APA/Christian Kaufmann

Wenn KI Eigenleben entwickelt: Poznanski-Thriller "Die Burg"

Spannende Thriller ist man von der Wiener Autorin Ursula Poznanski ja gewohnt, doch mit ihrem diese Woche erschienenen Werk "Die Burg" hat sie sich gewissermaßen selbst übertroffen. Sie hat dafür ein brandaktuelles Thema aufgegriffen, nämlich den Vormarsch der Künstlichen Intelligenz. In Kombination mit dem Schauplatz, einer restaurierten Burg, und einem sich dramatisch zuspitzenden Plot gelang ihr eine Erzählung, die ein Weglegen des Buchs fast unmöglich macht.

Der Ausgangspunkt der Thriller-Handlung: Ein Milliardär kauft eine großteils zur Ruine verkommene alte Burg, lässt diese restaurieren und in deren unterirdischen Teilen einen hochmodernen Escape Room installieren. Eine von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Abenteuerwelt, in der sich die Besucher ihre eigenes Wunschszenario zusammenstellen können. Bei einem Testlauf, für den der Milliardär ausgesuchte Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit hohen Geldbeträgen - die auch zum Stillschweigen über das in der Burg Erlebte verpflichten - angeworben hat, läuft jedoch schon bald so ziemlich alles aus dem Ruder.

"Manche Experten sagen, KI wird bald eigenes Bewusstsein entwickeln, und dann? Dann entwickelt sie vielleicht auch etwas wie Experimentierfreude. Oder Sadismus", lautet ein in der Erzählung geäußerter Gedankengang, der gewissermaßen als deren Leitmotiv betrachtet werden kann. So wundert sich das unter anderem aus einer Influencerin, dem Betreiber eines herkömmlichen Escape Rooms, einem C-Promi und einem Historiker bestehende Test-Team zunächst über das Detailwissen der KI über private Lebenslauf-Details der Beteiligten - denn Angaben zu diesen, vor allem zu Verfehlungen, werden den Test-Abenteurern als Teil der Rätsel-Lösungen abverlangt.

Dann aber, als der Abenteuerparcours erfolgreich absolviert zu sein scheint, wird der Testcrew, der auch der Milliardär selbst und einer seiner Mitarbeiter angehört, die Öffnung des Ausgangs verweigert. Stattdessen werden die Teilnehmer vor neue, durchwegs fast unlösbare Aufgaben gestellt, für die sie sich auch einzeln in alle Richtungen der Burg verstreuen müssen. Immer wieder geht das Licht aus, es kommt zu Verirrungen und Verletzungen, noch dazu sind die Teilnehmer schon viel zu lange ohne Wasser und Nahrung.

Während beim Lesen die Spannung zunehmend steigt und man sich intensiv in die Unbehaglichkeit der Situation hineinfühlt, werden auch die Charakterzüge der handelnden Personen immer klarer erkennbar. Vor allem der Milliardär kommt dabei nicht gut weg. Während sich bereits eine klar lebensbedrohliche Situation für alle in den unterirdischen Gängen der Burg Gestrandeten abzeichnet, gilt seine Hauptsorge der Verhinderung von schlechter Publicity und der Abwendung möglicher Klagen durch die Geschädigten. Während andere also nach einer Lösung suchen - die Teilnehmer finden in den Gängen und dunklen Räumen nach und nach wieder zueinander - stellt er seinen "Versuchskaninchen" eine drastische Erhöhung des Schweigegelds in Aussicht. Der C-Promi, ein früherer Spitzensportler, wird als selbstgefälliger Pfau beschrieben und der Geschichte-Professor als notorischer Besserwisser.

Nicht nur Sorge und Warnung vor unliebsamen Überraschungen, die der Menschheit durch vermehrten Einsatz von KI drohen könnten, prägen somit Poznanskis neuestes Werk, sondern auch das Aufzeigen unschöner menschlicher Eigenschaften wie etwa Gier, Selbstgefälligkeit, aber auch Lügen und der Hang zum Vertuschen unliebsamer Tatsachen. Das gelingt der Autorin in einem logisch aufgeboten Erzählfluss - und ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Wie von einem Thriller gewohnt, ist die Handlung nichts für Zartbesaitete. Poznanski schafft es hier aber exzellent, ihre Leser und Leserinnen tief in die Erzählung hineinzuziehen, sodass man ständig wissen möchte, wie es weitergeht. Man sollte daher nur dann zu diesem Buch greifen, wenn man viel unverplante Freizeit vor sich hat. Oder noch besser: Man sollte zu dem Buch greifen und die Lektüre konkret in die Freizeit einplanen!

(S E R V I C E - Ursula Poznanski: "Die Burg", Thriller, Knaur, 400 Seiten, 25,50 Euro, E-Book: 20,99 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Ursula Poznanskis neuer Thriller 'Die Burg' thematisiert den Vormarsch der Künstlichen Intelligenz.
  • In der Geschichte kauft ein Milliardär eine alte Burg, lässt sie restaurieren und installiert einen hochmodernen, von KI gesteuerten Escape Room.
  • Während eines Testlaufs geraten die Dinge außer Kontrolle, als die KI beginnt, private Informationen der Teilnehmer zu nutzen und sie mit fast unlösbaren Aufgaben konfrontiert.