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Brenner-Transit: EU erlaubt Italiens Klage gegen Österreich

Die EU-Kommission hat im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke den Weg für eine Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) frei gemacht. In einer sogenannten "mit Gründen versehenen Stellungnahme" gibt die Brüsseler Behörde der Kritik Italiens mehrheitlich recht.

Einige der Tiroler Maßnahmen würden den freien Warenverkehr einschränken. Auf ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren verzichtete die Kommission aber.

Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) kündigte daraufhin prompt an, dass sein Land die in Artikel 259 EG-Vertrag vorgesehene Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen werde, um "wieder einen günstigen Rechtsrahmen für Unternehmen zu schaffen und den Grundsatz der Freiheit in der Europäischen Union zu schützen".

Salvini sprach aufgrund der Stellungnahme der EU-Kommission von einer "großen Genugtuung" und interpretierte diese so, dass die Kommission "alle österreichischen Fahrverbote auf dem Brennerkorridor unmissverständlich als Verstoß gegen den freien Warenverkehr gemäß Artikel 34 und 35 AEUV gerügt" habe. Die Stellungnahme sei somit ein "Beweis für die Richtigkeit der Position der italienischen Regierung".

Kritikpunkte an Tiroler Maßnahmen

Die Kommission hatte durchaus einiges an Kritikpunkten aufgrund der österreichischen bzw. Tiroler Maßnahmen parat. Konkret nannte man hier in einer Aussendung "ein Nachtfahrverbot, ein sektorales Fahrverbot für bestimmte schienenaffine Güter, ein Winterfahrverbot an Samstagen und die Rationierung der Einfahrt von Schwerlastfahrzeugen auf die Autobahn".

Einige Argumente Österreichs erkennt die Brüsseler Behörde zwar an, die Maßnahmen seien aber nicht kohärent und könnten daher nicht "durch die Erreichung der angestrebten Ziele (Umweltschutz, Straßenverkehrssicherheit, Verkehrsfluss oder Versorgungssicherheit) gerechtfertigt werden".

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Gewessler und Mattle "gesprächsbereit"

Verkehrs- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) betonten in einer gemeinsamen Reaktion einerseits unisono "gesprächsbereit" zu bleiben und andererseits, dass die Tiroler "Notmaßnahmen" notwendig und rechtskonform seien. Eine Abkehr von diesen komme weder für die Bundesregierung noch die Tiroler Landesregierung infrage.

Die von der Kommission doch deutlich geäußerte Kritik an den Tiroler Maßnahmen wiesen Gewessler wie Mattle ebenso "deutlich" zurück: "Die Gesundheit und das Leben der Menschen sind für uns nicht verhandelbar. Wir stehen gemeinsam an der Seite der Tiroler Bevölkerung und werden alles tun, um sie konsequent zu schützen."

"Unsere Argumente sind gut. Die Tiroler Notmaßnahmen haben eine ordentliche rechtliche Basis. Ich bin überzeugt - am Ende werden saubere Luft, Verkehrssicherheit und Gesundheit gegen die Lobby-Interessen der italienischen Transportindustrie gewinnen", erklärte Gewessler.

Klar sei: "Je früher das passiert, desto besser. Deshalb steht Österreich Gesprächen weiterhin offen gegenüber. Nun muss Matteo Salvini entscheiden, ob er ein Minister für Frächter-Profite oder für die Menschen ist."

"Kampfeslust" geweckt

Kritik übte der Landeshauptmann daran, dass die EU-Kommission auf mehrere die Position Tirols untermauernde Punkte nicht eingegangen sei. So habe diese nicht erwähnt, dass kürzlich in der EU verschärfte Schadstoffgrenzwerte paktiert worden waren. Auch lese man nichts über "gesundheitliche Belastungen" der Bevölkerung durch den Transit. 

Jedenfalls sei nun auch seine "Kampfeslust" geweckt, ließ Mattle wissen. "Man kann nicht sagen, der freie Warenverkehr soll passieren, aber die Grenzwerte scheren uns nicht", übte er deutliche Kritik Richtung Brüssel. Immerhin habe die EU-Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet - ein solches Vorgehen hätte "mehr Brisanz" gehabt. 

Europaministerin Karoline Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) stießen indes in einer gemeinsamen Stellungnahme in dasselbe Horn wie Gewessler und Mattle. Es sei "völlig klar", dass die Schutzmaßnahmen für die massiv unter dem Verkehrsaufkommen leidende Bevölkerung in Tirol "notwendig, verhältnismäßig und EU-rechtskonform" seien: "So hat die Europäische Kommission sie ja auch in der Vergangenheit nicht bemängelt." Einem etwaigen Verfahren vor dem EuGH sehe man "sehr gelassen" entgegen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Kommission hat im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke den Weg für eine Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) frei gemacht.
  • In einer sogenannten "mit Gründen versehenen Stellungnahme" gibt die Brüsseler Behörde der Kritik Italiens mehrheitlich recht.
  • Einige der Tiroler Maßnahmen würden den freien Warenverkehr einschränken.
  • Auf ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren verzichtete die Kommission aber.