Familiennachzug AsylAPA/AFP

Familiennachzug

Maßnahmen greifen, EU-Notfallklausel aber nicht vom Tisch

11. März 2025 · Lesedauer 3 min

Die Bundesregierung will den Stopp des Familiennachzugs am Mittwoch per Beschluss gesetzlich festsetzen. Im Vorfeld verteidigten Innenminister Gerhard Karner und Integrationsministerin Claudia Plakolm (beide ÖVP) das Vorhaben: Österreich könne nicht noch mehr Menschen aufnehmen. Dabei wurde der Familiennachzug bereits "massiv reduziert". Asyl-Sprecher Lukas Gahleitner-Gertz sieht daher keinen "Notstand".

Das Aussetzen des Familiennachzugs von schutzberechtigten Personen sei ein "wesentlicher Teil" des neuen Regierungsprogramms, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nach einem Expertengespräch am Dienstag. Die Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales sowie die öffentliche Ordnung stünden vor nicht mehr stemmbaren Herausforderungen.

So habe man eine Steigerung der Jugendkriminalität in größeren Städten beobachtet, so Karner.

Familiennachzug bereits "massiv reduziert"

Schon im Vorjahr habe man den Nachzug "massiv reduziert". Lag die Zahl der Anträge im Februar 2024 noch 2.400, waren es im heurigen Februar nur mehr 60.

Nichtsdestoweniger wolle man nun die gesetzten Maßnahmen, wie etwa zusätzliche Dokument-Überprüfungen und DNA-Tests, "nachhaltig" sicherstellen. Dazu wolle man die "rechtlichen Rahmenbedingungen" ausnutzen.

Statistik der Familiennachzugs-Zahlen nach ÖsterreichPULS 24

Überforderte Systeme

Trotz der geringen Zahlen führte auch Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) diverse Probleme in der Integration auf den Familiennachzug zurück. So sei ein Drittel der Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigen Analphabeten - auch in der Muttersprache. In Wien würden "die Hälfte der Schulanfänger als außerordentliche Schüler geführt", da sie nicht Deutsch könnten.

Die fehlenden Deutsch-Kenntnisse würden auch eine Integration im Arbeitsalltag erschweren, so Plakolm. Laut dem Österreichischen Integrationsfonds (OIF) waren im Februar 2025 47.282 Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte arbeitslos oder in Schulungen.

"Damit wir weiterhin ein starkes Land bleiben können, werden wir den Familiennachzug stoppen", bekräftigte Plakolm.

Video: Flüchtlingshelferin im Interview

Rechtliche Durchsetzung unklar

"Allein der Stopp vom Familiennachzug wird das nicht Problem nicht lösen", erklärte Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher Asylkoordination Österreich, im PULS 24 Interview. Er vermisse Maßnahmen, die weiter greifen würden.

Zudem bezweifelt er, dass der Beschluss zum Stopp des Familiennachzugs so einfach durchgesetzt werden könne. Karner berief sich in der Pressekonferenz auf die "Notfallklausel" der Europäischen Union. Damit kann die Dublin-Verordnung vorübergehen ausgesetzt werden, sofern eben eine Notlage nachgewiesen werden kann.

Diesen "Notstand" sieht Gahleitner-Gertz aber aufgrund der massiv zurückgegangen Zahlen nicht, höchstens einen "Argumentationsnotstand" der Regierung. Zwar seien einige Schulen, besonders in Wien, überlastet, dieses Problem würde sich aber durch eine bessere Aufteilung der Schüler:innen lösen lassen. Die Situation habe sich seit dem Vorjahr "sehr entspannt".

info Dublin-Verordnung

Die Dublin-Verordnung ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der regelt, welcher Mitgliedsstaat für die Prüfung eines in der EU gestellten Asylantrags zuständig ist. Er trat 1997 in Kraft, seitdem gab es verschiedene Änderungen. Die aktuelle Dublin-III-Verordnung gilt seit 2013.

Sie soll verhindern, dass Flüchtlinge in mehreren EU-Staaten Asylanträge stellen, dass sie von Staat zu Staat weitergeschoben werden oder, dass Familienmitglieder getrennt werden, da ihre Verfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten geführt werden, so die "Asylkoordination Österreich".

"Katastrophale" Zustände befürchtet

Alarm schlug auch Menschenrechtsaktivistin Doro Blancke. Bei dem Vorstoß der Regierung handle es sich um "Symbolpolitik", die menschlich "katastrophal" sei, sagte sie im PULS 24 Interview.

Blancke arbeitet als Flüchtlingshelferin in Lesbos, in den dortigen Camps, in denen vor allem Frauen und Kinder auf eine Vereinigung ihrer Familien warten, würden sich die Zustände nun noch verschlimmern.

"Es wird in Griechenland Zustände geben, wie schon lange nicht mehr", warnte sie. Missbrauch, Organhandel oder Radikalisierung würden steigen, auch das Schlepperwesen würde zunehmen, da Frauen und Kinder auf eigene Hand zu den Familienvätern reisen würden.

Integrationsministerin Plakolm hatte in der Pressekonferenz nur bedingt Verständnis für diese Sorge. Es sei zwar "menschlich durchaus nachvollziehbar", dass Personen fliehen würden, um eine Perspektive für ihre Familie zu finden. "Aber Österreich ist nicht dafür verantwortlich, dass diese Menschen getrennt sind."

Video: Lukas Gahleitner-Gertz zum Stopp des Familiennachzugs

Zusammenfassung
  • Die Bundesregierung will den Stopp des Familiennachzugs am Mittwoch per Beschluss gesetzlich festsetzen.
  • Im Vorfeld verteidigten Innenminister Gerhard Karner und Integrationsministerin Claudia Plakolm (beide ÖVP) das Vorhaben: Österreich könne nicht noch mehr Menschen aufnehmen.
  • Dabei wurde der Familiennachzug bereits "massiv reduziert", so Karner.
  • Asyl-Sprecher Lukas Gahleitner-Gertz sieht daher keinen "Notstand".