Wim Vandekeybus feierte beim ImPulsTanz mit einem Medley
Freilich, es ist interessant, einen Blick zurück auf 35 Jahre Tanzgeschichte (und Musikgeschichte) zu werfen, frühere Zugänge neu zu hinterfragen, sich an Verstreutes und Vergessenes zu erinnern und dies bisweilen auch mit der Vorstellung der Zukunft zu vermischen, wie Vandekeybus im Vorfeld ankündigte. Doch wie es mit Medleys so ist, bleibt es halt doch weitgehend zusammenhangloses Stückwerk, das den Effekt in der Abfolge von Höhepunkten schafft, statt einen kohärenten Erzählbogen zu spannen.
Den Versuch hat Vandekeybus immerhin unternommen und einen Monolog an den Anfang gestellt, in dem er sich an das erste Gastspiel im niederländischen Haarlem erinnert, das in einer wenig glamourösen Location stattfand. Am Ende des Abends lässt sich dann auch einer seiner Tänzer als Alter Ego an der Rampe nieder, um über künstlerische Leere zu sinnieren und eine Zukunft zu imaginieren, die vielleicht ganz ohne Tanz auskommt. "Ich könnte Taxi fahren, Brot backen oder einfach nichts machen", heißt es da, während das 24-köpfige Ensemble im Hintergrund die Kulisse abbaut.
Welche verstreuten Erinnerungen Vandekeybus für diesen rasanten Abend, an dem sich bis zu zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzer - frühere und aktuelle Compagnie-Mitglieder - auf der Bühne tummeln, für die Produktion ausgesucht hat, ist im Programmheft leider nicht ersichtlich. Hier werden schlichtweg alle Produktionen aufgelistet, mit denen Ultima Vez seit 1989 bei ImPulsTanz zu Gast waren. So bleibt es dem Publikum überlassen, das Eine oder Andere wiederzuerkennen oder aber sich ganz einzulassen auf fremde Geschichten, große Gruppenchoreografien oder intime Zweisamkeit. Allen Bildern gemeinsam ist die Dichotomie aus Anziehung und Abstoßung, Perfektion und Beiläufigkeit, Geschlechtern und Geschlechtslosigkeit.
Untermalt, oft auch verstärkt, werden die Choreografien auf einer großen Leinwand mit Videoprojektionen, die ohne den Kontext jedoch schwer zu decodieren sind. Und so baut sich im Laufe des Abends auch so etwas wie Überforderung auf: Wo endet das eine Stück, wo beginnt das nächste? Ist der Höhepunkt schon überschritten oder kommt noch was? "Scattered Memories" lädt dazu ein, sich zerstreuen zu lassen, das Gebotene vorbehaltlos aufzunehmen und sich immer wieder verzaubern zu lassen.
Und mit dem formidablen Stück "Hands do not touch your precious Me", mit dem die Compagnie vor wenigen Tagen ebenfalls im Volkstheater ihre aktuellste Arbeit präsentierte, gab es schließlich auch einen Einblick in die Gegenwart. Dass nach 35 Jahren Gefahr der künstlerischen Leere herrscht, wie am Ende von "Scattered Memories" angedeutet wird, kann jedenfalls ausgeschlossen werden.
(S E R V I C E - ImPulsTanz: "Scattered Memories" (UA) von Ultima Vez/Wim Vandekeybus im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien. Weitere Aufführungen am 28. und 29. Juli. www.impulstanz.at)
Zusammenfassung
- "Scattered Memories" - also "Verstreute Erinnerungen" - nennt der belgische Choreograf Wim Vandekeybus seine bei ImPulsTanz zur Uraufführung kommende Jubiläumsproduktion anlässlich des 35. Geburtstags seiner Compagnie Ultima Vez.
- Hier werden schlichtweg alle Produktionen aufgelistet, mit denen Ultima Vez seit 1989 bei ImPulsTanz zu Gast waren.
- von Ultima Vez/Wim Vandekeybus im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien.