Apotheken wollen Beitrag zur Patientensteuerung leisten
Apothekerinnen und Apotheker könnten an Ärzte, Spitäler oder neue telemedizinische Angebote weiterverweisen. Als erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten soll laut den Reformplänen künftig eine Gesundheits-App beziehungsweise die Hotline 1450 dienen. Diese führen über Fragen und Antworten mit einem Leitfaden gegebenenfalls in den ambulanten Bereich oder zu niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten weiter. Im Gegensatz zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei 1450 könnten akademisch ausgebildeten Apotheker eine betreute Selbstmedikation anbieten, die ELGA einsehen und mit der gesteckten E-Card alle Schritte dokumentieren. Das bringe eine Verbesserung für Patienten "ohne etwas neu zu erfinden. Das ist alles da", erläuterte Mursch-Edlmayr am Rande der Apothekertagung in Schladming.
1450 solle nicht ersetzt, sondern durch die Apotheken ergänzt werden. Mursch-Edlmayr denkt an eine Eingliederung der Apotheken zwischen der digitalen und der ambulanten Anlaufstelle. "Wir können Patienten weiterschicken oder an telemedizinische Plattformen vermitteln." Letzteres wäre in Randdienstzeiten eine Hilfe, sagte sie. Bei der Ausschreibung von 100 neuen Kassenstellen plädiere sie für "99 plus eine telemedizinische" und für Pilotprojekte zu dem Thema. In Frankreich gebe es beispielsweise in Apotheken Kabinen, wo Patienten virtuell einen Arzt kontaktieren können. Dieser stelle dann gegebenenfalls ein E-Rezept aus und die Betroffenen können gleich ihr Medikament mitnehmen.
Die Gesundheitsversorgung müsse "an der Basis verbreitert" werden, sagte Mursch-Edlmayr. "Es braucht einen Umdenkprozess, dass man Lücken in der Versorgung mit den Apotheken schließen kann", mit bestehender Infra- und Personalstruktur, betonte sie. Die Apothekerkammer sei in enger Kooperation mit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), um sich bei der Patientenlenkung einzubringen.
Die nicht-medizinischen Gesundheitsberufe seien in der aktuellen Konzeption von Patientenlenkung und Behandlungspfad keinesfalls "vergessen worden", widersprach Ärztekammer-Präsident Steinhart Mursch-Edlmayr am Mittwochnachmittag in einer Aussendung. "Die Diagnose und die Therapiefestlegung für Patientinnen und Patienten muss selbstverständlich in den Händen von denjenigen liegen, die dafür ausgebildet sind. Die Entscheidung, ob Patientinnen und Patienten zum Arzt oder ins Spital gehören oder eigenständig medikamentös behandelt werden können, liegt - auch wenn ich das Thema eventueller ökonomischer Eigeninteressen hier ausschließe weit außerhalb der Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern". Zudem sei es "widersinnig", Patientinnen und Patienten unnötige Wege zuzumuten.
Das heimische Gesundheitssystem ist extrem ärzte- und spitalslastig, sagte ÖGK-Vize-Obmann Andreas Huss auf APA-Nachfrage. "Das wichtige ist, dass wir grundsätzlich mal die anderen Gesundheitsberufe vor den Vorhang holen." Da gehöre die Pflege dazu, Therapeuten und "sehr, sehr niederschwellig die Apotheker". Es sei jetzt schon oft so, dass Betroffene mit "Husten, Schnupfen, Heiserkeit" zuerst in die Apotheke kommen. "Da kann der Apotheker, nachdem er Erstanlaufstelle ist, die Steuerung übernehmen", erläuterte Huss.
Mit der Apothekengesetznovelle hätten Pharmazeuten mehr Möglichkeiten bekommen, ergänzte Huss. Er verstehe aber nicht, warum Impfen in Apotheken weiterhin nicht möglich ist. Es gehe nicht um Kinder oder ältere Personen mit Risikoerkrankungen. Die gesunde Normalbevölkerung solle aber etwa gegen Zecken oder Influenza auch in der Apotheke geimpft werden können, forderte der ÖGK-Vize-Obmann. Bei der Telemedizin sei die ÖGK dabei, Angebote zu überlegen und auszurollen und diese künftig in Tagesrandzeiten sowie in der Nacht und an Wochenenden anzubieten, sagte Huss.
Auch davon zeigte sich Steinhart "irritiert". Die Vertragsärztinnen und -Ärzte sollten in ihrer Rolle als "Ansprechpartner Nummer eins" bestärkt werden. Die Frage der Patientenlenkung müsse ernsthaft und konsensual angegangen werden. "Jeder Systempartner sollte sich genau überlegen, was er im Rahmen seiner Möglichkeiten und Kompetenzen beitragen kann, damit Patientinnen und Patienten so schnell und so bequem dorthin können, wo sie die richtige Behandlung bekommen. Unsere Konzepte liegen auf dem Tisch - auch wir würden uns eine stärkere Rolle für 1450 und telemedizinische Lösungen wünschen, aber ohne Gefährdung oder unnötige Belastung der Patientinnen und Patienten", sagte Steinhart.
In Apotheken sind laut Nationalratsbeschluss aus der Vorwoche künftig Bluttests - beispielsweise auf Zucker und Cholesterin - sowie Impftiter-Analysen möglich. Der Start dieser Leistungen werde unterschiedlich losgehen, sagte Mursch-Edlmayr. Es gebe schon Apotheken mit Angeboten auf privater Basis sowie Standorte, die die Infrastruktur aus der Pandemie zur Verfügung haben. "Andere werden überlegen, mit Neu- und Umbauten Räumlichkeiten zu implementieren", erklärte sie. Die Apothekerkammer wird den Prozess begleiten und Fortbildungen anbieten. Die Möglichkeit von längeren Öffnungszeiten für Apotheken durch die Gesetzesnovelle begrüßte Mursch-Edlmayr, um diese "an regionale Bedürfnisse" anpassen zu können.
Zusammenfassung
- Österreichische Apotheken streben an, in die Patientenlenkung eingebunden zu werden und könnten als erste Anlaufstelle für die Weiterverweisung an Ärzte oder telemedizinische Dienste dienen.
- Eine Gesundheits-App und die Hotline 1450 sollen Patienten leiten, während Apotheker durch die neue Gesetzeslage Bluttests und Impftiter-Analysen anbieten dürfen.
- Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sieht Apotheker als wichtige Erstanlaufstelle und erwägt die Einführung telemedizinischer Dienste in Apotheken während Tagesrandzeiten sowie an Wochenenden.