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Weltuntergangsstimmung: "Es sind nur wir" von Martin Peichl

Endzeitromane sind hoch im Kurs. Meist treten in ihnen die angekündigten Katastrophen ein und jene, die schon lange vor ihnen gewarnt hatten, haben nun nichts davon, denn sie stecken genauso in der Klemme. Auch in Martin Peichls Roman "Es sind nur wir" scheint das Endspiel in Gang zu sein. Die Regeln sind jedoch undurchsichtig und die Spieler unbekannt. Es ist nicht der Plot, sondern die Atmosphäre, die dieses Buch prägt: Weltuntergangsstimmung.

Hauptfigur und Ich-Erzähler ist ein Informatiklehrer, der sich karenzieren lässt. Er hat einen offenbar beunruhigenden Befund erhalten, und ein einstiger Lieblingsschüler von ihm ist aus dem Fenster des Informatikraums in den Tod gesprungen. Mit dessen (verheirateter) Mutter verbindet ihn eine extravagante Affäre: Sex haben die beiden nur in jenen Wohnungen, die die Immobilienmaklerin zu vermieten versucht. Doch da gibt es auch eine ehemalige Kollegin, mit der er sich seit einer aus dem Ruder gelaufenen Schul-Weihnachtsfeier trifft, sowie die "offizielle" Freundin Sophia.

Und da gibt es Mascha, die er in einem Birdwatching-Verein kennenlernt. An sich interessiert sich der Lehrer nicht für Ornithologie, doch als Computerspiele-Programmierer soll er sich in den virtuellen Fantasielandschaften um Vögel kümmern - und da kann ein wenig Wissen um deren natürliches Verhalten nicht schaden. Doch die Welt ist genauso aus den Fugen wie die programmierten Vögel, wird Mascha später nüchtern feststellen. Mascha, die als Prepperin in einem zum Bunker ausgebauten Keller für den Notfall vorbereitet ist, steht jedoch einem ganz anderen Tier bedeutend näher: Eine Füchsin aus dem nahen Wald hat eine erstaunliche Nähe und Zuneigung zu ihr entwickelt (und es auch auf das Buch-Cover geschafft).

Nicht nur die Mensch-Tier-Beziehung, auch die menschlichen Freund- und Partnerschaften, von denen erzählt wird, sind durchaus unkonventionell, ja sogar verwirrend. Eindeutigkeiten sind dem 1983 im Waldviertel geborenen Autor, der in Wien als Literaturvermittler arbeitet, kein Anliegen. Sowohl auf die gegenseitige Anziehung der beiden Hauptfiguren als auch auf die sich zuspitzenden Geschehnisse rund um sie muss sich der Leser selbst einen Reim machen. Raketeneinschläge in Parks, Hamsterkäufe in Supermärkten, Hochwasser in der Stadt, reitende Jäger im nächtlichen Wald: Mitunter fühlt man sich an Michael Hanekes "Wolfszeit" oder an den dystopischen Roman "Die Straße" von Cormac McCarthy erinnert. Man ist mitten drinnen in der Veränderung - hat aber keine Möglichkeit, sie eindeutig zuzuordnen.

Deswegen steht die Katastrophe nicht im Mittelpunkt. Martin Peichl geht es um menschliche Beziehungen angesichts der Katastrophe. "Wie aber nennt man das Gegenteil von Massenhysterie, wenn die Welt jeden Tag ein Stück weit untergeht, wir unbeirrt weitermachen mit dem, was schon seit Jahrzehnten nicht mehr funktioniert, wie nennt man diese Ruhe, auf die kein Sturm folgt, nur noch Stille, wie? Vielleicht haben wir noch nicht die Sprache gefunden für das, was uns bevorsteht?" Martin Peichl hat sich schon mal auf die Suche begeben. Dabei hat er auch eine zweite Sprach- und Erzählebene gefunden, die er zwischen die Abschnitte seiner Geschichte montiert - als Erinnerung daran, dass es noch etwas anderes gegeben hat. Erkenntnis. Erfahrung. Hoffnung. Am Ende geht dann doch noch die Welt unter. "Dieses Mal vielleicht wirklich."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Martin Peichl: "Es sind nur wir", Haymon Verlag, 208 Seiten, 22,90 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Roman 'Es sind nur wir' von Martin Peichl zeichnet sich durch eine düstere Weltuntergangsstimmung aus, in der unkonventionelle menschliche Beziehungen im Vordergrund stehen.
  • Die Hauptfigur, ein karenzierter Informatiklehrer, ist in komplexe Beziehungen verwickelt, darunter eine Affäre mit der Mutter eines verstorbenen Schülers und eine Verbindung zu einer Prepperin.
  • Der Roman thematisiert die menschliche Ruhe angesichts von Katastrophen und zieht Parallelen zu anderen dystopischen Werken, während er mit einer zweiten Erzählebene Hoffnung und Erkenntnis vermittelt.