"Bild" an Kurz: "Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler"
Kurz stehe "wie kein anderer europäischer Regierungschef für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik", schreibt das Boulevardmedium. Auch weil er im Jahr 2016 als Außenminister entscheidend zur Schließung der Balkanroute beigetragen habe, "wird in der Debatte um den richtigen Flüchtlings-Kurs in Europa auf ihn ganz genau geschaut."
"Aber das, was er nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria sagt und nicht (!) tut, wird immer mehr zum Herzlos-Kurs", kritisiert "Bild". Der Vergleich mit dem Jahr 2015 sei "irreführend, weil die Situation keinesfalls vergleichbar ist". Damals habe es einen durch den Syrien-Krieg und die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan ausgelösten "Massen-Strom" sowie "einen direkten Weg bis nach Österreich oder Deutschland" gegeben. "All das ist heute anders."
"Der österreichische Bundeskanzler sollte sich die Bilder und Videos aus Moria noch einmal ganz genau anschauen: Diese Kinder brauchen JETZT Hilfe, wir müssen sie aus dem Dreck befreien. Kurz könnte mit gutem Beispiel vorangehen, wenn er wirklich ein moderner konservativer Regierungschef mit christlichen Werten und Vorbild sein will. Er könnte sagen, dass sein Land bereit ist, zum Beispiel Kinder unter 10 Jahren mit ihren Eltern sofort aufzunehmen."
Der Kommentar wurde vom stellvertretenden "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer verfasst, der ein guter Kenner des ÖVP-Chefs ist. Vor knapp drei Jahren hat Ronzheimer eine Biographie über Kurz verfasst, der dem deutschen Journalisten dafür auch seltenen Zugang zu seiner Familie gewährte.
Ronzheimer versucht in dem Kommentar auch eine Erklärung, warum der ÖVP-Chef in der Flüchtlingsfrage hart bleibe. "Es ist SEIN Thema, er ist so tief davon überzeugt, dass eine Aufnahme falsche Zeichen setzt, dass er den Grünen bei den Koalitionsverhandlungen klargemacht hat: Wir können über alles reden, aber NICHT über die Aufnahme weiterer Flüchtlinge! So will Kurz sich auch dauerhaft die Stimmen der früheren FPÖ-Wähler sichern. Noch in diesem Herbst wird in Wien gewählt, darauf schaut auch Kurz."
Kurz ist häufiger Interviewpartner der auflagenstärksten deutschen Zeitung, die bisher meist wohlwollend über ihn berichtet hat. Nach dem Triumph des ÖVP-Chefs bei der Nationalratswahl im vergangenen September hieß es etwa, "Kurz' Sieg und sein Wahlkampf zeigen, was ER kann und was in Deutschland der CDU, seiner Schwester-Partei, an der Spitze fehlt: Klare Themen-Setzung, rhetorisches Talent, wenig Fehler. (...) Und er kann jetzt etwas schaffen, was Merkel in Deutschland nicht gelungen ist: Schwarz-Grün, oder eine in Österreich "Dirndl"-Koalition genannte Zusammenarbeit mit Grünen und Liberalen (Neos). Damit wäre Kurz dann ein politisches Vorbild in ganz Europa."
Zusammenfassung
- Kurz stehe "wie kein anderer europäischer Regierungschef für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik", schreibt das Boulevardmedium.
- Auch weil er im Jahr 2016 als Außenminister entscheidend zur Schließung der Balkanroute beigetragen habe, "wird in der Debatte um den richtigen Flüchtlings-Kurs in Europa auf ihn ganz genau geschaut."
- Der Vergleich mit dem Jahr 2015 sei "irreführend, weil die Situation keinesfalls vergleichbar ist".