Wiener Festwochen: "War Requiem" mit umstrittenem Dirigenten Currentzis abgesagt
Hintergrund ist der Protest der ukrainischen Maestra Oksana Lyniv, die nach einer Idee von Festwochen-Intendant Milo Rau zehn Tage vor dem greco-russischen Kollegen das Requiem "Babyn Yar" ihres Landsmannes Jevhen Stankovych dirigieren hätte sollen. Dies hatte zuletzt ihre ablehnende Haltung untermauert.
"In den Gesprächen der letzten Tage hat sich herauskristallisiert, dass eine Präsentation beider Konzerte im Rahmen der Wiener Festwochen aktuell nicht machbar ist", hieß es am Montag in einer Aussendung der Festwochen. Nun wird lediglich das Stankovych-Werk wie geplant am 2. Juni im Konzerthaus erklingen.
Absage "alternativlos"
"Wir respektieren Lynivs Wunsch, aktuell nicht in einen inhaltlichen Kontext mit Currentzis gestellt zu werden. Leider war dadurch unsere Entscheidung für die Absage des geplanten Konzerts unter dem Dirigat von Teodor Currentzis, den wir als Künstler sehr schätzen, alternativlos", betonte Milo Rau.
"Ich habe nichts gegen Currentzis, ich kann aber nicht akzeptieren, dass mein Name und jener von Musikern, die aus einem Land kommen, das immer noch täglich bombardiert wird und so viele Tote zu beklagen hat, mit dem von jemandem in Verbindung gebracht wird, der sich nie offen gegen den Krieg ausgesprochen hat und dessen künstlerische Ensembles von Bankinstituten finanziert werden, die dem Kreml sehr nahe stehen", hatte Oksana Lyniv gegenüber der ANSA zuletzt betont.
Bereits kurz nachdem Milo Rau seine Idee zweier Antikriegsrequien präsentiert hatte, hatte sich die 46-Jährige gegenüber dem Musikjournalisten Axel Brüggemann ablehnend geäußert und betont, dass mit ihr nicht verabredet worden sei, dass die beiden Konzerte in einen thematischen Zusammenhang gebracht werden.
"Ich habe seit Mai vergangenen Jahres an diesem Projekt gearbeitet, aber erst in den letzten Tagen wurde ich über die Anwesenheit von Teodor Currentzis informiert", unterstrich die Dirigentin in Italien.
Nun begrüßte die Künstlerin die Entscheidung der Festwochen und kündigte überdies an, dass für die Wiener Aufführung des Requiems nun zusätzlich ein zeitgenössisches ukrainisches Stück von einem Schüler des Komponisten Yevhen Stankovich komponiert werden.
Ein Statement kam auch von der SWR-Programmdirektorin Anke Mai am Montag zur Absage des Konzerts von Currentzis mit "ihrem" SWR-Symphonieorchester: "Ich habe Verständnis dafür, dass sich Oksana Lyniv und die Mitglieder des Kyiv Symphony Orchestra ein öffentliches Bekenntnis von Teodor Currentzis gegen den russischen Angriffskrieg gewünscht hätten. Mit Rücksicht auf die Konsequenzen, die ein solches Bekenntnis für Currentzis in Russland mit sich brächte, haben wir dies aber nie von ihm verlangt." Man akzeptiere die Entscheidung der Wiener Festwochen und hoffe auf ein Wiedersehen in friedvolleren Zeiten.
Currentzis hat sich bis dato öffentlich nie dezidiert gegen Wladimir Putins Angriffskrieg geäußert. Der naheliegenden Diskussion wolle man gar nicht ausweichen, hatte Rau bereits anlässlich der Bekanntgabe im APA-Gespräch unterstrichen: "Wären wir eine schwache, feige Institution, würden wir sagen: Currentzis bringt zu viele unkontrollierbare Diskussionen." Da man das aber nicht sei, plane man flankierende Gesprächsformate etwa zu Fragen des Boykotts in der Kunst. "Es kann dann auch das Ergebnis sein, dass wir im Jahr darauf solch einen 'Fall' anders betrachten." Nun ist die Frage bereits vor Beginn der Festwochen geklärt.
Zusammenfassung
- Die Wiener Festwochen haben den Dirigenten Teodor Currentzis ausgeladen, der das 'War Requiem' mit seinem SWR Symphonieorchester hätte aufführen sollen.
- Die Entscheidung folgte auf den Protest der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv, die das Requiem 'Babyn Yar' ihres Landsmannes Jevhen Stankovych dirigieren soll.
- Sie wollte nicht in einen Kontext mit Currentzis gestellt werden.
- Currentzis hat sich bis dato öffentlich nie dezidiert gegen Wladimir Putins Angriffskrieg geäußert.
- Die SWR-Programmdirektorin Anke Mai äußerte Verständnis für die Entscheidung der Festwochen und hofft auf ein Wiedersehen in friedvolleren Zeiten.