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Klugscheißen am Wahlabend? So geht's

Die meisten verfolgen am Sonntag wohl nicht ihre erste Nationalratswahl. Jedes Jahr tauchen dann aber doch wieder die gleichen Fragen und Phrasen auf: Was ist nochmal die Hochrechnung? Wieso können auch 45 Prozent eine Mandatsmehrheit bringen? Und wie geht das mit der Wählerstromanalyse nochmal? Das Wahlergebnis könnte auch einige spannende Premieren und Rekorde liefern. PULS 24 mit den wichtigsten Infos zum Klugscheißen.

"Ich möchte zuerst allen Wählern und Wählerinnen danken". "Wir werden mit allen Parteien Gespräche führen." Spekulationen über Rücktritte, Interviews, in denen man wegen lauten Applaus nichts hört und sicherlich keine klaren Ansagen zu etwaigen Koalitionen. Das alles gehört zum Wahlabend, wie das Amen ins Gebet. 

Die Hochburgen der Parteien: FPÖ

Nach dem Gang zur Urne ist es in vielen Haushalten Tradition, sich nach Essen und Spaziergang vor den Fernseher - auf PULS 24 gibt es den ganzen Tag umfassende Berichterstattung - zu setzen. Manche veranstalten sogar Wahlpartys und laden Freunde und Verwandte ein. Dabei kann so manch Ungereimtheit - nicht nur weltanschaulicher Natur - auftauchen. 

Hier die wichtigsten Infos zum Klugscheißen:

Was ist eine Hochrechnung?

Spätestens, wenn dann um 17 Uhr am Fernseher die ersten Zahlen auftauchen, kann es laut werden und die eine oder andere Frage auftauchen. Wichtig gleich zu Beginn: Was ist da im TV eigentlich genau zu sehen? Zuerst wird das wohl eine Trendprognose sein: Also Zahlen, die aus Umfragen stammen. Erst kurz nach 17 Uhr wird es Hochrechnungen geben, auf PULS 24 gleich von zwei Instituten: von FORESIGHT und von ARGE. Diese enthalten schon erste Sprengelergebnisse, die aufgrund von Erfahrungswerten auf ganz Österreich hochgerechnet werden.

Diese Zahlen werden auch eine Briefwahlschätzung enthalten. Wie echte Klugscheißer wissen: Aufgrund der Wahlrechtsreform 2023 wird heuer erstmals bereits am Sonntag ein Großteil der Briefwahlstimmen mitausgezählt. Lediglich ein weiterer Teil folgt am Montag, ein kleinerer dann am Donnerstag. 

Wann steht das Ergebnis fest?

Ist es dann schon gelaufen? Nein, nicht unbedingt: Die Hochrechnung kurz nach 17 Uhr wird voraussichtlich eine Schwankungsbreite von rund plus/minus 2 Prozentpunkten haben. Die Platzierungen von Parteien oder die Frage, ob kleinere Parteien die Vier-Prozent-Hürde und damit den Einzug in den Nationalrat schaffen, könnte noch offen sein. Warnen Sie Ihre Mitbeobachter vor: Der Wahlabend könnte länger dauern. 

Die Hochburgen der Parteien: ÖVP

Im Laufe des Abends wird der Auszählungsgrad steigen und die Schwankungsbreite sinken. Erst am späten Abend könnte die Platzierung der Parteien fix sein, sofern der Abstand zu anderen 0,6 Prozentpunkten oder mehr beträgt. Die Schwankungsbreite liegt dann voraussichtlich bei rund plus/minus 0,3 Prozentpunkten.

Wie geht das mit der Wählerstromanalyse?

"Von wegen Wahlgeheimnis! Woher wissen die, dass ich letztes Mal eine andere Partei gewählt habe?", könnte ein unqualifiziertes Kommentar lauten, wenn dann die ersten Wählerstromanalysen auftauchen. Doch keine Angst: Wählerstromanalysen sind - vereinfacht gesagt - Berechnungen, die auf Veränderungen im Wahlverhalten in den Sprengeln beruhen. Wenn eine Partei dort gewinnt, wo eine andere Partei verliert, wird das als Stimmenwanderung ausgelegt. Ob diese Annahme zulässig ist, darüber lässt sich vorm Fernseher diskutieren.

Fest steht: Eine Aussage über Motive der Wähler:innen lässt sich daraus nicht ableiten - dazu braucht es wieder Umfragen. 

Apropos Wählerwille: "Diese Regierung hab' ich aber nicht gewählt", könnte die nächste Meldung auf der Couch lauten, wenn dann die Koalitionsrechner eingeblendet werden. Wer klugscheißen will, erklärt dann, dass strenggenommen ja auch gar nicht die Regierung gewählt wird, sondern die Zusammensetzung des Nationalrats. 

Welche Koalitionen sind möglich?

