6 Stunden Kriegsrecht: Wie geht es in Südkorea jetzt weiter?
Nur sechs Stunden galt in Südkorea von Dienstag auf Mittwoch das Kriegsrecht. So kurz, dass einige Menschen das Chaos komplett verschliefen. Hunderte machten sich aber sofort nach der Verkündung durch Präsident Yoon Suk-yeol auf den Weg zur Nationalversammlung, um dagegen zu protestieren.
Trotz bitterer Kälte und bewaffneten Militär versammelten sie sich vor dem Parlament. Auf X machten Videos und Bilder die Runde, in denen etwa Senior:innen am Boden sitzen, um so das Militär davon abzuhalten, in die Nationalversammlung einzudringen.
https://twitter.com/thejoonmoon/status/1864002070858080468?s=46&t=bd6bJzHKdaM5wFZZBy5LfA
Dass die Nationalversammlung schließlich zusammenkommen konnte, um für die Aufhebung des Kriegsrechts zu stimmen, hat auch mit dem Einsatz der Politiker:innen zu tun.
Ein virales Video in den Sozialen Medien zeigt auch, wie eine Frau das Gewehr eines Soldaten festhält und schreit: "Schämt ihr euch nicht?" Bei ihr handelt es sich um die Oppositions-Politikerin Ahn Gwi-ryeong, die früher Nachrichtensprecherin war.
https://twitter.com/YourAnonCentral/status/1864063855300845704
Der Chef der oppositionellen Partei DP filmte sich selbst sogar live, als er über die Blockademauer kletterte, um ins Parlament zu gelangen. Im Gebäude selbst zeigen Aufnahmen, wie mehrere Parlamentsmitarbeiter:innen schwer bewaffnete Soldaten mit Feuerlöschern zurückhalten.
https://twitter.com/drewpavlou/status/1863985729874854035?s=46&t=bd6bJzHKdaM5wFZZBy5LfA
Wie geht es jetzt weiter?
Nach eigenen Angaben rief Südkoreas Staatschef das Kriegsrecht aus, um das Land vor der "Bedrohung durch Nordkorea" zu schützen. Schnell wurde aber klar, dass es wohl um seinen eigenen Machterhalt und die Ausschaltung des mehrheitlich oppositionellen Parlaments ging. Sein Plan ging jedoch nicht auf, wenige Stunden nach der Erklärung des Kriegsrechts stimmte die Nationalversammlung einstimmig für dessen Aufhebung.
Trotz später Stunde und Bemühungen des Militärs, die Abstimmung zu verhindern, waren 190 der 300 Abgeordneten anwesend.
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Yoons politische Tage dürften nun gezählt sein. Sechs Oppositionsparteien brachten bereits einen Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren ein, darüber soll am Freitag oder Samstag abgestimmt werden. Koreas Verteidigungsminister, Kim Yong-hyun, hatte zuvor die volle Verantwortung für die Verhängung des Kriegsrechts übernommen, auch gegen ihn wurden Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet.
Es dürfte auch Anzeigen gegen den Minister für Inneres und Verteidigung sowie führende Personen aus Armee und Polizei geben.
Was passiert, wenn Yoon nicht des Amtes enthoben wird?
Sollte ein Amtsenthebungsverfahren scheitern, könnte Yoon dennoch angeklagt werden. "Selbst wenn das Kriegsrecht aufgehoben wird, kann er einer Anklage wegen Hochverrats nicht entgehen. Es wurde der ganzen Nation deutlich vor Augen geführt, dass Präsident Yoon das Land nicht mehr normal führen kann. Er sollte zurücktreten", sagte der ranghohe DP-Abgeordnete Park Chan-dae.
Die Nationalversammlung kann den Präsidenten anklagen, wenn sich mehr als zwei Drittel der Abgeordneten dafür aussprechen. Das Verfahren würde dann vom Verfassungsgericht verhandelt werden.
Im Falle eines Rücktritts oder einer Amtsenthebung würde Ministerpräsident Han das Amt des Parteivorsitzenden übernehmen. Innerhalb von 60 Tagen müssten dann Neuwahlen stattfinden.
Wie reagiert die Bevölkerung?
Das Chaos der vergangenen Stunden beschäftigt auch die Bevölkerung weiter. Aktivist:innen planen im ganzen Land Proteste, um Yoons Rücktritt zu fordern. In Busan, der zweitgrößten Stadt Südkoreas, soll etwa in der nächsten Woche jeden Tag eine Kundgebung abgehalten werden, berichtet die Nachrichtenagentur Yonhap.
Zudem begann am Mittwoch auch ein unbefristeter Generalstreik der Arbeitnehmer:innen, der so lange in Kraft sein würde, bis Yoon zurückgetreten sei, erklärte der Koreanische Gewerkschaftsbund (KCTU) an. Auch in Bereichen Verkehr, Bildung und öffentlicher Dienst wurden Streiks angekündigt.
Zusammenfassung
- Mitten in der Nacht rief Südkoreas Staatschef Yoon Suk-yeol das Kriegsrecht aus, nur sechs Stunden später ruderte er bereits zurück.
- Offenbar nicht zuletzt, weil sich die breite Masse gegen seinen Erlass stellt und sich auch vom bewaffneten Militär nicht abschrecken ließ.
- Nun droht Yoon ein Amtsenthebungsverfahren. Wie geht es jetzt weiter?