabei gehe es nicht nur rein um Zahlen.

Wichtig sei, dass die NATO bis zum Gipfel im Juli in Vilnius einen "wirklich umfassenden Schutzschirm" in die Wege leite. Es sei entscheidend, dass man bei den Verteidigungsausgaben nicht nur über reine Prozentzahlen spreche, sondern auch über Fähigkeitsziele. Gerade die Bemessung der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bedeute, dass man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten NATO-Ziele erreichen könne, obwohl man militärisch noch gar nichts geschafft habe.

Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu sprach sich sogar für ein Ziel von 2,5 Prozent aus. Estland selbst wird seinen Angaben zufolge ab dem nächsten Jahr sogar mindestens drei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben.

Stoltenberg erklärte außerdem, dass die NATO der Ukraine mit einem neuen Unterstützungsprogramm den Weg zu einer geplanten Mitgliedschaft ebnen wolle. Die auf mehrere Jahre angelegte Initiative soll dem Land die Anpassung an Bündnisstandards erleichtern und eine nahtlose Zusammenarbeit mit der NATO ermöglichen. Es sei eine klares Zeichen, dass die NATO ihre Unterstützung langfristig fortsetze.

Eine genaue zeitliche Perspektive für den Beitritt der Ukraine und das Programm gab Stoltenberg nicht. Er sagte lediglich, es sei die Position der NATO, dass die Ukraine Mitglied werde. Er spielte damit auf eine Gipfelerklärung aus dem Jahr 2008 ab. In ihr heißt es im Hinblick auf die Ukraine und Georgien: "Wir haben heute vereinbart, dass diese Länder Mitglieder der NATO werden."

Einen Beitritt der Ukraine in Kriegszeiten schloss Stoltenberg aber indirekt aus. So verwies er darauf, dass es eine Voraussetzung für die NATO-Mitgliedschaft sei, dass die Ukraine den Krieg als demokratische unabhängige Nation überstehe.

US-Außenminister Antony Blinken sagte nach dem Treffen, der Fokus der USA liege darauf, "das zu tun, was getan werden muss, um der Ukraine dabei zu helfen, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen". Dabei gehe es auch darum, dass die Ukraine von Russland eingenommene Gebiete zurückerobern könne. Über einen längeren Zeitraum schaue man, wie man die Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine grundsätzlich stärken könne - unter anderem über eine Heranführung an NATO-Standards.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Bündniskreisen ist im Gespräch, das Unterstützungsprogramm auf zehn Jahre anzulegen und jährlich mit etwa 500 Millionen Euro auszustatten. Mit dem Geld könnten laut Diplomaten auch Übungen, Digitalisierungsprogramme und institutionelle Reformen unterstützt werden.

ribbon Zusammenfassung
  • NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fordert ein deutliches Bekenntnis der Mitgliedstaaten der transatlantischen Allianz für höhere Militärausgaben.
  • Es brauche eine klare Sprache diesbezüglich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juli, sagte Stoltenberg zum Abschluss von zweitägigen Beratungen der Außenminister am Mittwoch in Brüssel.
  • Einen Beitritt der Ukraine in Kriegszeiten schloss Stoltenberg aber indirekt aus.