Josef VotziJosef Votzi/PULS 24

Türkis, mehrfach verwaschen

Härte bei Asyl & Sozialhilfe; rege Reise-Diplomatie; Frühjahroffensive mit Weichspüler-Plakaten. Karl Nehammer versucht sich mit türkisen Rezepten von gestern aus dem Umfrage-Sumpf zu ziehen. Reicht das zur Rettung in den blauen-schwarzen Machthafen?

Nun ist auch nach außen hin sichtbar: Gerald Fleischmann, Sprecher und PR-Berater  der ersten Stunde von Sebastian Kurz, lenkt und leitet die Kommunikation ÖVP. Der 49-jährige Niederösterreicher kehrte zwar gemeinsam mit Kurz vor sechszehn Monaten dem Ballhausplatz den Rücken. Er war aber nie wirklich weg. Sein Büro schlug er ein paar Meter weiter in einem jener Container am Heldenplatz auf, in denen der ÖVP-Parlamentsklub während des Umbaus des Ringstraßen-Prachtbaus Unterschlupf fand. Unter der Tarnkappe des "Klubreferenten" ging er weiter seinem alten Job nach: Als Ezzesgeber in heiklen türkisen Causen.

Kurz weg, sein PR-Lenker mischt weiter mit

Fleischmann nahm etwa an Strategierunden teil, in denen die Linie für den ÖVP-Korruptionsausschuss festgelegt wurde. Auch die Kanzlergattin und Karl Nehammer zogen ihn immer wieder zu Rate. Transparent auszuschildern, dass Gerald Fleischmann auch nach Kurz eine tragende Rolle als Legionär am Ballhausplatz spielt, dafür war dem neuen ÖVP-Regime die Causa lange zu heiß. Schließlich ist auch Gerald Fleischmann in Sachen Inseraten-Korruption nach wie vor im Visier der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltsschaft (WKStA). 

Panik auf der türkisen Titanic

Je mehr die Umfragewerte von Kanzler und ÖVP-Parteichef Karl Nehammer verfielen, desto größer wurde die Panik, umso lauter der Ruf  nach einer Gegenstrategie. Der durchsichtige Paravent fiel. Fleischmann schnitzt nun auch hochoffiziell am äußeren Erscheinungsbild von Kanzler und Parteichef. Gerald Fleischmann ist in seinem Metier ein Voll-Profi. Die Gemengelage am Ballhausplatz ist freilich weniger übersichtlich als zu Kurz Hochzeiten. Statt einer Truppe, die seit Jahren gemeinsam durch dick und dünn ging, agiert ein nach und nach zusammengewürfeltes Team. Ein ÖVP-Kabinettsjob gilt nicht mehr als Karriere-Sprungbrett, sondern als toxisches Ticket in den nächsten  Untersuchungs-Ausschuss.  

Fleischmann vergeblich bei Nehammer auf der Aggro-Bremse

Fleischmann musste sich so bei seinem offiziellem Wiedereinstieg damit abfinden, dass er in Sachen Kommunikation am Ballhausplatz nicht mehr das letzte Wort hat. Karl Nehammer überraschte nicht nur in einem "ZiB2"-Livegespräch vor wenigen Wochen damit, dass er aus heiterem Himmel den professionell agierenden Interviewer Martin Thür mehrmals persönlich attackierte. Der unter mangelnder Strahlkraft Leidende macht generell "bossy habits" immer mehr zu seinem Stilmittel. Der als Mann fürs Grobe geltende Fleischmann stellt bei der nachträglichen Manöverkritik sein altes Gespür für den richtigen Ton unter Beweis: Weniger wäre mehr gewesen, postulierte er freundlich aber bestimmt.

Fleischmann, einst His Masters Voice, blieb in der internen Runde damit freilich allein. Pressesprecher und Vizekabinettschef Daniel Kosak machte die neue Hackordnung sichtbar und gab den Ton vor: Es sei hoch an der Zeit gewesen, Thür & Co endlich einmal in die Parade zu fahren.

Verblasstes Türkis, Buhlen um schwarz-blaue Grün-Hasser

Vieles was Fleischmann so in der Folge  an Handschrift in Kanzleramt und Partei hinterließ, wirkt so wie ein türkises Fan-TShirt, das nach mehrmaligen Waschen an Farbe und Leuchtkraft verloren hat.

Eines ist aber unübersehbar. Der Kanzler setzt in den letzten Monaten kantigere Akzente vor beim Buhlen um schwarz-blaue Grün-Hasser. In der Kanzlerrede bediente er diese mit einem Hohelied auf den Verbrennungsmotor. Und wärmt zudem verblasste Kurz-Erfolgsrezepte in Sachen mehr Härte gegen Asylwerber vom Grenzschutz bis zur Ankündigung der Kürzung von Sozialleistungen.

Mit Kanzler-Trips in Asyl-Herkunftsregionen wie Marokko und türkise Asylpolitik-Vorzeige-Länder wie Dänemark sucht Nehammer an die Image-Aufbaujahre des Team Kurz-Fleischmann anzuschließen als diese im Außenministerium im Dauer-Reisemodus waren.

Image-Offensive, wer wenn nicht er

Mit der nun gestarteten Frühjahrs-Kampagne soll mit einer allein auf Karl Nehammer zugeschnittenen Werbekampagne die seit Wochen laufende Image-Offensive jetzt auch ins Persönlich Positiv gedreht werden. Mit gelungenen Slogans wie "Einer für Österreich. Statt jeder gegen jeden." Und modrig  holzschnitzartigen Parolen wie: "Der Kanzler arbeitet für Österreich. Die Opposition streitet."

Schwarz-türkiser Faymann?

Einer seiner Vorgänger im Kanzleramt, Werner Faymann, reüssierte einst mit dem Wahlkampf-Plakat "Genug gestritten". Der Slogan war damals freilich auf den Umgang innerhalb der Koalition zwischen Schwarz und Rot gemünzt.

Faymann hinterließ als Kanzler keine große Spuren und als Parteichef die SPÖ in jenem erbärmlichen Zustand, die jetzt bald für jedermann als lebensgefährlich sichtbar wird. Faymann hielt sich mehr schlecht als recht länger als ihm viele zugetraut hatten als Hausherr am Ballhausplatz.

Nehammer als Faktor fürs Machtspiel Blau-Schwarz aufpäppeln

Das Team Fleischmann & Nehammer hat derzeit nur ein Ziel: Die kommenden Monate mit Kurz-Rezepten von gestern den Kopf über Wasser zu halten, um nach den kommenden Wahlen weiter im Machtspiel zu bleiben. Um nach dem in der ÖVP zunehmend verhassten türkis-grünen Zwischenspiel die endgültige Heimkehr zu feiern.

Mit einer Regierung mit den Blauen hat das Team Nehammer-Fleischmann bereits ausreichend Erfahrung. Für das schwarz-türkise Mastermind Gerald Fleischmann wäre das die zweite Chance, seine persönliche Welt politisch voll auszuleben: Als türkis-blauer Flügelspieler am rechten Rand der ÖVP.

Josef Votzi ist Kolumnist des Magazin "Trend" und Kommunikationsberater (www.linkedin.com/in/josef-votzi)

Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage"  jeden Freitag neu auf trend.at.

ribbon Zusammenfassung
  • Härte bei Asyl & Sozialhilfe; rege Reise-Diplomatie; Frühjahroffensive mit Weichspüler-Plakaten.
  • Karl Nehammer versucht sich mit türkisen Rezepten von gestern aus dem Umfrage-Sumpf zu ziehen.
  • Reicht das zur Rettung in den blauen-schwarzen Machthafen?