Und da wird es spannend: Denn sollte gegen Ende noch nicht feststehen, ob die beiden Kleinparteien - laut Umfragen haben die Bierpartei und die KPÖ Chancen - einziehen, könnte gegen Abend auch noch nicht fix feststehen, wie viele Mandate - also Sitze im Nationalrat - die anderen Parteien bekommen. Dementsprechend könnte es sein, dass nicht feststeht, welche Koalitionsvarianten Mehrheiten im Nationalrat haben und damit eine Regierung bilden können.

An dieser Stelle kann man vor dem Fernseher darauf hinweisen, dass es die theoretische Möglichkeit gibt, dass unter 50 Prozent für eine Mandatsmehrheit reichen könnte. Denn: Je mehr Stimmen an Kleinparteien gehen, die es nicht in den Nationalrat schaffen, desto billiger wird das einzelne Mandat gemessen am Stimmenanteil für die anderen.

Die Hochburgen der Parteien: SPÖ

Schuld ist das sogenannte D’Hondt-Verfahren, das im dritten Ermittlungsverfahren, wenn also Mandate auf Regional- und Landesebene schon verteilt wurden, auf Bundesebene angewandt wird. An dieser Stelle besser gleich zugeben: Dieses Verfahren ist selbst für Klugscheißer und echte Politolog:innen schwer zu erklären. Fest steht: Es bevorzugt größere Parteien, um die Mehrheitsfindung zu vereinfachen. Benannt ist es nach dem belgischen Juristen Victor D’Hondt. 

Die Hochburgen der Parteien: Grüne

Lieber schnell das Thema wechseln: Welche Koalition wäre für's Land am besten? Eine Dreierkoalition - als Möglichkeit wird ÖVP-SPÖ-NEOS gehandelt - gab es in der Bundesregierung noch nie. Aber wäre so eine Variante stabil genug? Bevorzugen Sie eine große Koalition? ÖVP und SPÖ regierten Österreich nach 1945 über 40 Jahre gemeinsam - die letzte endete 2017. ÖVP und FPÖ regierten Österreich bisher dreimal.

Babler schlechter als Rendi-Wagner?

Wurde dann zu allen Wahlpartys oder -trauerfeiern geschalten, haben sich die Spitzenkandidat:innen und Wahlkampfleiter:innen bei allen Wähler:innen bedankt und Gespräche mit eh allen angekündigt, folgen stundenlange Analysen durch Politolog:innen, Meinungsforscher:innen und Journalist:innen. Aber vermutlich wird auch in dem ein oder anderen Haushalt eifrig analysiert. 

Dabei können Klugscheißer bei folgenden Szenarien punkten: Fällt die ÖVP unter 24 Prozent - was nach aktuellen Umfragen nicht der Fall sein dürfte - würde sie ihr bislang schlechtestes Ergebnis von 2013 unterbieten. Durchaus möglich ist aber ein Rekordverlust bei den Schwarzen: 1990 verlor die ÖVP 9,2 Prozentpunkte, 2024 könnten es mehr werden. 

Die Hochburgen der Parteien: NEOS

Landet die SPÖ auf Platz 3, weiß der Klugscheißer: Das gab es noch nie. Die Roten haben eine intensive Führungsdebatte hinter sich - Andreas Babler könnte schon ab dem Wahltag wieder erheblich unter Druck geraten. Bekommt die SPÖ unter 21,2 Prozent der Stimmen, schnitt Babler schlechter ab als seine Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner. 

Ein blaues Wunder?

Erreicht die FPÖ tatsächlich Platz 1, dann ist das ebenfalls ein Novum. Politikprofis wissen: Das größte Plus konnte die FPÖ bisher 1990, unter Jörg Haider, mit einem Zuwachs von 6,9 Prozentpunkten verzeichnen. Das bislang beste Wahlergebnis hatte die FPÖ 1999 - sie kam damals auf 26,9 Prozent. 2024 könnten gleich zwei blaue Rekorde gebrochen werden. 

Egal welche Partei am Ende Sieger ist, der jeweilige Spitzenkandidat wird für sich beanspruchen, Bundeskanzler zu werden. Üblicherweise erteilt der Bundespräsident dem Mandatssieger den Auftrag zur Regierungsbildung. Wie Politiknerds allerdings wissen: Müssen tut er das nicht.

ribbon Zusammenfassung
  • Die meisten verfolgen am Sonntag wohl nicht ihre erste Nationalratswahl. Jedes Jahr tauchen dann aber doch wieder die gleichen Fragen und Phrasen auf.
  • Was ist nochmal die Hochrechnung? Wieso können auch 45 Prozent eine Mandatsmehrheit bringen? Und wie geht das mit der Wählerstromanalyse nochmal?
  • Das Wahlergebnis könnte auch einige spannende Premieren und Rekorde liefern.
  • PULS 24 mit den wichtigsten Infos zum Klugscheißen.