APA/EVA MANHART

BOKU-Rektorin würde sich "nicht selbst ankleben"

Seit 1. Februar 2022 ist Eva Schulev-Steindl Rektorin der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU). "Es war ein schönes und erfolgreiches, aber auch ein sehr intensives Jahr", sagt sie und erinnert daran, dass wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt Russland die Ukraine überfiel und in der Folge nicht nur die stark gestiegenen Energiekosten alle Budgetpläne über den Haufen warfen. Dennoch sei man bisher ohne Schließtage und Personalkürzungen durchgekommen.

Budgetär sei sie dank Nachverhandlungen für 2023 "guter Dinge. Für 2024 gibt es allerdings noch Nachholbedarf." In Kürze beginnen bereits die Vorbereitungen für die Leistungsvereinbarungen der Periode 2025-27, deren Rahmenbedingungen man eigentlich nur im Kaffeesud lesen kann. Wurde die bisherige Praxis des langen Vorlaufes nicht von der Realität überrollt? "Manche Kollegen sehen das so, man darf aber nicht vergessen, dass die langfristige Planbarkeit auch eine Errungenschaft ist", sagt Schulev-Steindl im APA-Interview.

Eine Herausforderung sei für die meisten Universitäten allerdings der Indikator der "Prüfungsaktivität" der Studien in der Leistungsvereinbarung (ein Studium gilt als prüfungsaktiv betrieben, wenn pro Studienjahr mindestens 16 ECTS-Punkte absolviert werden - je mehr prüfungsaktive Studien, desto mehr Budget bekommt die Uni, Anm.). Mit vermehrten Studieninformationen, einem verbesserten Mentoringsystem für Studienanfänger und der Aussetzung der Aufnahmeverfahren für die Studien Umwelt- und Bioressourcenmanagement und Lebensmittel- und Biotechnologie sei man auf einem guten Weg. Im Studienjahr 22/23 wurde eine 8-prozentige Steigerung der Erstsemestrigenzahlen in den Bachelorstudien erreicht. Die beste Werbung seien die Zukunftsthemen der BOKU: "Die Firmen reißen uns die Studierenden wie die warmen Semmeln aus den Hörsaalbänken."

Galt früher die BOKU als konservative Ausbildungsstätte künftiger Land- und Forstwirte, setzt man heute auf das Image einer führenden Life Sciences-Universität in Europa. "Wir haben jetzt einen Markenprozess aufgesetzt, um die öffentliche Wahrnehmung mit unseren Kompetenzen zur Lösung gesellschaftlich höchst relevanter Fragen in Einklang zu bringen - dazu gehören Klimawandel, Ressourcenknappheit, Biodiversität, Ernährungssicherung oder Biotechnologie, wo wir auch stark in den medizinischen Bereich hineingehen."

Ein englischsprachiger Master "Climate Change and Societal Transformation" soll ebenso wie einer in "Green Building Engineering" - die Zulassung durch den Senat vorausgesetzt - ab Herbst angeboten werden und nicht nur die entsprechenden Kompetenzen der BOKU, sondern auch die Internationalität stärken. Mittelfristig denkt Schulev-Steindl auch an englischsprachige Bachelor-Studien. Die Geschlechterparität an ihrer Universität voranzutreiben, sei ihr "ein großes Anliegen", versichert die Rektorin und verweist etwa auf Programme wie "Frauenmentoring in der Forstwirtschaft": "Insbesondere bei den Professorinnen haben wir noch Nachholbedarf."

Eva Schulev-Steindl, 1959 in Wien geboren, ist nicht etwa Forstwirtin, sondern Juristin, hat sich auf Umwelt- und Klimaschutzrecht spezialisiert und als Expertin u. a. das Klimavolksbegehren beraten. Wie geht es ihr angesichts der geringen Fortschritte und der offenkundigen Zahnlosigkeit jener Gesetze, die für die Erreichung der Klimaziele sorgen sollen? "Es ist traurig, wenn man sieht, wie langsam es geht." Eines ihrer Forschungsgebiete sind sogenannte Klimaklagen. Um ein entsprechendes Monitoring auch in Österreich zu ermöglichen, hält sie die Festschreibung eines Zielerreichungspfades für die Klimaneutralität in der Verfassung für einen guten Weg, um bei Abweichungen rechtzeitig gegensteuern zu können. "Man darf sich da allerdings nicht zu viel erwarten."

Man hat allerdings den Eindruck: Immer mehr Wissenschafter erwarten immer weniger von der Politik und beschreiten daher selbst den Weg in die Öffentlichkeit. "Der Staat hält uns ja sogar dazu an", sagt die Rektorin und verweist darauf, dass dies als "Third Mission" neben Forschung und Lehre auch in die gesetzlichen Rahmenbedingungen Eingang gefunden hat. Bei der Wahl der Mittel gelte es, Fingerspitzengefühl zu beweisen. "Wir unterstützen alles, was im Rechtsrahmen ist."

Wie sieht es aber mit zivilem Ungehorsam aus? Zahlreiche BOKU-Wissenschafter sind auch auf der Straße zu finden und unterstützen etwa Aktionen der "Letzten Generation". "Das überlassen wir der Entscheidung jedes Einzelnen. Als Rektorin würde ich mich jedenfalls nicht selbst ankleben!" Die BOKU überhaupt zum Widerstandsnest gegen säumige Klimapolitik zu machen - davon hält Schulev-Steindl nichts: "Permanenter Aktionismus würde zu weit führen." Die Besetzung eines BOKU-Hörsaals durch "Erde brennt" sei nach drei Tagen beendet worden, da die Aktivisten offene Türen eingerannt hätten. Man sei mit ihnen nach wie vor im Gespräch, versichert sie.

In den kommenden Monaten werde es einige Gelegenheiten geben, die Expertise der BOKU in Klimaschutzfragen öffentlichkeitswirksam hervorzuheben, glaubt die Uni-Chefin: Am 31. Mai soll eine "Featuring Future Conference" die Energie- und Mobilitätswende in den Fokus rücken, im Juni wird das neue Wasserbaulabor am Brigittenauer Sporn eröffnet, für Anfang September ist eine internationale Bioökonomie-Enquete geplant. Die notwendige Transformation "ist unser Thema", sagt Schulev-Steindl. "Wir haben alle Kompetenzen. Und wir möchten unsere Verantwortung wahrnehmen."

ribbon Zusammenfassung
  • Seit 1. Februar 2022 ist Eva Schulev-Steindl Rektorin der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU).
  • "Es ist traurig, wenn man sieht, wie langsam es geht."
  • "Wir unterstützen alles, was im Rechtsrahmen ist."
  • Die BOKU überhaupt zum Widerstandsnest gegen säumige Klimapolitik zu machen - davon hält Schulev-Steindl nichts: "Permanenter Aktionismus würde zu weit führen."
  • "Wir haben alle Kompetenzen. Und wir möchten unsere Verantwortung wahrnehmen."