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AK-Expertin will Eltern bei Schul-Notbetrieb Druck ersparen

Viele Familien blicken heuer skeptisch Richtung Schulbeginn. Trotz des Fahrplans von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) herrscht Ungewissheit, wie eine plötzliche Umstellung auf Distance Learning und Notbetrieb an Schulen gemeistert werden soll. Dieser Notbetrieb ist auch Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer Wien, ein Dorn im Auge.

Viele Familien blicken heuer skeptisch Richtung Schulbeginn. Trotz des Fahrplans von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) herrscht Ungewissheit, wie eine plötzliche Umstellung auf Distance Learning und Notbetrieb an Schulen gemeistert werden soll. Dieser Notbetrieb ist auch Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer Wien, ein Dorn im Auge.

Durch den Begriff "Notbetrieb" entstehe ein enormer Druck, sagte die AK-Expertin im Gespräch mit der APA. Diesen Druck möchte sie den Eltern gerne nehmen. "Das kann nicht schon wieder sein, dass man von einem Notbetrieb spricht", ärgerte sich Moritz. Wenn man das so kommuniziere, traue sich niemand die Kinder hinzubringen, ist sie überzeugt. Oder die Eltern fühlen sich verantwortungslos, wenn sie die Kinder doch hinbringen.

Die Betreuung müsse in jedem Fall gewährleistet sein, forderte Moritz, auch bei roter Corona-Ampel. Wichtig sei das für Kinder und Eltern gleichermaßen, sagte sie. "Kinder brauchen die Förderung und die anderen Kinder und die Eltern brauchen es wegen der Erwerbstätigkeit", forderte sie ein verlässliches Angebot. Denn "solang ich zum Baumarkt gehen kann, muss ich auch jedes Kind in eine Einrichtung geben können", hielt sie vor Augen.

Wie die Schulen diesen Notbetrieb organisatorisch ausgestalten, müsse man sich genau überlegen, so Moritz. "Aber es darf nicht wieder auf die Eltern rückverlagert werden", forderte sie. Vielen Leuten sei es schon im Frühjahr zu viel geworden, viele hätten unter der Belastung gestöhnt. "Die zittern jetzt vor dem Herbst", berichtete die Arbeitnehmervertreterin aus der Praxis. "Ein zweites Mal Lockdown und alles zurückverlagern in die Haushalte, das geht nicht", bekräftigte sie.

Erschwerend hinzu komme, dass die Sonderbetreuungszeit, die Eltern während der Corona-Zeit in Anspruch nehmen können, mit Ende September ausläuft. "Wenn die Ampel rot ist, wird's schwierig", befürchtet Moritz. Die Möglichkeit einer Sonderbetreuungszeit müsse auf jeden Fall verlängert werden, verlangt sie - mit 100 statt bisher 30 Prozent Refundierung an den Arbeitgeber und mit Rechtsanspruch. Aus dem Ressort von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hieß es, dass es regierungsintern bereits Gespräche dazu gebe. Man unternehme derzeit eine Auswertung, wie die Möglichkeit bisher angenommen wurde. Moritz lud jedenfalls auch Männer dazu ein, die Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen.

Frauen hätten es während der Coronakrise ohnehin besonders schwer gehabt, betonte die Expertin. Bei Frauen sei die Arbeitslosigkeit in absoluten Zahlen zwar nicht so hoch wie bei Männern, aktuelle Zahlen würden jedoch zeigen, dass die Corona-bedingte Arbeitslosigkeit bei Frauen nur langsamer wieder zurückgehe und sich eher verfestige als bei Männern. "Frauen und vor allem Frauen mit Kindern sind eindeutig die Verliererinnen der Krise", konstatierte Moritz und betonte, dass die angespannte Situation am Arbeitsplatz Frauen "ganz massiv" treffe.

Allgemein würden in Krisensituationen alte Muster aktiviert, so die AK-Expertin. Bisher sei es zwar gelungen, dass sich die Väter beteiligen, die Hauptverantwortung für Kinder und Haushalt würden aber nach wie vor die Frauen tragen. "Halbe-Halbe, das machen ja die wenigsten", sagte sie. "Und Krisen sind immer eher Verstärker für traditionelle Strukturen", kritisierte Moritz.

Den von der Regierung angekündigten Frauen-Schwerpunkt in der Corona-Arbeitsstiftung sieht die studierte Politikwissenschafterin "grundsätzlich schon sehr sinnvoll", vor allem in Bezug auf Umschulungen oder Chancen für prekär Beschäftigte. "Der Knackpunkt ist: Gibt's die Finanzierung dafür?", stellte Moritz in den Raum, denn neben zusätzlichen Mitteln brauche es auch das entsprechende Personal, um etwa Beratungsgespräche führen zu können. Diesbezüglich zeigte sie sich "nicht so zuversichtlich".

Rückblickend auf den Beginn der Coronakrise in Österreich ist es für Moritz "negativ beeindruckend", wie schnell beim Lockdown alles ins Private verlagert worden ist, egal ob Homeschooling, Kinderbetreuung oder die eigene Arbeit. Für viele Frauen gab es ab diesem Zeitpunkt "keine Regeneration" mehr - und "unter solchen Bedingungen kann man garantiert keine Karriere schmieden", so Moritz. Allerdings habe man jetzt "ein halbes Jahr lang die Möglichkeit des Lernens gehabt", deswegen sollten sich grobe Fehler im Herbst nicht mehr wiederholen, hofft die Expertin - unter anderem bei der Gestaltung und Vermittlung des "Notbetriebs" an Schulen.

ribbon Zusammenfassung
  • Trotz des Fahrplans von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) herrscht Ungewissheit, wie eine plötzliche Umstellung auf Distance Learning und Notbetrieb an Schulen gemeistert werden soll.
  • Dieser Notbetrieb ist auch Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer Wien, ein Dorn im Auge.
  • Durch den Begriff "Notbetrieb" entstehe ein enormer Druck, sagte die AK-Expertin im Gespräch mit der APA.