APA/AMNESTY INTERNATIONAL ÖSTERREICH

Amnesty appelliert beim Thema Asyl an "humanitäre Tradition"

Shoura Hashemi, seit August neue Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, fordert beim Thema Asyl die "Wiederbelebung der humanitären Tradition, die es in Österreich in den 1980-er und frühen 1990-er Jahren einmal gegeben hat".

Sie selbst sei 1987 mit ihrer Familie aus politischen Gründen aus dem Iran geflüchtet: "Wir konnten ganz legal nach Österreich, mit einem Kontingent des Innenministeriums. So etwas würde ich mir heute für Afghanistan wünschen."

Dramatische Lage für Mädchen und Frauen unter den Taliban 

Nach der Machtübernahme der Taliban habe sich im Land am Hindukusch die Menschenrechtslage dramatisch verschlechtert, speziell für Mädchen und Frauen, die systematisch aus dem öffentlichen Leben verdrängt würden, meinte Hashemi im Gespräch mit der APA. Mädchen ist nunmehr der Besuch von weiterführenden Schulen, Frauen der Besuch von Universitäten untersagt. Ohne männliche Begleitung dürfen Frauen nicht mehr reisen und öffentliche Plätze wie Parks besuchen.

Dessen ungeachtet gebe es derzeit "ein klares Nein des Innenministeriums", sowohl was die Aufnahme politisch verfolgter Afghaninnen und Afghanen als auch den Familiennachzug bzw. die Familienzusammenführung betrifft: "Dabei haben Frauen in Afghanistan überhaupt keine Stimme. Sie werden ihrer grundsätzlichen Rechte beraubt. Das ist ein Rückschritt ins Mittelalter und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

"Österreich hat an sich eine humanitäre Tradition"

Dem müsse Österreich etwas entgegensetzen, verlangt Hashemi, die als Juristin etliche Jahre im diplomatischen Dienst des Außenministeriums tätig war: "Österreich hat an sich eine humanitäre Tradition. Wir haben uns in der Außenpolitik das Thema Menschenrechte an die Fahnen geheftet." Nach dem Auslaufen eines Resettlement-Programms für syrische Kriegsvertriebene im Jahr 2017 sei aus menschenrechtlichen Erwägungen nun die Aufnahme von besonders gefährdeten und schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Krisenregionen wieder dringend geboten.

Hashemi: "Klage gegen die SOS Balkanroute war eine Einschüchterungsklage"

Obsorge ab Tag eins für unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die es nach Österreich geschafft haben bzw. schaffen, appelliert die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, "dass die Obsorge ab Tag eins kommt". Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Justizministeriums gehöre umgesetzt und damit sämtlichen Fluchtwaisen zukünftig ein Obsorgeberechtigter der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) zur Seite gestellt. Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 sei außerdem die gesetzlich vorgesehene Ausbildungspflicht zu gewährleisten.

13.276 Fluchtwaisen sind im Vorjahr in Österreich insgesamt registriert worden. Von nicht weniger als 11.613 Kindern und Jugendlichen haben sich allerdings in weiterer Folge die Spuren verloren. "Viele werden weitergezogen sein in andere Länder. Aber nicht alle. Das Thema Menschenhandel, das Thema Gewalt, sexuelle Ausbeutung wird einfach ignoriert. Das ist wirklich so, als ob eine Kleinstadt in Österreich auf ein Mal verschwindet", gibt Hashemi zu bedenken.

Möglichst bald Informationsfreiheitsgesetz

Vom Gesetzgeber verlangt die Amnesty-Geschäftsführerin weiters das Informationsfreiheitsgesetz, das Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zuletzt für den Herbst angekündigt habe: "Der Herbst ist bald da. Ich hoffe, dass das auch tatsächlich passiert. Wir haben in Österreich als einziges Land in der EU noch das Amtsgeheimnis in der Verfassung stehen. Das ist nicht mehr zeitgemäß."

Zum Umgang mit sogenannten Slapp-Klagen - Slapp steht für "Strategic Lawsuits Against Public Participation", gemeint sind damit juristische Einschüchterungsversuche im Klagsweg, die sich gegen gesellschaftspolitisch engagierte Menschen und Organisationen richten - fordert Hashemi, "dass ein Gesetz kommt, wo man diese Einschüchterungsklagen im Schnelldurchlauf prüfen und sehr schnell abweisen kann, wenn sich herausstellt, dass es eine Einschüchterungsklage ist". Das würde verhindern, "dass NGO's oder Einzelpersonen mit vollem Kostenrisiko vor Gericht gehen müssen".

Keine Haftstrafen für Klima-Aktivsten

"Als Menschenrechtsorganisation ist uns das Klimaschutzgesetz natürlich auch wichtig und dass vor allem die Maßnahmen, die darin enthalten sind, sozial verträglich sind und menschenrechtlichen Normen entsprechen", sagte Hashemi weiters. Zur Diskussion um Haftstrafen für Klima-Aktivist:innen hält die Menschenrechtsaktivistin fest: "Das Recht auf Protest ist ein sehr schützenswertes Gut."

Dass laut einer Unique Research-Umfrage für das Nachrichtenmagazin "profil" mehr als drei Viertel der Österreicher:innen Haftstrafen befürworten, "erschüttert mich", meine Hashemi. Ihr Eindruck sei, dass auf Klima-Protest "von staatlichen Stellen teilweise sehr exzessiv reagiert wird" und diese rigide Reaktion in Teilen der Bevölkerung als verhältnismäßig angesehen wird: "Aber zivile Protestaktionen gehören einfach nicht kriminalisiert."

ribbon Zusammenfassung
  • Mädchen ist nunmehr der Besuch von weiterführenden Schulen, Frauen der Besuch von Universitäten untersagt.
  • Hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die es nach Österreich geschafft haben bzw. schaffen, appelliert die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, "dass die Obsorge ab Tag eins kommt".
  • 13.276 Fluchtwaisen sind im Vorjahr in Österreich insgesamt registriert worden.